ImageSchlussplädoyer Chris Moser, Viertangeklagter im sogenannten "Tierrechtsprozess".

Dieses Plädoyer wurde am 1. April um etwa 19.05. im Schwurgerichtssaal Wr. Neustadt vorgetragen, und endete mit Beifall des Publikums.

"heute ist der 1. april, fast 3 jahre sind seit meiner verhaftung, am 21. mai 2008 - dem tag , an welchem ich von bewaffneten polizisten meinen weinenden kindern und meiner völlig verzweifelten frau entrissen wurde, vergangen."

"meine familie blieb zurück in einem chaos aus zerstörter sicherheit, zerstörter privatsphäre und zerstörtem kinderspielzeug.

keineR der verantwortlichen hat sich dazu geäußert!

stattdessen wurde ich eingesperrt!

ich konnte während meiner knapp 3-monatigen gefangenschaft meine frau und meine kinder nur alle 2 wochen durch eine trennscheibe sehen und über ein überwachtes telefon sprechen.

warum?

bekannterweise habe ich von 2006 bis zum tag meiner ungerechtfertigten verhaftung die kampagne gegen den pelzverkauf des kleiderBauer-konzerns in tirol koordiniert und geleitet. es handelte sich dabei um kundgebungen, welche behördlich angezeigt und nicht untersagt wurden. ich hab auch über den verlauf der kampagne und speziell über deren kreative schwerpunkte öffentlich referiert.

das macht mich nicht kriminell!

referiert habe ich auch auf den österrechtweiten animal liberation workshops, du zwar über tierrechte in der bildenden kunst und politische aktionen mit kreativem schwerpunkt.

das macht mich nicht kriminell!

ich habe einen buchvorstellungsabend mitorganisiert, meine mutter als bibliothekarin macht sowas wöchentlich.

das macht mich nicht kriminell!

ich habe an aktionen des zivilen ungehorsams teilgenommen, an go ins, run ins, blockadeaktionen, besetzungsaktionen und jagdstörungen.

das macht mich nicht kriminell!

ich habe auch politische flugblätter - wie im strafantrag richtig bemerkt „ zur verteilung bestimmt", bei mir daheim gelagert.

das macht mich nicht kriminell!

offenbar habe ich auch beunruhigende kunstwerke geschaften und songtexte verfasst, beides findet sich in meinem polizeilichen abschlussbericht. meine künstlerische arbeit war auch zentrales thema bei meiner einvernahme hier vor gericht. zur illustration hier ein zitat aus dem hauptverhandlungsprotokoll vom 22. 03. 2010 41 Hv 68/09z-17, seite 11): „haben sie in ihrer Kunst ihre Gedanken und ihre Gesinnung zum Ausdruck gebracht ?"

das macht mich nicht kriminell!

-und dann natürlich e-mails. aus mehreren hundert, vielleicht tausend e-mails welche ich als diskussionsbeiträge auf eine mailingliste auf welcher die mitglieder sicher alle um meine zum teil provokativen und ironischen ausdrucksformen und ausdrucksweisen wissen, wurden im abschlussbericht etwa 20 und im strafantrag etwa 2 herausgenommen. – teilweise wohl bewusst ohne dazugehörige anführungsstriche und ironietags, welche die originalmails um einiges verständlicher machen,- und immer aus dem diskussionszusammenhang gerissen! als beispiel hier nochmal das mail aus dem abschlussbericht: „vgt = alf, nett eigentlich!", im originalmail steht darunter :" ich hoffe es ist hörbar, dass obiges spassig geschrieben ist!" das erklärt alles. und wenn, wie im abschlussbericht der zweite satz fehlt, erklärt das auch alles, es ist nämlich beispielhaft für die polizeiarbeit in diesem verfahren wo von vornherein ausschliesslich belastendes zugelassen wurde. und in den strafantrag wurde derartiges entweder völlig unreflektiert oder absichtlich sinnverändernd übernommen.

ich hatte an meinen 2 einvernahmetagen die möglichkeit – soweit ich ausreden durfte - diese – wohlgemerkt PRIVATEN - e-mails in ihrem zusammenhang darzustellen und auf diese weise deutlich zu machen, dass es sich hierbei höchstens um überzeichnete ironische oder bewusst provokante statemants handelt, was sich einerseits auch wie ein roter faden durch meine künstlerischen arbeit und andererseits auch meine verbalen aussagen zieht! und ob provokant, ironisch oder was auch immer, bei keinem dieser mails wurden straftaten nachbesprochen oder geplant.

das macht mich nicht kriminell!

keineR der zeug_Innen der anklage hat irgendwas- und schon gar nichts strafrechtlich relevantes im bezug auf mich erlebt, festgestellt und ausgesagt! diese zeug_Innen betonten, wenn ich ihnen denn ÜBERHAUPT bekannt war - wenn ja, von nichtuntersagten kundgebungen – sich lediglich an mein aussehen erinnern zu können.

das macht mich nicht kriminell!

die sogenannten belastenden depositen die bei meiner hausdurchsuchung mitgenommen wurden, waren sojamilch, die die beamten offenbar für buttersäure hielten, scherzartikel mit der aufschrift stinkbomben, die meinen söhnen gehörten, spritzen zur homöopathischen behandlung unserer hühner, kaninchen und katzen. weiters meine text- und skizzenbücher und unzählige andere private dinge. wir haben mittlerweile vieles zurückbekommen, z.t. kaputt, aufgeweicht und schimmlig, ob wir alles zurückhaben, werden wir nie erfahren. – all die vielen kisten voller persönlicher gegenstände waren offenbar nicht belastend.

zu allen meinen anklagepunkten im strafantrag, hat die verteidigung zeug_Innen beantragt, keine einzige meiner zeug_Innen wurde geladen und angehört, ich schliesse daraus, dass der richterin meine argumentation bei meiner einvernahme schlüssig erscheint.

am 07. oktober 2010 erstattete eine tierrechtsaktivistin aus linz eine selbstanzeige nach exakt denselben punkten die mir im strafantrag vorgeworfen werden. bereits am 18. oktober 2010 wurde die aktivistin von der "einstellung des verfahrens" benachrichtigt, in dieser benachrichtigung steht wörtlich :" die von ihnen angeführten handlungen vermögen einen anfangsverdacht in richtung § 278a stgb nicht zu begründen:" !!!!

ich habe während des prozesses hier wesentlich öfter das bedürfnis gehabt, mich zu äussern, mich zu erklären und begebenheiten klarzustellen als ich es tatsächlich auch tat und es war für mich schwer und nicht zu gewöhnen, erleben zu müssen wie hier die beteiligten willkürlich unterbrochen und abgewürgt wurden. in meinem sozialen und politischen umfeld zählt stets die gewichtigkeit der argumente, und NICHT die hierarchische position der sprecherin. es war für mich schmerzlich feststellen zu müssen, dass das hier offenbar anders gehandhabt wird.

ich habe pro prozesswoche 2400 km zurückgelegt und saß 28 stunden im zug. es war mir zeitlich unmöglich als künstler an werken und präsentationen zu arbeiten und als restaurator aufträge wahrzunehmen. seit prozessbeginn überleben meine familie und ich ausschliesslich durch solidaritätsspenden aus der bewegung

– an dieser stelle von ganzem herzen danke dafür! Ohne euch hätten wir das nie geschafft!

den ermittlungs- und anklagebehörden war es von anfang an egal wie und ob wir als familie, meine kinder , meine frau und ich diese art von staatsterror überstehen können. – bzw. war der existenzielle ruin vielleicht sogar kalkuliert. sei es bei der hausdurchsuchung durch bewaffnete polizisten, sei es während meiner gefangenschaft oder sei es durch diesen alles lähmenden prozess! dieses horrorerlebnis begann mit meiner verhaftung am 21. Mai 2008 und endet mit meinem freispruch am 02. Mai 2010.

dennoch macht auch der verdiente freispruch all die ängste , tränen und traumatisierenden erlebnisse meiner familie, meiner kinder niemals rückgängig!

wie wird durch den freispruch die verzweifelte angst meiner kinder am tag der hausdurchsuchung relativiert?

wie relativiert das die resignative ohnmacht meiner kinder bei meiner verhaftung und bei den besuchen im gefängnis? – hier im prozess kamen auch immer wieder zustände wie angst, bedrohung und psychischer druck zur sprache. meine kinder wissen um den psychischen druck, wissen welche bedrohung und was für angst diese art von staatsterror für sie bedeuten!

wie relativiert ein freispruch diesen prozess, während welchem ich nicht bei meiner familie, nicht bei meinen kindern sein konnte, meiner arbeit nicht nachgehen konnte, -von politischer tätigkeit ganz zu schweigen?

die verbrechen an fühlenden wesen, rein zugunsten von profitmaximierung und bereicherung die verbrechen einer gesellschaft die nichtmenschliche tiere ihrer freiheit beraubt, sie ausbeutet und ermordet – diese verbrechen wurden hier weder verfolgt noch angeklagt, das ist leider bezeichnend!

einen grässlichen nachgeschmack hinterlässt auch die gewissheit, wie hier polizeilich gearbeitet wurde, wie hier vertuscht und manipuliert wurde. (ich erinnere nur an die verdeckte ermittlerin und an die vertrauensperson, an die unvollständigen mailzitate in den berichten und an die bis zuletzt fehlende akteneinsicht)

ich bin weiterhin wütend über diese zustände.

ich werde nicht auf gerechtigkeit hoffen, sondern weiterhin dafür kämpfen!

für die berfreiung von mensch und tier, für die freiheit der kunst!

somit schliesse ich mit einem zitat berthold brechts:

„wo unrecht zu recht wird, wird widerstand zur pflicht!"

 


mehr unter www.tierschutzprozess.at

§ 278a? „Keine Vernunft, keine Logik“

Zum Interview mit Chris Moser, auf Mokant, dem Viertangeklagten und zum Observationsbericht von Chris Moser