ImageNachdem die Anklage von Tierrechts-AktivistInnen nach dem ominösen "Anti-Mafia-Paragrafen" 278a in allen Punkten zusammengebrochen ist, versucht nun die Justiz politisches Handeln als "Nötigung" zu kriminalisieren, wenn dadurch die "Geschäftspolitik" von Unternehmen betroffen ist. Wenn wir das nicht verhindern können, könnte das unabsehbare Folgen für die freie Meinungsäußerung und demokratisches Engagement haben.


Im Tierschutzprozess erster Teil wurde versucht, legale Kampagnen zu kriminalisieren, weil die UnterstützerInnen wissen hätten müssen, dass im Verlauf der Kampagne vielleicht irgendwann irgendwo irgendwelche unbekannten TäterInnen irgendwelche ungeklärten Straftaten begehen könnten. Die §§ 278 ff StGB ermöglichen nicht nur diese kafkaeske Anklage sondern rechtfertigen auch jede technisch mögliche Überwachung unbescholtener BürgerInnen. Einer breiten Solidaritätsbewegung und Selbstanzeigen-Kampagne, sowie einer in den Akten rechtswidrig nicht erwähnten Polizeispitzelin, die sich als die wichtigste Entlastungszeugin herausstellte, ist es zu verdanken, dass im Tierschutzprozess erster Teil alle Angeklagten nach 14-monatigem Prozess in allen Anklagepunkten freigesprochen wurden.

Bedenkliche Karrieresprünge nach dem § 278a-Prozess

Die Angeklagten konnten beweisen, dass es eigentlich nie einen Anfangsverdacht gegen sie gegeben hatte - und bleiben trotzdem jeweils auf mehreren hundert-tausend Euro Anwaltskosten sitzen. Die Soko wurde drei mal wegen verweigerter Akteneinsicht verurteilt - und wird die Akteneinsicht auch weiter verweigern. Der Leiter der Soko wurde der Falschaussage überführt - und zum Chef der Wiener Geheimpolizei befördert. Der einzige Staatsanwalt, der sich bereit fand, 10 Millionen Euro an Steuergeldern für teure Ermittlungen und eine Monsterprozess in den Sand zu setzen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz dauerhaft zu schädigen, wurde zum Oberstaatsanwalt befördert. Das Verfahren gegen den Staatsanwalt, der aus dem Gerichtsgebäude eine Schussgeste auf die TierschützerInnen mache, wurde eingestellt, weil er damit nur seine Emotionen ausdrückte. Die Freispruch-Richterin darf keine öffentlichen Verhandlungen mehr führen.

Einen weiteren Prozess nach 278a will man sich vorerst ersparen. Doch vor wenigen Tagen erging nun das Urteil des Oberlandesgerichts Wien, das der Berufung der Staatsanwaltschaft in allen anderen noch verbliebenen Anklagepunkten statt gab (Gesamtes OLG-Urteil auf http://www.martinballuch.com/?p=2728):

Von den schweren Sachbeschädigungen mit einem Gesamtschaden von über 1 Millionen Euro blieben zwei kaputte Klofenster bei Nazis und mehrere zerschnittene Werbetafeln, derentwegen nun in einer neuerlichen Verhandlung weitere Sachverständigen-Gutachten eingeholt werden sollen. Neben anderen Skurrilitäten, wie der angeblichen vorsätzlichen Tierquälerei eines jahrzehntelang aktiven Tierschützers durch das mögliche Öffnen einer Stalltür, gibt es aber auch einen neuerlichen Angriff auf unsere Grundrechte.

Die Erstrichterin begründete ihren Freispruch vom Vorwurf der Nötigung damit, dass legale Demonstrationen kein Nötigungsmittel sondern ein Grundrecht, Tierschutz ein gesellschaftlich anerkanntes Ziel, und legale Demonstrationen ein legitimes Mittel zur Durchsetzung von Tierschutz-Belangen seien. Außerdem könne keine Nötigung angenommen werden, wenn Protestankündigungen gar nicht ernst genommen wurden.

OLG Wien: Wahrnehmung demokratischer Grundrechte "sittenwidrig"

In der Berufungs-Entscheidung des OLG Wien wurde darin eine „unrichtige Lösung der Rechtsfrage“ erkannt: Durch die bloße Information potentieller KundInnen im Rahmen von legalen Demonstrationen könnten sich KonsumentInnen entscheiden, keine Produkte aus Tierqual (oder Kinderarbeit etc) mehr zu kaufen, wodurch das Geschäft eine „Verletzung am Vermögen“ erlitte. Weiters handle es sich bei „Tierschutz-Belangen“ um „abstrakte Spekulationen“ über das Ziel, dieses bestünde vielmehr in der „Ausgestaltung des Warensortiments“, auf welches aber unternehmensfremde Personen keinen Rechtsanspruch hätten. Bestünde aber kein Recht auf die Erreichung des Ziels, wäre das Mittel zur Erreichung des Ziels immer sittenwidrig. Die „Drohung“ unternehmensfremder Personen, die Menschenrechte Meinungsäußerungsfreiheit und Versammlungsfreiheit auszuüben, wenn Tierschutz oder Menschenrechte, Umweltschutz etc nicht entsprechend berücksichtigt würden, wäre also immer sozial unerträglich. Außerdem sei irrelevant, dass die Protestankündigungen nicht ernst genommen wurden, „weil nur die objektive Eignung der Drohung und die Absicht des Täters notwendig“ seien. Daraus schließt das OLG, dass es sich bei Ankündigungen von legalen Kampagnen (also angemeldete Demonstrationen, Flugblätter verteilen, Petitionen) oder Streiks durchaus um (schwere) Nötigungen handeln könne.

Gegen eine Aushöhlung unserer Grundrechte sind alle aufgefordert folgendes zu unternehmen:

1) Die Selbstanzeigen-Kampagne des VGT auf http://www.vgt.at/actionalert/selbstanzeige/index.php unterstützen.

2)  Eine kreative Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft einbringen, zB wegen gefährlicher Drohung durch die versuchte Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Waffenindustrie.

3)  Leserbriefe schreiben, Informationen weiterverbreiten.

Roland Hoog (Veggies-Linz)