Es ist kaum zu glauben, dass in Brüssel - im politischen Zentrum des freien Marktes – sich die freien Kräfte der „Modernisierung“ einschränken lassen müssen. Und das gehörig, bis zum absoluten Nullpunkt. Nun mit Brüssel ist hier nicht die EU bzw. die EU-Kommission gemeint sondern die Region Brüssel. Diese hat das Projekt Ausbau des 5G-Netzes vorläufig einmal gestoppt. (1)

Eigentlich hat die Belgische Regierung diesen Schritt getan, um ihre Bürgerinnen nicht einer Gefahr auszusetzen.  Der Gefahr, eventuell als Versuchskaninchen für die Mobilfunk- und Internetindustrie missbraucht zu werden.

Es besteht die nicht unbegründete Befürchtung, dass mit dem 5G-Standard die strengen Strahlungsregeln der Stadt Brüssel nicht eingehalten werden können. Dazu muss man wissen, dass in der Stadt Brüssel die strengsten Strahlungsregeln weltweit gelten. Und das mit gutem Grund.

Brüssel widersetzt sich der EU-Kommission

Das Pikante daran: Die Europäische Kommission hat die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, bis 2020 jeweils eine Stadt in jedem Mitgliedsland, welche für den 5G Standard geeignet scheint, auch 5G-tauglich zu machen.

Die Belgische Umweltministerin Céline Fremault hat nun der EU-Kommission einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht:

„Ich kann eine solche Technik nicht zulassen, wenn die Strahlungsstandards, die die Bürger schützen sollen, nicht beachtet werden – 5G hin oder her. Die Brüsseler sind keine Versuchskaninchen, deren Gesundheit ich aus Profitgründen verkaufen kann."(2)

„Die Brüsseler sind keine Versuchskaninchen“

Ist so etwas aus der österreichischen Politik ebenso zu hören? Nein, denn wir in Österreich sind schon beim Smart Meter, welcher die 5G-Technologie zur vollen Entfaltung seiner Fähigkeiten benötigt, nicht nur übergangen, sondern bis Dato nur gefrotzelt worden. Wir in Österreich sollen die Versuchskaninchen bei der Einführung solcher Technologien wie Smart Meter und 5G spielen.

Schon der Rechnungshofbericht hat in seinem Prüfbericht zur Einführung des Smart Meter vom Jänner 2019 hat festgestellt, dass „Österreich über keine verbindliche Rechts­grundlage zum Schutz der Allgemeinbevölkerung vor den Einwirkungen durch elektromagnetische Felder verfügt.“ Der Rechnungshof empfahl dem nunmehr zuständigen Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus, im Einvernehmen mit den zuständigen Bundesministerien die Erlassung einer Verordnung über den Schutz der Allgemeinbevölkerung vor der Einwirkung durch elektromagnetische Felder zu prüfen.

Rechnungshof fordert Elektrosmog-Verordnung

Aber nicht nur der Rechnungshof stellt der Österreichischen Politik ein schlechtes Zeugnis aus, wenn es um Fürsorge der Gesundheit von uns allen geht. Eine internationale Ärzteschaft stellt fest, dass die Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunkwellen nicht abschließend geklärt ist. Im September 2018 hatten 180 Ärzte aus 36 Ländern in einem offenen Brief ein 5G-Moratorium gefordet, bis die gesundheitlichen Effekte von 5G abgeklärt sind.

Zuerst prüfen – dann entscheiden!

Die zuständigen Ministerinnen sollten eher gestern als heute zu den Themen Smart Meter und G5 aktiv werden. Aber nicht im Sinne der abkassierenden Technik- und Mobilfunkindustrie, sondern im Sinne von Gesundheitsschutz aller Menschen in Österreich, vor noch nicht abschätzbaren Gefahren neuer Technologien! Zuerst müssen die Risiken geprüft und dann erst – basierend auf den Untersuchungsergebnissen – eine Entscheidung getroffen werden. Und nicht umgekehrt!

Rudolf Schober
(April 2019)

Anmerkungen:

INFOKASTEN

Was ist 5G?

5G ist die Abkürzung für die 5. Mobilfunkgeneration. Diese soll dazu dienen, die Datenübertragung enorm zu erhöhen und zu beschleunigen. Insbesondere die Latenzzeit – also die Verzögerung bei der Datenübertragung – wird extrem verkürzt. Damit soll die Tür für das „Internet der Dinge“ aufgestoßen werden, d.h. Maschine-Maschine-Kommunikation, autonomes Fahren, usw. Aufgrund der hohen Frequenz bzw. kurzen Wellenlänge muss für 5G die Sendepower enorm erhöht und ein regelrechter Wald an Sendestationen eingerichtet werden – schätzungsweise alle 100 bis 150 Meter ein Sender. Deshalb befürchten Ärzte, dass die Strahlenbelastung steigen könnte. Schätzungen zufolge soll es bis 2020 mehr als 20 Milliarden vernetzte Geräte geben. "All dies kann zu einer exponentiellen Zunahme der gesamten langfristigen Exposition aller EU-Bürger gegenüber hochfrequenten elektromagnetischen Feldern (HF-EMF) führen", heißt es in dem Schreiben, das von 180 Wissenschaftlern und Ärzten aus 36 Ländern unterschrieben wurde. Zu den befürchteten Auswirkungen gehören ein erhöhtes Krebsrisiko, Zellstress, eine Zunahme schädlicher freier Radikaler, Genschäden, strukturelle und funktionelle Veränderungen im Fortpflanzungssystem, Lern- und Gedächtnisdefizite, neurologische Störungen sowie negative Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden bei Menschen.

Kommentar

Eine Zwischenfrage

5G ist möglicherweise für unsere Gesundheit gefährlich. Es sollte daher klar sein, dass zunächst diese Gefahren seriös untersucht werden, bevor eine Entscheidung über die Einführung von 5G getroffen wird. Nicht nur die Brüsseler wollen keine Versuchskaninchen sein (sh. oben)! Es sei aber eine weitere Zwischenfrage erlaubt: Die Investitionen für 5G sollen alleine in Europa bis zu einer halben Billionen Euro (!) kosten. Weltweit darf man also von mehreren Billionen ausgehen. Das ist eine aberwitzig hohe Summe dafür, die Latenzzeit bei der Datenübertragung von derzeit unter einem Hundertstel (Länge eines Wimpernschlags) auf zukünftig vielleicht ein paar Tausendstel einer Sekunde (Blitzlicht einer Kamera) abzusenken. Wir leben in einer Zeit, wo der UN-Klimarat warnt, dass wir noch ein Jahrzehnt Zeit haben, eine Klimawende einzuleiten, bevor das Klima zu kollabieren droht. Nach wie vor sterben jährlich Millionen Menschen, weil sie nicht genug zu essen, kein sauberes Trinkwasser haben bzw. selbst die grundlegendste Gesundheitsversorgung fehlt. Wären diese Billionen im nächsten Jahrzehnt nicht besser für eine umweltfreundliche Verkehrs-, Energie- und Agrarwende, für Ernährungs- und Gesundheitsprogramme aufgehoben? Ist das Überleben von Millionen von Menschen, möglicherweise das des Planeten nicht doch etwas dringender als Smartphones, die in Zukunft beim Kühlschrank zu Hause nachfragen können, ob noch genug Milch da ist?