ImageDie Kritik an der Vorratsdatenspeicherung erhärtet sich zunehmend. Der AK Vorrat warnt vor der drohenden Ausweitung der Verwendung der Daten zur Bespitzelung in zivilrechtlichen Verfahren. Die „Initiative für Netzfreiheit“ kommt in einem vor kurzem veröffentlichen Bericht zum Schluss, dass „die von den Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt suggerierte Sicherheit unserer Daten zu keiner Zeit gewährleistet war und ist.“



Infolge einer EU-Richtlinie wurde auch in Österreich die Vorratsdatenspeicherung  eingeführt. Seit April 2012 sind Anbieter von Telekomdiensten in Österreich gesetzlich verpflichtet, die Kommunikationsdaten aller BürgerInnen mindestens sechs Monate lang "auf Vorrat" zu speichern: Wer, wann, wo, mit wem, wie lange per Telefonat, SMS und E-Mail kommuniziert. Eingeführt wurde die Vorratsdatenspeicherung angeblich um den „Terrorismus“ zu bekämpfen.

"Bespitzelungsatmosphäre"

KritikerInnen haben von Anfang davor gewarnt, dass eine schrittweise Ausweitung der Verwendung der Daten erfolgt. Der Arbeitskreis „Vorratsdatenspeicherung“ (AK Vorrat), der in einer Petition über 100.000 Unterschriften gegen die Vorratsdatenspeicherung gesammelt hat, sieht diese Warnungen nun durch aktuelle Entwicklungen bestätigt: „Die Forderungen des Vereins für Anti-Piraterie und Aussagen aus dem Justizministerium über die bevorstehende Urheberrechtsnovelle sollten die Bevölkerung alarmieren. Die Verwendung von Vorratsdaten für die Aufklärung von Urheberrechtsdelikten wäre ein Dammbruch. Dadurch würde ein Präzedenzfall geschaffen, in dem Vorratsdaten in Zivilverfahren verwendet werden können. Für andere zivilrechtliche Bereiche, etwa Ehescheidungsverfahren, Schadenersatzansprüche oder Wettbewerbsrecht, könnte schon bald ebenso gefordert werden, dass wenn nötig auch hier Verkehrs- und Zugangsdaten herauszugeben sind. Schließlich wären davon Betroffene sonst ja gegenüber Rechteinhabern aus dem Urheberrechtsbereich ohne sachlichen Grund benachteiligt.“

Damit könnten in Hinkunft die Daten der Vorratsdatenspeicherung von der Rechteverwerterindustrie verwendet werden, um Internet-Nutzer zu verfolgen. Christof Tschohl vom AK Vorrat über die drohenden gesellschaftlichen Auswirkungen:  "Die flächendeckende und pauschale Speicherung von Vorratsdaten ist an sich schon ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der Bevölkerung und die de facto Abschaffung der Unschuldsvermutung. Wenn diese Daten nun auch noch in zivilrechtlichen Verfahren verwendet werden, also wenn Privatpersonen einander verklagen, entsteht unweigerlich eine Bespitzelungsatmosphäre. Auf diese Weise steuern wir auf eine Denunziantengesellschaft zu, die gerade auf der Ebene der Menschen untereinander unser Zusammenleben nachhaltig und negativ prägen würde.“

"Datensicherheit zu keine Zeitpunkt gewährleistet"

Ebenfalls scharfe Kritik an der Vorratsdatenspeicherung übt die „Initiative für Netzfreiheit“. In einem vor kurzem veröffentlichen Bericht werden gravierende Missstände in der Speicherung der Vorratsdaten in Österreich und  eine grob fahrlässige Gefährdung der Privatsphäre der BürgerInnen  ans Tageslicht gebracht. „In der Praxis ist die Datensicherheit der Vorratsdaten bis heute mehr als fragwürdig, wenn diese intimsten Daten eines jeden Bürgers nicht schon längst ihren Weg in unbefugte Hände gefunden haben“, so Josef Irnberger, Sprecher der Initiative für Netzfreiheit. 

Die Initiative wirft dem Bundesministerium für Inneres (BMI), dem Bundesministerium für Verkehr, Innovationen und Technologie (BMVIT) und dem Bundesministerium für Justiz (BMJ) vor, die Vorratsdatenspeicherung ohne ansatzweise ausreichende Datensicherheit gebilligt zu haben.

Unter anderem liegt diesem Missstand zugrunde, dass bis heute

- keine einzige Überprüfung eines speicherpflichtigen Providers auf die Sicherheit der Vorratsdaten statt gefunden hat
- laut Datenschutzkommission fraglich bleibt, ob und wie viele Provider überhaupt überprüft werden können
- weder eine Vorortüberprüfung der technischen Infrastruktur stattgefunden hat, noch dass eine solche vorgeschrieben wäre
- laut Datenschutzkommission es technisch nie ausgeschlossen ist, dass Kopien der Vorratsdaten erstellt werden
- nicht überprüft werden kann, ob die Daten nach Ablauf der gesetzlichen Frist tatsächlich alle gelöscht wurden

Die Schlussfolgerung der Initiative für Netzfreiheit: „Die von den Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt suggerierte Sicherheit unserer Daten ist und war zu keiner Zeit gewährleistet. Die Privatsphäre eines jeden Bürgers ist durch diese Vorgehensweise akut gefährdet und ein Umdenken in der Politik dringend notwendig.“

Aus Vorratsdatenspeicherung und Indect aussteigen!

Eveline Steinbacher, Aktivistin der Solidarwerkstatt, zu diesen neuen Informationen über die Vorratsdatenspeicherung: "Die drohende Verwendung der gespeicherten Daten zum Beispiel zur Kriminalisierung von Internet-Usern bei Urheberrechtsverfahren und die mangelnde Datensicherheit bestätigen unsere Kritik an dieser Bespitzelungs-Richtlinie, die alle BürgerInnen unter Generalverdacht stellt und damit die Unschuldsvermutung ad absurdum führt. Die Solidar-Werkstatt fordert daher die sofortige Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung." Darüber hinaus fordert die Solidarwerkstatt den Ausstieg aus Indect. Dieses EU-finanzierte Projekt, das sich derzeit in der Erforschungs- und Erprobungsphase befindet, soll die u.a. durch die Vorratsdatenspeicherung gewonnen Datenflut für die staatlichen Schnüffler so verknüpfbar machen, dass soziale Netzwerke ausgeforscht und bespitzelt werden können.

(27.11.2012)