Vor 30 Jahren begann die offene Zerschlagung Jugoslawiens, die in Südosteuropa dem alten neuen Kolonialismus wieder die Türen öffnete. David Stockinger beleuchtet historische Hintergründe dieser Tragödie, die verhindert werden hätte können.

Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende zu. Die letzten 2 Jahre standen in Europa, besonders in Deutschland, und darüber hinaus im Zeichen des Gedenkens. Im Zeichen eines Gedenkens, das die seit 30 Jahren herrschende Erzählung des „Endes der Geschichte“ (F. Fukuyama) und der Alternativlosigkeit des kapitalistischen Systems nach dem Ende des Realsozialismus und dessen Staatssysteme verfestigen soll. So gedachte man in der BRD dem Ende der „deutschen Teilung“ 1989/90, d.h. dem Anschluss der DDR an das Rechts- und Wirtschaftssystem der BRD und in den ehemaligen realsozialistischen Ländern Osteuropas eben der sogenannten „demokratischen Wende“ 1989/90. Unter anderem diese Ereignisse waren ausschlaggebend für die verheerende Entwicklung, die ab 1990/91 in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) einsetzte. Man muss es auch als die „jugoslawische Tragödie“ bezeichnen. Wenn der Leser diesen Artikel im Dezember 2021 liest, muss ihm bewusst sein, dass ein Land im Herzen Europas, das seit 1945 eine einzigartige Entwicklung durchmachte, vor 30 Jahren bereits seit 6 Monaten in Flammen stand. Der sogenannte „Bruderkrieg“, wie er auch von vielen amerikanischen und westeuropäischen Analysten und Kommentatoren von Beginn an bezeichnet wurde, war seit dem 27. Juni 1991 in vollem Gange.

Doch wie kam es dazu, was hat die Erwähnung der „deutschen Wiedervereinigung“ eingangs mit dem Ende des zweiten südslawischen Staates am Balkan zu tun und war das fürchterliche Völkerschlachten wirklich nur ein „Bruderkrieg“?

Vermeintlich westliche Superiorität

Die Darstellung des Medien- und Historiker-Mainstreams hierzulande und im „kollektiven Westen“ beschränkt sich meist auf folgende Aussagen: „Der Balkan war immer schon das Pulverfass Europas“, „Die Völker des Balkans können einfach nicht zusammenleben“, „Die Serben wollten ein Großserbien errichten und zerstörten deshalb Jugoslawien“, „Die da unten wollen einfach keinen Frieden“ oder „Die Serben führten immer schon Krieg“. Die westlichen Geschichte-Erzähler machen es sich damit sehr einfach. Man kreierte damit ein Narrativ, ein sehr festgefahrenes Narrativ, das de facto eine nüchterne und objektive Aufarbeitung der „jugoslawischen Tragödie“ verunmöglichen soll. Fasst man diese Aussagen zusammen, dann würde man auf folgende Schlussfolgerung kommen: Die Balkanvölker sind Wilde, die seit jeher nicht zivilisiert miteinander leben können/wollen und die Serben sind sowieso per se Kriegstreiber.

Diese Darstellung kommt nicht von ungefähr, geht es den Geschichte-Erzählern natürlich darum, die üble Rolle der westlichen Großmächte, ihrer Politiker und Medien zu beschönigen, zu verdecken, auszublenden bzw. sie von Schuld freizusprechen und ihre Politik in der Region bis heute zu legitimieren. Das Feindbild des „wilden Serben“ kann man so in einer Kontinuität seit 1914 bedienen und man kann die eigene „westliche Fortschrittlichkeit“ sowie „europäische Superiorität“ gegenüber „den Wilden“ im balkanischen Hinterhof so richtig zur Geltung bringen. Eine Gegend, die übrigens eine der ältesten Kulturräume Europas darstellt.   

Südslawische Einigung gegen Großmachtinteressen

Die Balkanregion als geografische, ökonomische und politische Schnittstelle zwischen West und Ost, zwischen Orient und Okzident, war in der jüngeren Geschichte für die Großmächte immer schon interessant. Die jahrhundertelange Teilung der Region zwischen Österreich-Habsburg und der Hohen Pforte und deren Fremdherrschaft trug sicher wesentlich zur Bewusstseinsbildung der südslawischen Völker bei. Gerade bei den Serben, die sich ab 1804 im Zuge der Karadjordj’schen „Serbischen Revolution“, die sowohl nationalen wie auch sozialen Charakter hatte, gegen die Osmanen Schritt für Schritt einen eigenen (und ersten südslawischen) Nationalstaat und eine der modernsten Verfassungen Europas erkämpften, aber nicht nur bei ihnen. Diese Erfahrungen von jahrhundelanger Okkupation und Fremdherrschaft kumulierten schlussendlich in der Idee einer südslawischen Bewegung und Einigung, die erstmals mit dem Sieg Serbiens und der Niederlage des Habsburgerreichs im Ersten Weltkrieg in der Gründung des ersten Jugoslawien (bis 1929 „SHS-Staat der Serben, Kroaten und Slowenen“) 1918 ihren Ausdruck fand. Trotz aller Unzulänglichkeiten (Monarchie/Königsdiktatur) und Rückständigkeit (schwache Industrialisierung, agrarisch geprägt) wurde hier erstmals die Erkenntnis manifest, dass man nur durch Einigung von Großmächten einigermaßen unabhängig sein kann.

Faschistische Aufteilung

Das Erste Jugoslawien wurde, nachdem es sich weigerte an der Seite des faschistischen Hitler-Deutschlands die anderen Völker Europas zu unterjochen, Ziel des deutschen Imperialismus, der dieses Staatsgebilde beinhart zerschlug. So wurde den Kroaten der faschistische NDH-Staat von Hitlers Gnaden zugestanden, Teile wurden von Italien und dem verbündeten Bulgarien sowie Ungarn besetzt. Serbien unterstand direkt der Verwaltung durch die deutsche Besatzung inklusive einer eingesetzten „serbischen“ Marionettenregierung in Belgrad.  Der serbische Kosovo wurde Albanien angeschlossen.

Der NDH-Staat (Nezavisna Država Hrvatska-Unabhängiger Staat Kroatien) bestand 1941-45 als deutscher Quisling-Staat. Die großdeutschen und italienischen Imperialisten machten sich sehr geschickt die Bruchlinien unter den südslawischen Völkern zunutze um das „erste“ Jugoslawien zu okkupieren und aufzuteilen. So bekam Kroatien eine „Quasi-Eigenständigkeit“ mit seinem Poglavnik (Führer) Ante Pavelic. Die faschistische Ustascha-Bewegung übernahm die Macht. Gleich danach begann die Politik der „Kroatisierung“ und „Katholisierung“. Serben wurden gezwungen von der Orthodoxie zum Katholizismus zu konvertieren, jene die das nicht taten, wurden verfolgt, enteignet und/oder ermordet. Besonders der Kardinal und Erzbischof von Zagreb Alojzije Stepinac spielte eine führende Rolle bei der Zwangskatholisierung. Wenngleich er auch manchmal die konkreten Methoden der Ustaschen kritisierte, so stand er konsequent hinter den Zielen ihrer Politik. Die Ustascha-Regierung errichtete das Konzentrations- und Vernichtungslager Jasenovac, wo bis zu 100.000 Serben, Juden, Zigeuner und Aktivisten der Arbeiterbewegung bzw. Partisanen ermordet worden. Diesem waren auch viele Außenlager in den jugoslawischen Gebieten, die dem NDH zugeschlagen wurden, angeschlossen.

Die Ustascha-Verbände wurden von ihren deutschen Herren auch massiv in der Partisanen-Bekämpfung eingesetzt. Hierbei verübten sie derartige Gräuel, dass selbst Wehrmachtsoffiziere darüber nach Berlin berichteten. Daneben kämpfte die „Kroatische Legion“ unter dem Kommando deutscher Offiziere an der Ostfront gegen die Rote Armee.

Politisch-ideologisch sah sich der Ustascha-Faschismus als Teil der großdeutschen Europa-Idee. Im Rahmen dieser sollte der NDH-Staat erhaben gegenüber den anderen südslawischen Völkern, besonders den „renitenten“ Serben und der Orthodoxie sein. Hier kommt eine gewisse Denke der kroatischen Eliten zum Vorschein, wie es bereits in der K.u.K-Monarchie der Fall war: Man unterwirft sich im Rahmen eines herrschaftlichen Großraumkonzeptes den imperialen Machthabern und dient diesen in reaktionärer Weise wie auch einst schon Ban Josip Jelacic, der 1848 gemeinsam mit Fürst Windischgrätz den bürgerlich-demokratischen Wiener Oktoberaufstand und die Erhebung in Ungarn zusammenschießen ließ.

Die schrecklichen Erfahrungen der Serben mit dem NDH-Staat sind ganz wesentlich für die Haltung der Serben bzw. der SR Serbien Anfang der 1990er Jahre.

Antifaschistische Selbstbefreiung und eigener Weg…

Der Spuk des NDH-Staates und der faschistischen Okkupation wurde schlussendlich durch den heroischen Selbstbefreiungskampf der jugoslawischen Völker unter der Führung der kommunistischen Partisanenbewegung beendet und Jugoslawien ab 1943 bis Anfang 1945 Schritt für Schritt befreit. Jugoslawien war neben der Sowjetunion das einzige Land, das sich selbst befreite. 

Bereits am 29. November 1943 wurden mit den AVNOJ-Beschlüssen die Grundsteine für das „zweite Jugoslawien“ gelegt, das ab 1945 nun als föderative Volksrepublik aufgebaut wurde und in dem die multiethnische Zusammensetzung auch im politischen System wiedergespiegelt werden sollte.

Ein wesentlicher Moment in der weiteren Entwicklung der FVR Jugoslawiens (ab 1963 „Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien“ SFRJ) war sicher der Bruch Titos mit Stalin 1948 und dem Ausschluss des Landes aus der Kominform. Ab diesem Zeitpunkt ging das Land seinen „eigenen Weg zum Sozialismus“ und betrieb auch international eine sehr eigenständige Politik zwischen Ost (Warschauer Vertrag) und West (NATO) als Gründer der „Bewegung der Blockfreien“. Die eigenständige Entwicklung Jugoslawiens beschränkte sich jedoch nicht nur auf die weltpolitische Orientierung, sondern auch die ökonomischen und sozialen Beziehungen im Inneren wurden durch die Etablierung der sogenannten Arbeiterselbstverwaltung in den Betrieben auf neue Beine gestellt.

…zum Sozialismus

Wie auch immer man die Politik der folgenden Jahrzehnte aus kritisch-solidarischer Perspektive nun bewerten mag, etliche Parameter sind nicht wegzudiskutieren: Jugoslawien machte eine noch nie dagewesene Industrialisierung durch, das Lebensniveau der einfachen und arbeitenden Menschen wurde spürbar angehoben, das Bildungssystem wurde auch in den entlegensten und unterentwickeltsten Gebieten, wie z.B. der serbischen Provinz Kosovo aufgebaut, die Gleichstellung der Frau wurde vorbildlich realisiert, die Wirtschaft wies stetig Wachstumsraten auf und die breite Masse der Bevölkerung war erstmals „Herr im eigenen Haus“ (Spruch: „Kad je radnik bio gospodin“). Die Jugoslawische Volksarmee (JNA), die ausschließlich defensiven Charakter besaß, wurde zu einer der stärksten Armeen Europas inklusive eigener Militärindustrie. Der jugoslawische Pass wurde in Ost und West anerkannt und so gab es für die jugoslawischen Bürger auch in alle Richtungen Reisefreiheit. Der Tourismus an der Adriaküste wurde seit Beginn der 60er Jahre planmäßig entwickelt und erfreute sich bald vieler Gäste aus dem In- und Ausland. Aus dem Inland vor allem wegen des dichten Netzes gewerkschaftseigener Urlaubs- und Erholungseinrichtungen.

Nach dem Tod Stalins entspannte sich auch das Verhältnis zur Sowjetunion und den anderen Ländern des Warschauer Vertrages wieder erheblich und die Beziehungen wurden zu allseitigem Vorteil ausgebaut.

Trotz dieser großartigen Errungenschaften und der Losung „Brüderlichkeit und Einheit“ gärte es unter der Oberfläche. Die Diskussionen im Bund der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ) waren zunehmend von zwei Linien geprägt: Den „Zentralisten“, stark repräsentiert durch die serbische Sektion der Partei und den „Föderalisten“, die stark in der slowenischen und kroatischen Sektion verankert waren.

Separatistische Tendenzen

Alte nationale Befindlichkeiten traten u.a. Ende der 60er Jahre im Rahmen des „kroatischen Frühlings“ zutage. Im Kern ging es den Wortführern, die Großteils aus dem intellektuellen Milieu stammten, darum, dass die SR Kroatien nicht mehr so viel in den Bundeshaushalt einzahlen solle. Während die Protagonisten dieser sezessionistischen Bewegung zu Beginn noch die Transferzahlungen in unterentwickelte Gebiete Jugoslawiens wie z.B. den Kosovo, Mazedonien oder Montenegro kritisierten, forderte man zum Schluss schon offen die staatliche Unabhängigkeit.

Tito reagierte 1971 mit harter Hand und setzte u.a. die kroatische Parteiführung ab. Ein mittelfristiges Resultat war jedoch die Verabschiedungen der neuen Verfassung von 1974, die den Republiken mehr Autonomie gab und das gesamte Staatsgefüge noch mehr föderalisierte. Zudem wurden die serbischen Provinzen Kosovo und Vojvodina de facto auf Bundesebene den Republiken gleichgestellt, was wiederrum eine Schwächung Serbiens- dem Nucleus Jugoslawiens- innerhalb der Bundesgremien zum Ergebnis hatte.

Bereits kurz nach dem Tod Titos traten die ersten separatistischen Tendenzen im Kosovo zutage, wo albanische Studenten bei einer Kundgebung in Pristina „Kosova Republika“ skandierten. Gerade der Kosovo profitierte massiv von der jugoslawischen Politik, es wurden moderne Bildungseinrichtungen und Infrastruktur errichtet und die Trepca-Mine in Mitrovica wurde zu einem der größten Unternehmen Jugoslawiens entwickelt.

Ökonomische Krise und neuer Imperialismus

Es waren aber nicht diese nationalen Bruchlinien die Hauptursache für die Desintegration Jugoslawiens. Diese lagen in der zunehmend divergierenden Ökonomie der einzelnen Teilrepubliken, die auf Grundlage der 1974er Verfassung auch in diesem Bereich mehr Autonomie bekamen. Z.B führte die SR Slowenien bereits Ende der 1980er Einfuhrbeschränkungen für serbische Waren ein. Es wurden auch westliche Kredite fällig. Im Zuge der Wirtschaftskrise ab Ende der 1980er verschärften sich die Spannungen zwischen den Republiken, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der Auflösung des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens durch den Auszug der slowenischen und kroatischen Delegierten vom 14. Parteitag im Jänner 1990 zeigten. Um die Krise und die Inflation einzudämmen , trat 1989 der IWF auf den Plan und paktierte mit dem Bundespremier Ante Markovic einen „Restrukturierungsplan“, der an spätere neoliberale Austeritäts- und Privatisierungsprogramme von IWF und EU erinnert. Die Führung der Republik Serbien weigerte sich, diesen Plan zu exekutieren, weil man eine Deindustrialisierung, Verlust von Arbeitsplätzen und einen Aufkauf durch ausländisches Kapital befürchtete. Mit dieser Entscheidung fiel die serbische politische Elite erstmals bei den mächtigen politischen und Finanzkreisen des Westens in Misskredit.

Die politische Großwetterlage hatte sich inzwischen verändert und die „Berliner Mauer“ war gefallen. Mit dem Anschluss der DDR an die BRD wurde nicht nur der erste und einzige antifaschistische sowie antiimperialistische deutsche Staat entsorgt, Deutschland sah sich das erste Mal nach 1945 auch wieder als politische (Neu-)Ordnungsmacht in Europa. Die Sowjetunion befand sich bereits in Auflösung und da war klar, dass ein mittelgroßer unabhängiger Staat am Balkan mit einem eigenen Markt, sozialisierten Betrieben, durchaus konkurrenzfähigen Produkten, einem vorbildlichen Sozialsystem und einer eigenen Außenpolitik, wie Jugoslawien es trotz aller internen Probleme hatte, auch nicht weiterexistieren durfte. Imperialistische Interessen traten nach Jahrzehnten des Friedens und der Stabilität in Europa wieder offen hervor.

Dementsprechend unterstützte der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher von Beginn der jugoslawischen Krise an die Unabhängigkeitsbestrebungen der neuen nicht-kommunistischen Republiksführungen in Slowenien und Kroatien. Tatkräftig dabei unterstützt wurde er durch den österreichischen Außenminister Alois Mock, der auch kein Hehl daraus machte, eine etwaige Unabhängigkeitserklärung dieser Republiken sofort anzuerkennen. Er bestärkte sie noch darin. Eine einseitige Sezession aus der SFRJ sah die Verfassung nicht vor.

Die serbische Frage

Dann ging es Schlag auf Schlag. Slowenien und Kroatien führten Referenden durch, die für die Unabhängigkeit ausgingen. Beim Referendum in Kroatien beteiligte sich die große serbische Minderheit nicht. Sie lehnte jegliche Unabhängigkeit Kroatiens kategorisch ab, die Erinnerungen an die schrecklichen Erfahrungen im letzten „Unabhängigen Staat Kroatien“ waren noch sehr wach. Die Serben waren das einzige Volk in Jugoslawien, das verteilt auf 3 Republiken lebten: Serbien, Kroatien und Bosnien&Herzegowina. Für sie war klar, dass sie- nach all den Erfahrungen in der Geschichte- als Serben nur in einem gemeinsamen Staat leben konnten und wollten und das war für sie eben Jugoslawien.

Die Führung in Belgrad versuchte bis zum Schluss einen gemeinsamen Staat zu erhalten. Belgrad wurde von den Vertretern der BRD, Österreichs und etwas später der EG vorgeworfen, mit seinem „Zentralismus“ Schuld an der Krise zu sein. Mehr noch, man kreierte hier erstmals das Märchen bzw. das Narrativ eines „Großserbiens“. Es ging den wesentlichen politischen Protagonisten Serbiens aber nie um einen ethnisch-definierten Staat, sondern um die Erhaltung eines gemeinsamen jugoslawischen Staates. Das ist evident und kann in allen zeitgenössischen Unterlagen und Dokumenten nachgelesen werden.

Die USA hielten sich zu Beginn noch zurück, betrachteten die Frage als „europäisches Problem“ und sprachen sich zu Beginn sogar noch für einen Erhalt Jugoslawiens aus. Erst später, als der Konflikt in Kroatien 1991 und Bosnien 1992 eskalierte, traten die USA parteiisch auf bosnisch-muslimischer und kroatischer Seite auf den Plan.

Krieg und Aufteilung

Als Slowenien am 25. Juni 1991 einseitig die Unabhängigkeit verkündete und die Grenzposten besetzte, rückte die JNA verfassungskonform aus, um die Souveränität und territoriale Integrität des Staates zu gewährleisten. Im 10-Tage-Krieg der slowenischen Territorialverteidigung gegen die JNA und später im Kroatien-, Bosnien- und Kosovokrieg wurden die sezessionistischen bzw. nicht-serbischen Kräfte von Beginn an mit Waffen aus westlicher Produktion beliefert. Die Transfers für viele Waffenkäufe wurden u.a. über die österreichische Hypo-Alpe-Adria-Bank abgewickelt.

Es muss den westlichen „Playern“ klar gewesen sein, dass die Serben in Kroatien und in Bosnien&Herzegowina nie eine einseitige Unabhängigkeit dieser Länder akzeptieren würden. Es war klar, dass diese politisch vorangetriebene und von außen unterstützte Sezession geradewegs schlimmsten Bürgerkrieg bedeuten würde.

Was mit dem kurzen Krieg in Slowenien begann, fand seine Fortsetzung in den langen und blutigen Kriegen in Kroatien und in Bosnien&Herzegowina, sowie später dem Kosovo-Krieg inklusive insgesamt über 100.000 Toten, Massakern und Kriegsverbrechen auf ALLEN Seiten, Sanktionen, völkerrechtswidriger NATO-Aggression gegen díe kleine Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien&Montenegro), zerstörter Wirtschaft und Infrastruktur. Auf die genauen Entwicklungen, Vorgänge sowie internen und externen Akteure in diesen Kriegsphasen einzugehen, hieße einen eigenen Artikel darüber zu schrieben.

Mein Fazit: Ohne die imperialistische Einmischung hätte der Krieg verhindert und auch ein reformierter gemeinsamer Staat erhalten werden können.

Das Resultat der Zerschlagung Jugoslawiens liegt auf der Hand. Profitiert haben in erster Linie westliche Unternehmen, die bei der Privatisierung und beim Wiederaufbau gut verdienen konnten. Sämtliche „EU-Stabilitätspakte“ und „Annäherungsprozesse“ für diese Region neoliberalisierten radikal die Ökonomien und Gesellschaften dieser Länder. Die Schlüsselbereiche der Wirtschaft, vor allem der Finanzsektor, sind fest in ausländischer Hand. Arbeiterrechte wurden zugunsten der „Investorenfreiheit“ abgeschafft. Die Arbeits- und Perspektivenlosigkeit ist evident. Die Jugend verlässt diese Länder, ganze Landstriche veröden. Und mit dem sozialen Elend bleiben natürlich auch die nationalen Spannungen bestehen. Im Kosovo und in Bosnien&Herzegowina bestehen direkte ausländische Herrschaftsmechanismen, u.a. auch in Form militärischer Präsenz und in allen anderen Staaten bestehen indirekte, vor allem ökonomische ausländische Herrschaftsmechanismen.

Diese Region ist einmal mehr in ihrer Geschichte von imperialistischen Großmächten okkupiert. Dabei variiert der Grad und die Intensität der neokolonialen Abhängigkeit von Staat zu Staat.  

Eine Zukunftsprognose für die Region lässt sich nur schwer erstellen. Nur so viel: Erst wenn die Völker des ehemaligen jugoslawischen Raumes erkennen, dass sie vom westEUropäischen Zentrum und den USA als Schachfiguren benutzt wurden, seit vielen Jahren nach Strich und Faden an der Nase herumgeführt werden und die Zukunft nur in einer verstärkten regionalen Kooperation und Entwicklung der eigenen Stärken- auch gegen die Interessen des EU-Zentrums-, sowie in einer multivektoralen Außenpolitik liegen kann, erst dann gibt es auch wieder eine vernünftige Perspektive in und für diese Region. Bis dahin bleiben sie jene Schachfiguren, die sie seit den 1990ern bis heute sind.