Seit dem EU-Beitritt findet eine schleichende Demontage der österreichischen Neutralität statt. Der eh. Verteidigungsminister Günther Platter hat diese Politik zynisch folgendermaßen erläutert: „Die Neutralität ist tief im Herzen der Österreicher. Man muss behutsam sein und darf das nicht herausreißen. Es ist besser, eine Operation vorzubereiten, um das vorsichtig herauszuoperieren“ (Günther Platter, als damaliger Verteidigungsminister, in: Die Presse, 5.12.2003)
Mai 1987:
Industriellenvereinigung und FPÖ sind die ersten, die offensiv einen EG-Beitritt Österreichs fordern.
Juni 1989:
Der Nationalrat fordert mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ die Bundesregierung in einem Entschließungsantrag auf, Beitrittsanträge an die EWG, die EGKS und zur EURATOM zu stellen.
November 1990:
Die Bundesregierung erklärt einseitig die Artikel 12-16 sowie 22 Abs. 13 des Staatsvertrages für „obsolet“. Diese Artikel verbieten u. a. den Besitz und die Herstellung von Spezialwaffen (z. B. atomare, biologische, chemische Waffen, generell Massenvernichtungswaffen, Raketen etc.) und die militärische Kooperation mit Deutschland und den Ausverkauf der Verstaatlichten an ausländisches Kapital.
Jänner 1991:
Anlässlich des Golfkriegs novelliert der Nationalrat das Kriegsmaterialgesetz, um den Transport von Kriegsgerät der Alliierten im Krieg gegen den Irak zu ermöglichen. Der lakonische Kommentar des damaligen Staatssekretärs im Außenministerium: „Wir müssen uns auf die Pflichten eines EG-Mitglieds vorbereiten.“ Unter anderem werden sog. „humanitäre“ Bergepanzer durch Österreich transportiert, mit denen tausende irakische Soldaten bei lebendigem Leib im Wüstensand begraben werden.
Juli 1991:
In einem Avis empfiehlt die EG-Kommission die EG-Mitgliedschaft Österreichs, bezeichnet aber die Neutralität als schwieriges, wenn auch lösbares Problem. Diese „Lösungsversuche“ markieren in der Folge die schrittweise Demontage der Neutralität.
Jänner 1995:
Österreich tritt der EU bei und erhält einen Beobachterstatus bei der Westeuropäischen Union (WEU), die sich an der sog. Petersberg-Erklärung vom Juni 1992 orientiert, durch die „Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung“ (Petersberg Aufgaben) möglich werden, also ein Freibrief für globale Militäreinsätze.
Dezember 1995:
Die österreichische Regierung beschließt, sich am IFOR-Einsatz in Bosnien-Herzegowina unter NATO-Kommando zu beteiligen.
April 1997:
Beschluss des Entsendegesetzes. Damit können österreichische Truppen im Rahmen jeder internationaler Organisation, d.h. nicht nur UNO oder OSZE, sondern auch NATO oder EU, zum Einsatz gebracht werden.
Juni 1997:
Reform des Maastricht-Vertrages durch den EU-Vertrag von Amsterdam. Die Petersberg-Missionen, also globale EU-Militärinterventionen, werden Bestandteil des EU-Vertrages.
Juni 1998:
Der Nationalrat ratifiziert den EU-Vertrag von Amsterdam. Gleichzeitig wird der „Kriegsermächtigungsartikel“ 23f (heute 23j) der Verfassung beschlossen. Dieser sieht vor, dass sich Österreichs an weltweiten EU-Kriegen beteiligen kann. VP-Klubobmann Andreas Khol jubelt: „Damit wird die Neutralität für den Bereich der EU außer Kraft gesetzt“.
März 1999:
Bundeskanzler Klima stimmt im EU-Rat für die Unterstützung des NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien.
Juni 1999:
Einsatz österreichischer SoldatInnen im Kosovo unter (deutschem) NATO-Kommando
Dezember 1999:
Der EU-Gipfel in Helsinki beschließt die Aufstellung einer EU-Interventionsstreitmacht bis 2003 („Headline-goal 2003“). Stärke: 60.000 Mann, Aktionsradius: 4.000 Kilometer um die EU, Einsatzdauer bis zu einem Jahr. Verteidigungsminister Fasslabend erklärt, dass sich Österreich mit 2.500 Mann beteiligen wird.
Mai 2001:
Weitere Novelle des Kriegsmaterialgesetzes: Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial ist jetzt auch unabhängig von einem UNO-Sicherheitsratsmandat möglich. Gleichzeitig beschließt der Nationalrat ein Truppenaufenthaltsgesetz, um den „Aufenthalt ausländischer Truppen auf österreichischem Hoheitsgebiet“ – auch unabhängig von einem UNO-Sicherheitsratsmandat und ohne zeitliche Beschränkung – zu ermöglichen.
November 2001:
Der Nationalrat beschließt mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Grünen die Ratifizierung des EU-Vertrages von Nizza. Dieser übernimmt wesentliche Inhalte des Militärpaktes „Westeuropäische Union“ (WEU) in das Grundlagenrecht der EU, die damit selbst zu einem Militärpakt wird.
Jänner 2002:
Nachdem beim EU-Gipfel in Laeken Ende 2001 der Startschuss für das EU-Teilnahme am Afghanistankrieg gegeben wurde, beschließt der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, ÖVP und Grünen die Entsendung österreichischer SoldatInnen unter deutschem Kommando in den Afghanistankrieg.
Dezember 2003
Der Europäische Rat beschließt die „Europäische Sicherheitsstrategie“ (ESS), die betont, dass bei zukünftigen EU-Kriegen „die Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen wird“. Ziel der EU müsse es sein, in den Staaten rund um die EU für „verantwortungsvolles Regieren“ zu sorgen. Als Vorbild, wie „verantwortungsvolles Regieren“ durchgesetzt werden soll, hebt die ESS die Interventionen in Jugoslawien und Afghanistan hervor.
Juni 2004
Der Europäische Rat beschließt das „Headline Goal 2010“. Dessen Ziel: Gründung einer EU-Rüstungsagentur, der EU-Battlegroups, neue Transportfähigkeiten, Integration der Boden-, Luft- und Seestreitkräfte durch die Militarisierung des Weltraums. Noch im selben Jahr wird die EU-Rüstungsagentur gegründet, an der sich auch Österreich beteiligt.
Dezember 2004
Im nationalen Sicherheitsrat beschließen SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grünen eine gemeinsame Empfehlung, sich an den EU-Battlegroups zu beteiligen.
Mai 2006
Österreichische SoldatInnen beteiligen sich an der EUFOR RD Congo. Die EU-Truppe sichert die Wahl Joseph Kabilas zum Präsidenten der DR Kongo ab, der sich ausländischen Konzerninteressen gegenüber besonders aufgeschlossen zeigt.
Mai 2007
Ankauf von 15 Eurofightern. Hintergrund für das teuerste Rüstungsgeschäft der 2. Republik: Im bereits vorliegenden Entwurf für einen neuen EU-Grundlagenvertrag können nur jene EU-Staaten in einem militärischen Kerneuropa Einlass finden, die sich an allen großen EU-Rüstungsprogrammen beteiligen. Und der Eurofighter ist das bislang größte EU-Rüstungsprojekt.
März 2008
Start der EU-Militärmission im Tschad unter französischer Führung und mit starker österreichischer Beteiligung. Die Mission sichert den Machterhalt des Autokraten Idriss Déby ab, der mit Frankreich eng verbündet ist. Österreichische Truppen sind an Gefechten aktiv beteiligt.
April 2008
Der österreichische Nationalrat segnet den EU-Lissabon-Vertrag ab. Dieser beinhaltet eine permanente Aufrüstungsverpflichtung für alle EU-Staaten, die Ermächtigung des EU-Rates für globale Kriegseinsätze (auch ohne UN-Mandat), weitreichende militärische Beistandsverpflichtungen sowie die Installierung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes, unter dessen Dach alle diplomatischen und militärischen Instrumente der EU-Außenpolitik zusammengeschnürt werden.
Dezember 2008
Der EU-Gipfel beschließt, Rüstungskapazitäten aufzubauen, mit denen es künftig möglich sein soll, bis zu 19 Einsätze im Rahmen der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ gleichzeitig (!) durchführen zu können – darunter „je zwei hochintensive Kampfoperationen“ und zwei „Stabilisierungsmissionen“ (d.h. Besatzungsmissionen wie in Afghanistan).
Mai 2009
Deutsche und österreichische Truppen trainieren im Rahmen des EU-Militärmanövers „European Endeavour“ den Einmarsch einer 40.000 Mann/Frau starken EU-Streitmacht in einem Land in 5.000 Kilometer Entfernung. Damit wird die volle Einsatzbereitschaft des in Ulm stationierten „Kommandos Operative Führung“ als von Deutschland für EU-Militäreinsätze bereitgestelltes Hauptquartier getestet. Österreichische SoldatInnen sind seither fix in die Kommandostruktur der deutschen Bundeswehr eingebunden.
Dezember 2009
Österreich übernimmt das Kommando von EUFOR Althea, der EU-Mission in Bosnien, die den Kolonialstatus des Landes unter einem von der EU bestellten „Hohen Repräsentanten“ militärisch absichert.
Jänner 2011
Ab 1.1.2011 stehen zum ersten Mal österreichische SoldatInnen im Rahmen der EU-Battlegroups ein halbes Jahr „Gewehr bei Fuß“ für EU-Militäreinsätze.
März 2011
Beginn des Kriegs gegen Libyen – forciert von Frankreich, Großbritannien und USA, unterstützt vom EU-Rat. Österreich unterstützt den Krieg unter anderem durch die Durchfuhrgenehmigung für NATO-Kriegsgerät. Der Ende Krieg führt schließlich zur völligen Zerrüttung des Landes und zum Ausbruch des Bürgerkriegs im westafrikanischen Mali.
April 2011
Der österreichische Nationalrat gibt grünes Licht für die Entsendung österreichischer SoldatInnen im Rahmen der EU-Battlegroups in den Libyen-Krieg. Nur der vehemente Widerstand der UNO verhindert diesen Kriegseinsatz.
Juli 2012
Im 2. Halbjahr 2012 sind österreichische Truppen zum zweiten Mal für Kriegseinsätze im Rahmen der EU-Battelgroups einsatzbereit.
März 2013
Österreich beteiligt sich an der EUTM, der EU-Mission in Mali zum Training des dortigen Militärs für den Bürgerkrieg. Hintergrund des EU-Interesses: Die großen Rohstoffreichtümer Malis bzw. die Uranabbaustätten im benachbarten Niger.
Juli 2013
Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ wird die neue „Österreichische Sicherheitsstrategie“ beschlossen, die die Teilnahme Österreichs an der EU-Sicherheits- und Militärpolitik „in allen ihren Dimensionen“ vorsieht.
Dezember 2013
Der „EU-Rüstungsgipfel“ beschließt eine Reihe neuer Rüstungsprogramme, insbesondere im Bereich Killerdrohnen, Luftbetankung und Cyberkommunikation. Die Forschungseinrichtungen der EU-Staaten sollen verstärkt in die Rüstungswirtschaft eingebunden werden. Auch österreichische Unis und Unternehmen sind immer stärker an EU-Rüstungs- und Überwachungsprojekten beteiligt.
Februar 2014
In der Ukraine wird mit Hilfe von rechtsextremen Milizen eine prowestliche Regierung an die Macht geputscht. Über den EU-Auswärtigen Dienst waren die Kontakte zu rechtsextremen Kräften bereits lange zuvor eingefädelt worden. Auch in Folge schwört der EU-Auswärtige Dienst alle EU-Staaten auf die Unterstützung des neuen Putschregimes in Kiew und die Konfrontation mit Russland ein. Die österreichische Regierung trägt diese mit der Neutralität völlig unvereinbare Politik in jeder Hinsicht mit.
Juni 2014
Der EU-Rat beschließt die Konkretisierung der bereits im EU-Lissabon-Vertrag verankerten „Solidaritätsklausel“. Damit wir die Tür für Interventionen von Polizei- und Militäreinheiten im Inneren der EU geöffnet. Auch soziale Proteste, durch die „schwerwiegende Auswirkungen auf Vermögenswerte drohen“, können eine militärische Beistandsverpflichtung auslösen.
Dezember 2014
Entsendung einer EU-Polizeimission in die Ukraine. Diese soll dort u.a. die Nationalgarde und Spezialbataillone ausbilden, die im Bürgerkrieg in der Ostukraine eingesetzt werden. Auch Österreich beteiligt sich an dieser Mission.
März 2015
Österreichische SoldatInnen werden im Rahmen einer EU-Militärmission in die Zentralafrikanische Republik entsandt.
Mai 2015
Der EU-Rat beschließt den Einsatz von Militär zur Bekämpfung von Schiffen, mit denen Flüchtlinge das Mittelmeer überqueren wollen. Vorgesehen ist auch der Einsatz in libyschen Hoheitsgewässern und auf libyschem Territorium. Außen- und Verteidigungsministerium erklären, dass sich auch österreichische Militärs daran beteiligen könnten.
12.10.2015
Setzen wir am 26. Oktober 2015 - dem 60. Jahrestag der Beschlussfassung der immerwährenden Neutralität - ein Zeichen gegen diese Demontage der Neutralität!
"FRIEDEN UND NEUTRALITÄT STATT EU-MILITARISIERUNG!"
Straßenaktion der "Plattform 60 Jahre Neutralität"
ab 14 Uhr
Ort: Burgtheater, Universitätsring/Josef Meinrad-Platz, Wien
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