Wer die politische Strategie hinter den offenen und verdeckten EU-Interventionen – von Jugoslawien, Libyen, Syrien, Zentralafrika bis hin zur Ukraine – begreifen will, wird bei James Rogers fündig. Dieser Herr ist einer der wichtigsten geostrategischen Berater des Europäischen Rates, Mitarbeiter des EU-Instituts für Sicherheitsstudien und Direktor der „Group on a Grand Strategy“, einer Vernetzung von Repräsentanten mächtiger, regierungsnaher Denkfabriken. Rogers spricht Klartext: „Die Europäische Union muss ein Superstaat und eine Supernation werden, was sie dann wiederum in die Lage versetzt, eine Supermacht zu werden.“ (1).

„Grand Area“

Der Schlüssel für diese EU-Supermacht ist die politische, wirtschaftliche und militärische Kontrolle über eine „Grand Area“. Das heißt – so Rogers – „uneingeschränkter Zugang zu einer weiten, angrenzenden Zone, die die östlichen Nachbarschaft und das westliche Russland, den Kaukasus und große Teile Zentralafrikas, die arktische Region, die nördliche Hälfte von Afrika, den gesamten Nahen und Mittleren Osten, genauso den Indischen Ozean und Südost-Asien umfasst. Diese ‚Grand Area’ beinhaltet die meisten Rohstoffe, die von der europäischen Wirtschaft benötigt werden; alle zentralen Schifffahrtsrouten von Asien, Australien, Afrika und den Nahen und Mittleren Osten; alle Energiepipelines – gegenwärtige und zukünftige – von Russland, Zentralasien und Nordafrika…“. (2)

Rogers veranschaulicht mittels Grafik (sh. oben) die Dimensionen des angepeilten Imperiums. Dieser Raum müsse mit einem dichten Netz aus EU-Militärbasen überzogen werden, um „Geografie und Politik miteinander zu verknüpfen [und] um die Macht und die Einflusssphäre des heimischen Territoriums zu maximieren.“

 „Das Fürchten lehren“

Ziel dieser Militärpräsenz sei es, „erstens, ausländische Mächte davon abzuhalten, sich in Länder in der größeren europäischen Nachbarschaft einzumischen; und zweitens Halsstarrigkeit und Fehlverhalten auf Seiten der lokalen Machthaber vorzubeugen.“ (2) Neue europäische Militäranlagen könnten „im Kaukasus und Zentralasien, der arktischen Region und entlang der Küstenlinie des indischen Ozeans benötigt werden.“ Und natürlich in Afrika, um „ein System der Vorwärtspräsenz für Interventionen auf dem afrikanischen Kontinent bereitzustellen“ (3). Diese Außenexpansion diene dazu, „ausländischen Regierungen das Fürchten zu lehren und sie gegenüber europäischen Präferenzen aufgeschlossener zu machen.“ (2)

„Direkte militärische Konfrontation“

Diese geostrategischen Planspiele sind in einer Zeit besonders brisant, in der die EU dabei ist, die Ukraine in die „Grand Area“ einzugemeinden. Denn die Grafik des Geostrategen zeigt, dass das Territorium, in dem die EU „uneingeschränkten Zugang“ haben müsse, bis hinter den Ural reicht. Die EU-Geostrategen haben also nicht vor, in der Ukraine stehen zu bleiben. In einem Strategiedokument des EU-Instituts für Sicherheitsstudien wird bereits ungeniert ein neuer Ostfeldzug angedacht. Dort heißt es: Russland sei möglicherweise einer jener „der Globalisierung entfremdeten Staaten, … die es - wenn möglich - umzudrehen gilt“ oder denen ansonsten mit „direkter militärischer Konfrontation“ zu Leibe zu rücken sei (4).

Entsprechend energisch fordert Rogers die Aufrüstung der EU, insbesondere im Bereich „der Seestreitkräfte und weitreichender unbemannter Kampfflugzeuge“ (2), also just in jenen Bereichen, die beim EU-Gipfel im Dezember 2013 ganz vorne auf die Tagesordnung gerückt worden sind.

Anmerkungen:

(1) James Rogers/Simón Luis, The new ‘long telegram’, Group on a Grand Strategy, Nr. 1, 2011

(2) James Rogers, A new Geography of European Power?, Egmont Paper Nr. 42, 2011

(3) James Rogers, Papier für das EU-Parlament, 19.2.2009

(4) EU-Institut für Sicherheitsstudien, What Ambitions for European Security in 2020, Paris 2009; Seite 69


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14.3.2014