Im Windschatten der USA nutzten die EU-Eliten den Afghanistan-Krieg, um die EU-Militarisierung voranzutreiben. Ca. ein Viertel der westlichen Truppenkontingente im Krieg am Hindukusch kamen aus EU-Staaten. Auch Österreich war auf vielerlei Weise darin verstrickt. Dabei hätte Österreich, basierend auf seiner Neutralität aus diesen Großmachtrivalitäten ausscheren können, um sich gemeinsam mit anderen Neutralen und Blockfreien für Abrüstung, zivile Konfliktregelungen, internationale Kooperation und faire Handelsbeziehungen auf Augenhöhe einzusetzen.

Die EU hat den US-Krieg in Afghanistan von Anfang an politisch und militärisch unterstützt. Bis zu einem Viertel der westlichen Truppenkontigente am Hindukusch kamen aus EU-Staaten. Die EU-Eliten nutzten den Afghanistan-Krieg, um im Windschatten der USA schrittweise die eigenständige Militarisierung der Europäischen Union voranzutreiben. Die 20 Jahre des Krieges sind zugleich 20 Jahre des Aus- und Aufbaus einer EU-Militärmacht: EU-Battlegroups, EU-Rüstungsamt, Aufrüstungsverpflichtung und militärische Beistandspflicht im EU-Primärrecht, Europäischer Auswärtiger Dienst, Gründung der Strukturierten Zusammenarbeit (EU-SSZ/Pesco) usw.

Eingebunden in diese EU-Militarisierung war Österreich auf vielerlei Weise in den Krieg am Hindukusch verstrickt: durch die Entsendung von Truppen (teilweise bis zu 100 Mann/Frau, zumeist unter dem Kommando der deutschen Bundeswehr), durch Überflugsgenehmigungen für NATO-Waffentransporte, durch Zurverfügungstellen von Truppenübungsplätzen in den Alpen für Nationen, die dort für den Afghanistankrieg trainierten, durch Weitergabe von Daten der Abhörstation Königswarte an US-Geheimdienste, die daraus Zieldaten für das Drohnenmordprogramm erstellten. Alle Parlamentsparteien und alle Regierungen haben in den letzten beiden Jahrzehnten das befürwortet. Sie haben damit Beihilfe zu unermesslichem Kriegs- und Flüchtlingsleid geleistet und die Neutralität mit Füßen getreten. Dass österreichische Soldaten nach dem Rückzug aus Afghanistan nun postwendend zu einem „Anti-Terror-Einsatz“ in den Irak verlegt werden sollen, zeigt Null Bereitschaft, aus dem Debakel am Hindukusch Lehren zu ziehen.

Sofortiger Ausstieg aus der Unterordnung unter die EU-Militarisierung!

Der Afghanistankrieg ist ohne Berücksichtigung der geopolitischen und geoökonomischen Rivalitäten der Großmächte nicht begreifbar. Die 40 Kriegsjahre haben gezeigt: Ein Österreich, das – im Rahmen der EU – bei diesen Großmachtrivalitäten mitmacht, ist Teil des Problems. Ein Österreich, das basierend auf seiner Neutralität aus diesen Großmachtrivalitäten ausschert, um sich gemeinsam mit anderen Neutralen und Blockfreien für Abrüstung, zivile Konfliktregelungen, internationale Kooperation und faire Handelsbeziehungen auf Augenhöhe einsetzt, kann hingegen für die Entfaltung von Frieden und Humanität einen wichtigen Beitrag leisten. Auch in Zentralasien. Nicht die Neutralität ist sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei, sondern das Mitmarschieren bei Großmächten. Ausscheren aus Großmachtsrivalitäten heißt für Österreich konkret:

Sofortiger Ausstieg aus der Unterordnung unter die EU-Militarisierung! Dafür werden wir auch heuer wieder am österreichischen National- und Neutralitätsfeiertag am 26. Oktober auf die Straße gehen. Denn: Militärblöcke spalten – Neutralität verbindet! (Treffpunkt 13 Uhr, Wien, Nähe Maria Theresia-Denkmal).

In diesem Sinne fordern wir:

  • die Einrichtung einer Botschaft in Kabul. Bis zur Etablierung einer funktionsfähigen Regierung in Kabul muss eine provisorische Lösung gefunden werden. Es ist absurd über direkte Fluchtwege aus Afghanistan zu debattieren, wenn Österreich in Afghanistan keinerlei Präsenz aufweist. Der humanitäre Appell an die Großmächte derartige Fluchtwege mit militärischer Gewalt aufrechtzuerhalten ist lächerlich und offenbart die gesamte Verlogenheit des grünen Bauchwehbombertums.
  • Verhandlungen mit den neuen Machthabern in Kabul. Freilich nicht über Rückführungsabkommen, sondern über humanitäre Hilfsmaßnahmen und die Wahrung der Menschenrechte
  • Keine Isolierung Afghanistans, keine Sanktionen
  • Keinerlei Unterstützung für einen neuerlichen Bürgerkrieg in Afghanistan
  • Verteidigung der Genfer Flüchtlingskonvention. Bedingungsloser Schutz für Menschen in Not
  • Beendigung des antiislamischen Rassismus. Er verhindert ein umfassendes Verständnis der Entwicklung in Ländern wie Afghanistan.
  • Setzen von internationalen Initiativen in Richtung der Wiederherstellung der afghanischen Souveränität, des Schutzes von Menschenrechten und friedlicher Beziehungen in der Region. Sinnvoll könnte etwa eine Sicherheitskonferenz zum Mittleren Osten nach dem Modell der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) sein, verbunden mit einem regionalen Nichtangriffspakt sowie vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen.

Vorstand der Solidarwerkstatt-Österreich
(August 2021)


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