ImageChristoph Lengauer und Georg Hasibether haben in Linz innerhalb weniger Wochen maßgeblich drei Demonstrationen gegen ACTA und Vorratsdatenspeicherung organisiert. Das WERKSTATT-Blatt im Gespräch mit den beiden Aktivisten.

WERKSTATT-Blatt: Ihr habt maßgeblich bereits drei Demonstrationen gegen ACTA bzw. Vorratsdatenspeicherung in Linz organisiert, die sehr erfolgreich waren. Was war und ist Eure Motivation Euch dagegen so zu engagieren?
 
Christoph und Georg: Wir sind bei den ersten beiden Demos lediglich ins kalte Wasser gesprungen und haben einen Raum geschaffen für alle, die genauso entsetzt über dieses Abkommen waren wie wir. Den Erfolg verdanken wir den vielen Menschen, die sich unserem Aufruf angeschlossen haben und gemeinsam klare Zeichen gesetzt haben. Wir haben uns zwar schon lange vorher intensiv mit dem Thema beschäftigt, allerdings hatten wir noch keine Erfahrungen mit der Organisation von Demonstrationen. Dennoch macht es absolut Sinn auch als Einzelner sich zu engagieren und zu beteiligen. Wir haben es beide nicht im geringsten bereut, soviel Zeit und Energien in die Organisation der Veranstaltungen zu stecken, ganz im Gegenteil, wir sind nach wie vor am Ball und auch bei anderen Themen weiterhin motiviert, Zeit und Energien in Projekte für den guten Zweck zu investieren. Bei all den kreativen Ideen, der Unterstützung und Zuspruch müsste man uns vielmehr fragen, wie wir nicht motiviert sein könnten, uns für eine gute Sache einzusetzen! Image

Warum ist Eurer Meinung nach ACTA so gefährlich?

Ein Vertrag, der sozusagen jeden Bürger betrifft, sollte nicht im Geheimen und nicht ohne die Interessensvertreter eben dieser Bürger verhandelt werden. Alleine der Gedanke daran, die Tür zu Grundrechtsverletzungen zu öffnen, ist in unseren Augen schon gefährlich. Diese Rechte haben es verdient, von uns verteidigt und nicht zugunsten von Rechteverwertern mit Füßen getreten zu werden. Wer sich den ACTA-Vertrag durchliest, wird erschreckend oft das Wort „Rechteverwerter“ lesen, denn um andere Interessen geht es in diesem Vertrag nicht. Das Urheberrecht bedarf dringend einer Reform, aber nicht nur für eine Interessensvertretung, sondern für alle Menschen, vom Konsumenten bis hin zu den Kunstschaffenden. Auch für alle, die im Internet weniger aktiv sind, die Gefahren dieses Patentwahnsinns betreffen nicht nur den virtuellen Raum, beispielsweise bei Patenten auf Saatgut oder lebenswichtigen Medikamenten. ACTA kann hier zur tödlichen Gefahr für Menschen werden, die dann keinen Zugriff mehr auf billigere Generika haben und sich die teuren Medikamente nicht leisten können. Auch was Saatgut betrifft, wir sehen Hungersnöte in armen Ländern und haben als Antwort darauf Patente für noch teurere Nahrung, die mit ACTA ihr rechtliches Fundament finden.

Leider ist der ACTA-Vertrag derartig schwammig formuliert und lässt einen so breiten juristischen Spielraum zu, dass es schwer fällt, das gesamte Ausmaß von ACTA zu erfassen. Einige scharf kritisierte Punkte, die anfangs in ACTA zu finden waren, wurde nachträglich wieder entfernt, das macht ACTA jedoch nicht heil, sondern nur ein kleines  bisschen weniger bedrohlich. Und sollten wir ACTA jetzt zu lassen, ist damit neuen, noch „schlimmeren“ Verträgen/Abkommen/Gesetzen Tür und Tor geöffnet. Für uns ein absoluter Grund, gegen solche Abkommen mit aller Kraft einzutreten und hier zukunftsorientiert für alle zu denken, nicht nur für einzelne Konzerne.

 
ImageWas droht mit der Vorratsdatenspeicherung, gibt es schon Erfahrungen aus anderen Ländern?

Die Vorratsdatenspeicherung ist mit 1.4.2012 auch bei uns Realität. Seither wird von jedem Bürger verdachtsunabhängig gespeichert, wann wer mit wem telefoniert, wann wer mit wem SMS oder Emails schreibt und wo man sich dabei aufhält. Leider muss man sagen, dass die österreichische Regierung nichts aus den Erfahrungen anderer Länder gelernt hat. Deutschland, Bulgarien und andere Länder haben die Vorratsdatenspeicherung bereits als verfassungswidrig gekippt – zu recht! Schockierende Beispiele kann man sich hingegen in Polen anschauen: Dort wurden im vorherigen Jahr bereits 1,86 Millionen Verbindungs- und Standortdaten abgefragt. Der Eingriff in die Privatsphäre der Bürger wird dort seit der Vorratsdatenspeicherung zur gängigen Praxis. Damit diese Zahlen nicht auch in Österreich Realität werden, gibt es vom AK Vorrat neben einer Petition unter www.zeichnemit.at (bereits jetzt die 2. Größte Petition) auch eine Möglichkeit für jeden Bürger sich aktiv an einer Verfassungsklage zu beteiligen. 

Unter www.verfassungsklage.at findet man ein Formular, weitere Informationen und kann vollkommen kosten- und risikofrei aktiv gegen die Vorratsdatenspeicherung klagen. 
 
Welchen Zusammenhang seht Ihr zwischen ACTA, Vorratsdatenspeicherung und anderen Formen der Überwachung?
 
Inhaltlich sind zwar ACTA und die Vorratsdatenspeicherung zwei unterschiedliche Themen, jedoch ist zunehmend die Tendenz erschreckend, dass unter falschem Vorwand der Sicherheit oder des Urheberrechts massive Eingriffe in die Grundrechte der Menschen hingenommen werden. Der Verein für Antipiraterie (VAP) hat mittlerweile Gesetzesänderungen verlangt, um bei Urheberrechtsverletzungen auf die Vorratsdaten Zugriff zu erhalten. So würde aus der Vorratsdatenspeicherung zur „Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Verbrechen“ ein Werkzeug zur Kriminalisierung von Bürgern im Sinne der Rechteverwerter werden. Im Übrigen gibt es in Österreich rechtlich ohnehin keine Definition von „schweren Verbrechen“. Hier wurde einfach ein Etikettenschwindel betrieben der im Gesetz aus „schweren Verbrechen“ einfach alle Straftaten macht, die mit einer Höchststrafe von einem Jahr oder mehr bedroht sind, also so ziemlich alles. 
 
Welche Reaktionen von Seiten der Regierung gibt es bisher?

Die Reaktion der Regierung beispielsweise auf mein Schreiben zu ACTA und der Vorratsdatenspeicherung war schlichtweg eine Frechheit. Ein schlechter Musterbrief kam als Antwort zurück der weder inhaltlich, noch sonst in irgendeiner Weise auf meine Bedenken einging. Man muss davon ausgehen, dass die jetzige Regierung einfach mit dem Engagement der jungen Netzaktivisten überfordert ist und das bei einfachsten inhaltlichen Forderungen. Politik ist durch die neuen Medien absolut greifbar und viel transparenter als je zuvor. Diese neuen Möglichkeiten der Mitbestimmung werden aber von der Politik nur sehr schwach wahrgenommen.

Welche weiteren Aktionen sind geplant? Wie können sich Menschen engagieren?
 
Wir sind alle täglich mit Nachrichten konfrontiert die unseren Unmut wecken. Gleichfalls sind wir froh über jeden, der dennoch nicht wegsieht sondern sich entschließt, seiner Stimme Gewicht zu geben. Am einfachsten können wir weitere Aktionen und Informationen nach wie vor online publizieren.
 
Auf der Facebook-Seite Stopp ACTA – Linz (http://www.facebook.com/StoppActaLinz) teilen wir laufend Informationen zu den aktuellen Themen oder geplante Veranstaltungen. Wer sich informieren will erreicht uns auch auf der extra dafür eingerichteten Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Aber nicht nur online sind laufend Aktionen geplant. Am 11. Mai findet man uns und andere Aktivisten auf einem Infostand zur Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung auf der Linzer Landstraße Kreuzung Harrachstraße (zwischen Mozartkreuzung und Taubenmarkt). Am Samstag den 9. Juni 2012 werden wir uns auch wieder mit einer Demonstration dem internationalen Aktionstag anschließen (nähere Infos demnächst).

ImageUnd für die Tage dazwischen liegt uns viel an kreativen Aktionen und direkten Kontakt zu Politikern. Hierbei ist jeder herzlich mit Ideen oder Anregungen willkommen. Schreibt uns, besucht uns auf den Veranstaltungen und setzt ein Zeichen, dass unsere Grundrechte einen unbezahlbaren Wert haben und wir Demokratie aktiv leben.


aus: WERKSTATT-Blatt 1_2012 (ein Probeexemplar schicken wir gerne kostenlos zu; Bestellung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! )