Während viele von uns vom Wahlkampfgetöse abgelenkt waren und nun schon wieder werden, tut sich hinter den Kulissen einiges punkto Überwachungsstaat.


Grenzenloser EU-US-Datenaustausch

Am 6. Juni 2019 beauftragte der Rat der EU-Justiz- und Innenminister die EU-Kommission mit der Aushandlung eines Rahmenabkommens mit den USA zum gegenseitigen Datenaustausch. Damit sollen die Behörden künftig leichteren Zugang zu Nutzerdaten von Verdächtigen ermöglichen.

Die Verhandlungen mit den USA über ein Rahmenabkommen zum Austausch elektronischer Beweismittel sollen noch im Eilzugstempo im Juni beginnen. Das Abkommen zur gegenseitigen Überwachung ermöglicht US-Behörden, sowie Gerichten und Staatsanwälten der EU-Staaten, künftig Diensteanbieter und Netzbetreiber direkt auffordern, Benutzerprofile und Metadaten herauszugeben. Und dies ohne Beteiligung des jeweiligen nationalen Justizsystems. Bisher ist das grenzüberschreitend nur über Rechtshilfeersuchen möglich. Auch Österreichs Provider und Telekom müssten, aufgrund eines Durchsuchungsbefehls aus den USA, privaten Nutzerdaten liefern. EU-Strafverfolger wollen u.a. Facebook (das Menschen weltweit nutzen) zur Datenherausgabe zwingen.

Kritiker befürchten eine Aufweichung von Kontrollmechanismen für den Zugriff auf persönliche Daten. „Es kann also plötzlich alles ganz schnell gehen“, warnt Zeit-Kolumnist Martin Klingst in seiner Analyse im Februar. Er warnt vor einem drohenden Ausverkauf der Privatsphäre. Rechtliche Grundlage für das Abkommen ist in den USA der 2018 beschlossene „Cloud Act“. Dieser ermöglicht FBI und anderen Behörden weltweit, in Vertragspartnerländern, direkten Zugang zu Cloud-Daten von Verdächtigen – und nach Vertragsabschluss wohl auch den Behörden der EU-Mitgliedsstaaten.

Auf EU-Ebene wird am Pendent zum „Cloud Act“ gearbeitet. Der „E-Evidence“ Verordnung (siehe WB2/2019) soll die die grenzüberschreitende Bespitzelung im Netz vereinheitlichen, wodurch Polizei-und Justizbehörden leichter Teilnehmerdaten, Zugangsdaten, Transaktionsdaten sowie Inhaltsdaten bei Internet- und Telekomfirmen abfragen können sollen. Ein weiterer massiver Eingriff in unsere Grund-und Freiheitsrechte, in unsere Privatsphäre, bemerkt meist nur von jenen die sich mit dem Thema befassen. Die Internetplattform Heise bringt auf seiner Homepage ein Internet-Video, in dem der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer im bemerkenswerter Offenheit erläutert, wie Schritt für Schritt solche bürgerrechtsfeindlichen Gesetze an der Öffentlichkeit vorbeigemogelt werden:
„Das Gesetz nennt man Datenaustauschgesetz. Ganz stillschweigend eingebracht. Wahrscheinlich deshalb stillschweigend, weil es kompliziert ist, das erregt nicht so. Ich hab‘ jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen. Dann isses, he, he, dann fällt das nicht so auf. Wir machen nichts Illegales, wir machen Notwendiges. Aber auch Notwendiges wird ja oft unzulässig in Frage gestellt.“

Vorratsdatenspeicherung Neuanlauf

Ebenfalls am 6. Juni 2019 haben die EU-Justizminister die EU-Kommission beauftragt dafür eine Studie für mögliche Lösungen und etwaige Gesetze vorzulegen. Eine Arbeitsgruppe soll erörtern, wie die Vorgaben des EuGH, der frühere Regelungen für unvereinbar mit den Grundrechten erklärt hat, umgangen werden könnten. „Es brauche Vorgaben, die sich nach den Bedürfnissen der Strafverfolger richten“, so der Entschluss der Arbeitsgruppe.

Zur Erinnerung: 2006 verabschiedete die EU eine Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (VDS), die dann 2014 und 2016 vom Europäische Gerichtshof gekippt wurde, da anlasslos Daten wie Anrufprotokolle, Standortdaten und Einordnungen zu der genutzten IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt von Personen gespeichert wurden, bei denen es keinen Verdacht auf Straftaten gab – und die Weitergabe der Daten an Behörden. Ein Verstoß gegen die Grundrechte, der die Unschuldsvermutung ad absurdum führte. In Österreich wurde sie 2012 mit den Stimmen der Nationalratsabgeordneten von ÖVP und SPÖ beschlossen und 2016 vom VfGH gekippt, aufgrund einer Klage Zivilgesellschaftlichen Organisationen, begleitet von Demonstrationen gegen die VDS im Vorfeld.

5G: Europol will Schlupfloch für Überwachung

Dies sind bei weitem nicht alle Überwachungsmaßnahmen, die uns die Privatsphäre immer mehr rauben. In weiterer Umsetzung des 2018 von türkis/blau beschlossenen Überwachungspakets soll Ende des Jahres die Gesichtserkennung in Österreich zur Personenidentifizierung aktiviert werden. Da dämmert, wofür die Schnüffler über superschnellen 5G-Datenübertragung braucht werden: um millionenfache Gesichtserkennung im öffentlichen Raum zu ermöglichen .

An 5G knüpft eine weitere Bespitzelungsinitiative, die derzeit abgehandelt wird. Europol und die europäischen Überwachungsbürokratien drängen darauf, dass die EU-Staaten die Telekoms zwingen, die Architektur ihrer 5G-Netze entlang den Bedürfnіssen der Strafverfolger auszurichten. Vor allem sollen sie verpflichtet werden, Sicherheitslücken für sogenannte IMSI-Catcher offen zu halten, also Schlupflöcher zur Installierung von Spionagesoftware auf Computern (Trojaner).

Es ist dringend notwendig, jede Regierung, die da kommen mag, aufzufordern, dieses Bespitzelungswahn zu entsorgen. UND IMMER – gemeinsam gegen Eingriffe in unsere Grund- und Freiheitsrechte aufzustehen.

Eveline Steinbacher
(Juni 2019)

Quellen:
derstandard.at/2000104478424/Die-Vorratsdatenspeicherung-soll-zurueckkehren
https://futurezone.at/netzpolitik/eu-staaten-suchen-weiter-nach-weg-fuer-vorratsdatenspeicherung/400517017
https://www.heise.de/tp/news/Das-Gesetz-nennt-man-Datenaustauschgesetz- 4442109.html?view=print