ImageDer Großindustrielle Hannes Androsch, von der SPÖ-Führung zum Leiter des "Komitees für eine Ende der Wehrpflicht" ernannt, nimmt sich kein Blatt vor den Mund, warum er ein Berufsheer will: Österreich soll sich an EU- bzw. NATO-Rohstoff- und Handelskriegen beteiligen.

 


Androsch wurde von der SPÖ-Führung vor kurzem zum Leiter des „Komitees für ein Ende Wehrpflicht“ gekürt. Dankenswerterweise benennt er unumwunden, wofür ein Berufsheer dienen soll. Das Aufgabenspektrum sei „im europäischen Verbund in Zusammenarbeit mit der NATO einsatzbereit zu sein, die Rohstoff- und Energiequellen zu verteidigen, die Transportwege, Seewege und Pipelines. Dazu kommt das Flüchtlingsproblem, Terrorismus und Cyberwar.“ (1) Jetzt ahnen wir auch, warum ein Großindustrieller zum Chef des Berufsheer-Komitees ernannt wurde. Mit seinen Aussagen überführt Androsch aber auch seine Auftraggeber Faymann und Darabos als notorische Lügner, wenn sie von Neutralität und „humanitären Einsätzen“ schwadronieren. Die Beteiligung an Rohstoff- und Handelskriege „im europäischen Verbund in Zusammenarbeit mit der NATO“ sind die Aufgabenstellungen, für die das Bundesheer mit Profisoldaten hochgerüstet wird.

Hintergründe des SP-Schwenks

Erinnern wir uns an die Aussage von Verteidigungsminister Darabos vom Juli 2010, wo er die „Wehrpflicht als in Beton gemeißelt“ (2) bezeichnete. Keine drei Monate später, Anfang Oktober 2010 machte Darabos und die SPÖ-Spitze bekanntlich einen 180-Grad-Schwenk zugunsten einer Berufsarmee. Der Grund für diesen kolossalen Bauchfleck wurde nie wirklich geklärt.

Eine Studie des „Egmont-Institute“ könnte hier möglicherweise weiterhelfen. Dieser EU-Militarisierungs-Thinktank wurde im Frühjahr 2010 von der spanischen EU-Ratspräsidentschaft damit beauftragt, Kriterien zu entwickeln, die ein EU-Land erfüllen muss, um in die sog. „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ) eingelassen zu werden.Diese SSZ wurde mit dem Vertrag von Lissabon (2009) in EU-Verfassungsrang gehoben und soll einen inneren militärischen Führungszirkel begründen, in den nur jene Einlass finden, die „über anspruchsvolle militärischen Kapazitäten“ verfügen und sich zu „(Militär-)missionen mit höchsten Anforderungen verpflichten“ (Art. 42, Abs. 5, EUV).
Tenor: Wirklich etwas zu sagen hat in der Zukunft der EU nur, wer auch gehörig mitrüstet und mitschießt. Das Egmont-Institute schlägt folgende Einlasskriterien vor:

  • Die für Auslandsinterventionen verwendbaren Truppen müssen um 25 Prozent in den nächsten 5 und um 50% in den nächsten 10 Jahren erhöht werden
  • Anteil der Militärausgaben am Budget von mindestens 1,63%
  • Die Mitgliedsstaaten müssen anteilig zum ihrem BIP alle Aufrüstungsprojekte der sog. EU-Verteidigungsagentur mitfinanzieren
  • Teilnahme an allen EU-Missionen, die eine militärische Komponente haben. (3)

Androschs Berufsarmee-Vorbild: Die Killerarmeen des „War on Terror"

Dieses Papier, das im Frühjahr 2011 veröffentlich wurde, war wohl schon im Herbst 2010 dem Kreis der EU-Staatschefs zugänglich. Faymann und Co wollen um jeden Preis in das militärische Kerneuropa. Die dafür notwendige Steigerung von Truppen für Auslandseinsätze, vor allem aber die Teilnahme an allen (!) EU-Militäreinsätzen, also auch solchen, wo Soldaten bisweilen in Blechkisten zurückzukehren pflegen, sieht man in der SP-Führung offensichtlich nur durch Profis gewährleistet. Deshalb wohl der energische Schwenk Richtung Profitruppen. Das von Darabos favorisiert Modell sieht konsequenterweise die Verdreifachung der Zeitsoldaten vor, also jener Berufssoldaten, die am leichtesten für Auslandseinsätze verpflichtet werden können. Als „Vorbild“ für Österreich hebt daher Androsch Umstellung auf Berufsarmeen in den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien hervor (4). Das sind die Armeen jener Staaten, die in den völkerrechtswidrigen Angriffskriegen des sog. „War on Terror“ seit 2001 eine grauenhafte Blutspur bezogen haben. Neuere Studien schätzen die Zahl der durch diese Kriege Getöteten auf bis zu 1,7 Millionen (Irak, Afghanistan, Pakistan). Rund 10.000 SoldatInnen sind von diesen Feldzügen in Zinksärgen nach Hause gebracht worden. Wie verheerend sich diese Kriegserfahrungen auch auf das Seelenleben der beteiligten SoldatInnen auswirken, erkennt man daran, dass im vergangenen Jahrzehnt mehr US-Soldaten durch Selbstmord ums Leben gekommen sind als beim Kampfeinsatz in Afghanistan. Im Durchschnitt stirbt pro Tag ein US-Soldat durch eigene Hand (Veteranen nicht mit einberechnet).(5)

„Viel mehr Geld“ fürs Militär

Bemerkenswert ist auch das Kriterium, mindestens 1,62% des BIPs für Militär ausgeben zu müssen. Österreich gibt derzeit knapp unter 1 % des BIP dafür aus; das Eintrittsbillet für das militärische Kerneuropa hieße also eine satte Steigerung des Militäretats um rund 80%. Auch wenn Darabos das derzeit noch bestreitet, dass ein Berufsheer deutlich teurer kommt, natürlich weiß er, dass das so ist - und er will es auch; denn schließlich ist die EU seit dem Lissabon-Vertrag als Union konzipiert, wo Mitsprache vom Umfang der Tötungskapazitäten abhängt, die man einbringen kann. Auch in dieser Hinsicht wird der Minister von Androsch als Lügner überführt. Der Berufsheer-Proponent hält eine Erhöhung der Militärausgaben „um viel mehr“(1) als bisher in jedem Fall für unausweichlich. Die Teilnahme an Rohstoff- und Handelskriegen hat halt ihren Preis. Dass Androsch im selben Atemzug die Kosten des „riesigen Sozialbereichs“ in Österreich beanstandet (4), zeigt, dass die Berufsheer-Lobby in jeder Hinsicht verstanden hat, wie die Uhren in der EU ticken.

Unterschriften Aktion hier unterstützen: Neutralität statt Berufsheer und EU-Kampftruppen


Quellen zum Artikel:

(1) Österreich, 7.9.2012
(2) Tiroler Tageszeitung, 3.7.2010
(3) Biscop, Sven/Coelmont, Jo: Permanent Structured Cooperation. In Defence of the Obvious, Egmont Security Brief Nr. 11, Juni 2010.
(4) Kronenzeitung, 8.9.2012
(5) Spiegel, 8.6.2012