ImageAm 7. Juli 2015 soll ein Polizeiliches Staatschutzgesetz (PStSG) für Österreich beschlossen werden und am 1. Jänner 2016 in Kraft treten. Mit diesem Gesetz drohen tiefe Eingriffe in unsere Grund- und Freiheitstrechte. Der Widerstand dagegen gewinnt an Fahrt. Am 4. Juli findet in Linz die Demo "Nein zum Bespitzelungsgesetz" statt. Treffpunkt 14h Schillerpark.

 

Mit dem geplanten Polizeilichen Staatschutzgesetz (PStSG) drohen tiefe Eingriffe in unsere Grund- und Freiheitstrechte:

• Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) bekommt eine Generalermächtigung zur Bespitzelung. Braucht das BVT derzeit noch einen “konkreten Tatverdacht”, so reicht nach § 6 PStSG bereits die Annahme von „wahrscheinlichen verfassungsgefährdenden Angriffen“, um die BürgerInnen auszuschnüffeln. Dabei gibt es kaum noch Grenzen:

• Körperschaften öff. Rechts (Arbeiterkammer, Wirtschafskammer, ÖH, Sozialversicherungen, usw.), Behörden, Beförderungsunternehmen, Telekommunikationsdienste und sonst. Dienstanbieter sind zur Kollabaration bei der Bespitzelung mit dem Bundesamt verpflichtet.

• Auch der Einsatz der Mittel zur Überwachung kennt keine Grenzen mehr: Denn schon bei “Bewertung einer Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung” berechtigt §10 den Zugriff auf personenbezogene Daten aus allen anderen verfügbaren Quellen. Gerät beispielsweise jemand ins Visier der Behörden, müssen Telekom-Firmen und Provider jederzeit Standortdaten des Handys liefern und mit welcher IP-Adresse er im Netz unterwegs ist.

• Das Gesetz sieht auch den Einsatz von bezahlten V-Leuten, also von Spitzeln vor, die in Gruppen eingeschleust werden sollen. Wohin das führt zeigt die Rechtsanwaltskammer anhand der neofaschistischen Partei NPD in Deutschland auf: „Der Einsatz von sogenannten ‚V-Leuten‘ ist insbesondere auch im Hinblick auf das gescheiterte Verbot der NPD in Deutschland problematisch. Bekanntlich scheiterte das diesbezügliche Verbot in Deutschland daran, dass ca. die Hälfte der Führungsriege der NPD in Deutschland mit sogenannten ‚V-Leuten‘ des Deutschen Staatsschutzes durchsetzt bzw. besetzt war. ... Beispielsweise hat etwa der V-Mann Veteran Wolfgang Frenz für seine Dienste 1,6 Mil D-Mark (!!!) an Bargeld und sogenannter Spesenabgeltung erhalten, dies als Ausgleich für seine Tätigkeit als führendes Mitglied der NPD, deren Gründung nach seiner Aussage ohne die Gelder des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfahlen gar nicht stattfinden hätte können.“ (aus Stellungnahme Rechtsanwaltskammer zum PStSG, 12.5.2015)

• Die über die BürgerInnen gesammelten Daten dürfen bis zu sechs Jahre nach Ablauf der Ermächtigung gespeichert werden (zum Vergleich: das ist 12 Mal länger als bei der wegen Menschenrechtsbedenken aufgehobenen Vorratsdatenspeicherung!)

• Der Rechtsschutz der BürgerInnen ist dürftig, ja geradezu lächerlich: Es gibt keine richterliche Kontrolle als Rechtsschutzgarantie. Vielmehr soll sich die Behörde in Form eines „Rechtsschutzbeauftragten“ selbst kontrollieren. Und sogar diesem kann die Auskunft verweigert werden, wenn „das Bekanntwerden von Personen bzw. Quellen die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde.“ Die Behörde kann sich also aussuchen, wo sie sich kontrollieren lässt.

Die Auswirkungen eines solchen Gesetzes wären aus unserer Sicht demokratiepolitisch verheerend:

• Ein solches System öffnet Anschwärzung, Vernaderung und Verleumdung Tür und Tor

• Es droht die Kriminalisierung von politischen Engagement, insbesondere durch die enge Verkoppelung des PStSG mit den sogenannten „Anti-Terror-Paragrafen“ 278 ff, die aufgrund einer EU-Richtlinie in das österreichische Strafgesetz eingefügt wurden. Diese sind soweit gefasst, dass bestimmt soziale und politische Proteste (z.B. Streiks, Blockadeaktionen) rasch unter Terrorverdacht geraten.

• Es droht die Aushöhlung des Redaktions- und anderer anerkannter Berufsgeheimnisse

• Es droht ein massiver Eingriff in unsere Privatsphäre und damit in das Recht auf Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit. Um unabhängig und frei seine Meinung äußern zu können, politisch aktiv zu sein, demokratischen Rechte leben zu können, Ideen, Innovationen, kreativ für unser aller Zukunft arbeiten und denken zu können bedarf es eines Umfeldes frei von überbordender Überwachung, Bespitzelung und Misstrauen. Richtersprecherin Yvonne Summer: „Man muss sich vorstellen, dass dieses Gesetz Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis erlaubt, die nach der bisher gültigen Strafprozess-Ordnung nicht einmal mit einem Gerichtsbeschluss für zulässig erklärt werden können“. (vorarlberg.orf.at/news/stories/2715076/)

Dieses Gesetz steht offenbar in engem Zusammenhang mit den Ambitionen der EU-Kommission, die einen eigenen „EU-Geheimdienst bis 2020 nach dem Vorbild der NSA“ (EU-Kommissarin Reding, zit. nach 06.11.2013|DiePresse.com) aufbauen will. Darauf deutet auch hin, dass durch das PStSG die Weitergabe von Daten an ausländische Geheimdienste weiter erleichtert werden soll.

Die Solidarwerkstatt lehnt dieses Spitzelgesetz entschieden ab. Wir fordern:

• Keine Kriminalisierung von politischen Engagement, keine Einschränkung der Meinungsfreiheit

• Sicherung der Grund-und Freiheitsrechte, Schutz vor Bespitzelung unserer Lebengewohnheiten, Schutz unserer Privatssphäre wie in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung beschlossen

• Wahrung von Berufs- und Redaktionsgeheimnissen

• Keine Vorverdächtigung („pre-crime“): Für jede Überwachungsmaßnahme müssen konkrete Verdachtsmomente und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs begründet werden.

• Ausbau der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und der Transparenz der Sicherheitsbehörden

• Richterliche Kontrolle statt „Selbstbevollmächtigung“ (Richterverbehalt als Rechtsschutzgarantie)

„Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“

Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, dass mehr Sicherheit durch Beschränkung von Freiheit gewonnen werden kann. Die Wurzel sowohl von Unsicherheit wie Unfreiheit liegen in einer Politik und in gesellschaftlichen Strukturen, die Ungleicheit, Entsolidarisierung, Angst und Gewalt nach innen und außen anheizt:

Wenn wir unsere Freiheit und unsere Sicherheit schützen wollen, muss daher die Beteiligung Österreichs am Staatsterror westlicher Kriege beendet werden, die soviel Gewalt über die Menschen in anderen Ländern gebracht haben und bringen und damit Gegengewalt provozieren. Wir fordern daher eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik Österreichs - statt mitzumachen bei den EU-Gewaltstrukturen (Battle groups, Rüstungsamt, EU-Außendienst) und dem Aufbau neuer Überwachungsapparate.

Wenn wir unsere Freiheit und unsere Sicherheit schützen wollen, müssen wir auch im Inneren diese neoliberale Ellbogengesellschaft überwinden, die immer mehr Arbeitslosigkeit, Existenzangst und Aggressivität hervorruft und die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufspreizt. Wir fordern daher eine Politik der Vollbeschäftigung, des Ausbaus der sozialen Sicherheit und Teilhabe für alle Menschen statt sich weiter den EU-Liberalisierungs-, Freihandels- und Spardiktaten unterzuordnen.

Nur wenn wir in der Lage sind, aus diesen Gewaltspiralen nach innen und außen auszusteigen, können wir Freiheits- und Sicherheitsbedürfnisse miteinander vereinbar machen. Hypertrophe Überwachungsmaßnahmen führen dagegen in jene Sackgasse, die Benjamin Franklin bereits vor hunderten Jahren so beschrieben hat: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“

Diesen Text gibt es auch als Flugblatt. Hier zum Herunterladen
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Leisten wir gemeinsam Widerstand gegen das PStSG!

Wie können wir aktiv werden?

Alle die gegen das neue Staatsschutzgesetz etwas machen wollen, sind herzlich zum nächsten Aktionstreffen eingeladen:

> Sonntag, 28. Juni 2015
12h, Bastelworkshop für die Demo am 4. Juli.
Dabei sein, mitbasteln.

> Montag, 29. Juni 2015
Demovorbesprechung, 19h in die Solidarwerkstatt, Waltherstraße 15, 4020 Linz.

> Samstag, 4. Juli 2015
Demo "Nein zum Bespitzelungsgesetz"
Treffpunkt: 14h Schillerpark, Linz
Kommt hin, bringt Freunde mit, sagt es weiter!

Die vom AKVorrat gestartete Petition gegen das geplante Staatschutzgesetz kann auf https://staatsschutz.at unterstützt werden.

14.6.2015