ImageDie Auswirkungen der praktischen Anwendung des § 278a StGB bestätigen die schlimmsten Befürchtungen: Die betroffenen Inhaftierten, aber auch alle anderen Personen, die sich als TierrechtsaktivistInnen betätigen, sehen sich mit einer Situation konfrontiert, die nicht nur rechtsstaatlich bedenklich erscheint, sondern vielmehr eine Bedrohung der Zivilgesellschaft und jeden politischen Engagements darstellt.
Die Folgen des Lauschangriffs und der Verhaftungen von TierrechtsaktivistInnen: Viele Aktive haben sich in den Hintergrund zurückgezogen, manche haben sogar ganz damit aufgehört, sich offen für gesellschaftliche Interessen einzusetzen. Sogar in Gesprächen mit Interessierten wird oft die Frage gestellt, ob es denn nicht gefährlich sei, diesem oder jenem Verein beizutreten, Petitionen zu unterschreiben oder bestimmte Initiativen finanziell zu unterstützen. Leider sind diese Fragen berechtigt, denn die Anwendung des § 278a StGB auf politisch und zivilgesellschaftlich Engagierte schafft eine neue Form der Sippenhaftung. 

Mitgehangen - mitgefangen

Dazu Harald Balluch, Geschäftsführer des VgT:

„Angesichts dieser Fakten (Anm.: der Straftatbestände in den §§ 278 ff) wird schnell verständlich, warum nun Gruppen wie der VgT (Verein gegen Tierfabriken), deren Tätigkeiten bisher als legal und legitim angesehen wurden, plötzlich als Teil eines kriminellen Netzwerks bzw. einer kriminellen Organisation verfolgt werden können. Es ist dafür gar nicht notwendig, dass sie sich selbst kriminell betätigten. Es reicht im Sinne der §§ 278 ff vollkommen aus, wenn andere das tun, die von der Justiz einer gemeinsamen Vereinigung zugerechnet werden können, weil sie dasselbe Ziel verfolgen. Entscheidend ist StGB § 278 Abs. 3: „Als Mitglied beteiligt sich an einer […] Vereinigung, wer […] sich an ihren Aktivitäten durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten oder auf andere Weise in dem Wissen beteiligt, dass er dadurch die Vereinigung […] fördert. Angesichts des Paragraphen und des Argumentationskonzepts erstaunt es nicht mehr, dass der Nachweis einzelner Straftaten für eine Verurteilung entbehrlich ist. Unter Strafe gestellt ist ja nicht die Durchführung einer Straftat, sondern die Förderung bzw. Mitgliedschaft in einer Vereinigung. 

Das gesamte Klima der Meinungsfreiheit, wie es bisher gelebt wurde, ist bedroht. Praktisch in allen politischen Bereichen wird es Personen geben, die dieselben Ziele verfolgen und dafür auch bereit sind Sachbeschädigungen (oder Schlimmeres) zu begehen. Mitgefangen, mitgehangen ist die Devise der §§ 278 ff – einer neuen Form der Sippenhaftung. Dieser Vorstoß der Justiz ist ein Anschlag auf die Demokratie und jedenfalls viel gefährlicher als die vorgeworfenen Sachbeschädigungen, die den TierschützerInnen zur Last gelegt werden, jemals sein könnten. Würden die Landesämter für Verfassungsschutz ihre Aufgabe ernst nehmen, so müssten sie in diesem Fall gegen die unerquickliche Vereinigung von Polizei, Staatsanwaltschaft und RichterInnen ermitteln, die eine ernste Gefahr für eine freie pluralistische Gesellschaft darstellt.“ (Guernica 3/2008, S.8) 

Düstere Aussichten

Wie fein das Netz der §§ 278 ff gesponnen ist, und wie entschlossen die Behörden sind, „Angehörige von kriminellen Organisationen“ zu verfolgen, war im Dezember 2008 im Standard zu lesen:„Im konkreten Fall nehme die Polizei immer weitere Sympathisantenkreise ins Visier, sagt Tierschützer-Anwalt Stefan Traxler. "Vor wenigen Tagen wurde eine Frau, die vor fünf Jahren per Internet Infomaterial beim Verein gegen Tierfabriken angefordert und seither keinen Kontakt mit dieser Gruppe mehr hatte, von Polizisten aufgesucht und befragt", schildert er. Bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gibt es dazu - wie zum Stand der Causa überhaupt - keine Auskunft - wie gehabt unter Hinweis auf "laufende Ermittlungen".
(Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 19. Dezember 2008)