Im Eilzugstempo plant die EU nach dem Anschlag in Wien, den Ausbau der Überwachungsmaßnahmen wie Verschlüsselungsverbot für Chat und Whatsapp Nachrichten, Vorratsdatenspeicherung und upload Filter. Unter dem Vorwand der Anti-Terrobekämpfung erfolgen weitere Einschnitte in unsere Grund-und Freiheitsrechte.
Nur wenige Tage nach dem Terroranschlag in Wien vom 2. November 2020 nutzt die EU die Gelegenheit, weitere Überwachungsmaßnahmen aus der Lade zu ziehen. Der EU-Ministerrat will noch im Dezember 2020 ein Verbot sicherer Verschlüsselung für Services wie WhatsApp, Signal & Co im Schnellsiedeverfahren durchzusetzen. Sie sollen verpflichtet werden, sogenannte Nachschlüssel (Generalschlüssel) in Ende-zu-Ende-verschlüsselte (E2E) Chats einzuschleusen und diese bei Behörden zu hinterlegen, wie aus einem internen Dokument der deutschen Ratspräsidentschaft an die Delegationen der Mitgliedsstaaten im Rat hervorgeht, das ORF.at vorliegt.
Zusätzlich wird eine „gezielte Vorratsdatenspeicherung“ für Chats gefordert. Bereits im Juni 2019 haben die EU-Justizminister die EU-Kommission beauftragt eine Studie für mögliche Lösungen und etwaige Gesetze für eine neue Vorratsdatenspeicherung vorzulegen. Eine Arbeitsgruppe soll erörtern, wie die Vorgaben des EuGH der bereits zwei Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung für unvereinbar mit den Grundrechten erklärt hat, umgangen werden könnten. „Es brauche Vorgaben, die sich nach den Bedürfnissen der Strafverfolger richten“, so der Entschluss der Arbeitsgruppe.
Die beiden Überwachungsmaßnahmen „Verschlüsselungsverbot“ und „gezielte Vorratsdatenspeicherung“ führen nach Beschluss dazu, dass u.a. Geheimdienste wie GCHQ, DGSE, BND - die wegen zunehmender Transportverschlüsselung immer weniger verarbeitbare Daten absaugen können, und deswegen nach solchen Generalschlüsseln verlangen – sich in Chats der Nutzer und Nutzerinnen unerkannt einklinken und mitlesen können und den Inhalt auch speichern dürfen. Das pervertiert den Sinn von Verschlüsselung und ist ein Angriff auf das Briefgeheimnis, Privatsphäre, die Grund und Freiheitsrechte.
Das Papier des Ministerrats enthält auch eine Menge von Maßnahmen, die die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit verbessern sollen. Der Anschlag in Wien stellt eine Ausweitung der Befugnisse in Frage, wenn bestehende Gesetze und Informationen nicht genutzt werden. Dem BVT, wurden von zwei anderen Diensten zweimal Informationen auf dem Silbertablett serviert, die nicht genutzt wurden, um den Terroranschlag zu verhindern.
Gleichzeitig zu diesen Überwachungsmaßnahmen soll eine EU-Anti-Terror-Verordnung mit umfangreichen Filterpflichten für die Provider beschlossen werden. Knackpunkt dabei sind die geplanten Upload-Filter für einschlägige Videos. Diese Verordnung wurde direkt nach den Terroranschlägen in Paris gestartet. So wie die Vorratsdatenspeicherung von Metadaten aus den Telefonnetzen nichts mit dem Hergang der Bombenanschläge auf Madrider Bahnhöfe (2004) und die Londoner U-Bahn (2005) zu tun hatten, so stehen auch die nun geplanten Filterpflichten, um „terroristische Inhalte“ schon beim Upload zu blockieren, in keinerlei Zusammenhang mit diesen Anlassfällen.
Mittlerweile wird immer klarer, dass offenbar haarsträubende Ermittlungsfehler im BVT den Anschlag erst ermöglicht hatten und nicht fehlende digitale Überwachungsbefugnisse. Ob irgendein solcher Zusammenhang zur Tat besteht, ist allerdings unerheblich. In Brüssel wird so ein Anlass seit 25 Jahren mit „schnöder Regelmäßigkeit dafür missbraucht, längst geplante Überwachungsvorhaben durchzusetzen“, wie der renommierte FM4-Journalist Erich Moechel betont.
Der Ausbau der Überwachungsmaßnahmen dient nicht - wie vorgegeben - unserer Sicherheit, er dient vielmehr der Einzementierung einer Politik, die immer mehr soziale und politische Unsicherheit und Ohnmacht für die große Mehrheit der Bevölkerung schafft: Sozialabbau, neoliberaler Freihandel, Militarisierung, Demokratieabbau. Über EU-Vorgaben - EU-Fiskalpakt, EU-Freihandelsabkommen (CETA, JEFTA, TiSA & Co) oder EU-SSZ/Pesco – wird diese Politik von oben durchgesetzt. Die gewählten Parlamente werden immer mehr entmündigt. Als „post-demokratisch“ bzw. „prä-diktatorisch“ bezeichnen Sozialwissenschaftler mittlerweile diese Politik. Der Ausbau von Überwachung und Bespitzelung dient letztlich der Einschüchterung und Kriminalisierung von Widerstand gegen diese undemokratische Politik, soll apathisch machen, Misstrauen schüren und Menschen auseinanderdividieren. Dem gilt es entgegenzuwirken.
Eveline Steinbacher
(November 2020)
Quellen:
Auf den Terroranschlag folgt EU-Verschlüsselungsverbot
EU-Ministerrat verlangt „gezielte Vorratsdatenspeicherung“