Nein zum BespitzelungsgesetzDer von der Regierung vorgelegte neue Entwurf zum Staatsschutzgesetz ist eine „Mogelpackung“, so der Präsident der Richtervereinigung Zinkl. In der Tat ist das sogenannte Staatsschutzgesetz nach wie vor ein Bespitzelungsgesetz, gegen das wir weiterhin Widerstand leisten müssen. Am 5. Dezember informierten sich zahlreiche Passanten in Linz bei der Protestaktion von Solidarwerkstatt und VGT  "Bespitzelung geht uns auf den Keks" darüber und unterstützten den Protest mit ihrer Unterschrift. 

 

 

 

Bespitzelungsgesetz stoppen!„Zu sagen mich interessiert die Überwachung nicht, denn ich habe nichts zu verbergen,
ist als würde man sagen, mich interessiert die Meinungsfreiheit nicht, denn ich habe keine Meinung.“
(Edward Snowden)

 

Bespitzelungsgesetz stoppen!

In Österreich soll ein Polizeiliches Staatschutzgesetz (PStSG) beschlossen werden und 2016 in Kraft treten. Mit diesem Gesetz drohen tiefe Eingriffe in unsere Grund- und Freiheitstrechte. Wir lehnen das geplante PStSG u.a. deshalb ab,

  • weil in Österreich mit dem geplanten PStSG ein Bespitzelungsamt mit 9 Länderfilialen mit umfangreichen Befugnissen geschaffen werden. Dieser Geheimdienst bekommt eine umfassende Ermächtigung zur Bespitzelung der BürgerInnen. Gerhard Reissner, Vizepräsident der Vereinigung der österreichischen RichterInnen, kritisiert, durch die Unübersichtlichkeit der Paragrafen und Zuständigkeiten sei vieles so schwammig, „dass man das immer in Anspruch nehmen kann“.
  • weil Körperschaften öffentlichen Rechts (Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, ÖH, Sozialversicherungen, usw.), Behörden, Beförderungsunternehmen, Telekommunikationsdienste und sonstige Dienstanbieter zur Kollaboration bei der Bespitzelung mit dem Bundesamt verpflichtet werden.
  • weil es Bespitzelung ohne richterliche Kontrolle erlaubt - vielmehr soll sich die Behörde in Form eines „Rechtsschutzbeauftragten“ mit 2 Stellvertretern selbst kontrollieren. Der Präsident der Richtervereinigung Zinkl bezeichnet diesen "Rechtsschutzbeauftragten" als "Mogelpackung". Der Rechtsschutzbeauftragte habe zwar eine richterliche Ausbildung, ist aber nicht als Richter tätig. Gerät beispielsweise eine Person oder Gruppierung ins Visier der Behörden, müssen Telekom-Firmen und Provider jederzeit Standortdaten von Handys und Internetzugangsdaten ohne Gerichtsbeschluss liefern. Ob ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre eines Betroffenen auch im Einzelfall verhältnismäßig ist, wird nicht mehr überprüft, wenn die Genehmigung zur Bespitzelung einer Gruppe insgesamt vorliegt.
  • weil das Gesetz auch den Einsatz von bezahlten V-Leuten, also von Spitzeln vorsieht, die in Gruppen eingeschleust werden sollen. Wohin das führt zeigt die Rechtsanwaltskammer anhand der neofaschistischen Partei NPD in Deutschland auf: „Der Einsatz von sogenannten ‚V-Leuten‘ ist insbesondere auch im Hinblick auf das gescheiterte Verbot der NPD in Deutschland problematisch. Bekanntlich scheiterte das diesbezügliche Verbot in Deutschland daran, dass ca. die Hälfte der Führungsriege der NPD in Deutschland mit sogenannten ‚V-Leuten‘ des Deutschen Staatsschutzes durchsetzt bzw. besetzt war. ... Beispielsweise hat etwa der V-Mann Veteran Wolfgang Frenz für seine Dienste 1,6 Mio. D-Mark (!!!) an Bargeld und sogenannter Spesenabgeltung erhalten, dies als Ausgleich für seine Tätigkeit als führendes Mitglied der NPD, deren Gründung nach seiner Aussage ohne die Gelder des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfahlen gar nicht stattfinden hätte können.“ (aus Stellungnahme Rechtsanwaltskammer zum PStSG, 12.5.2015)
  • weil die über die BürgerInnen gesammelten Daten lt. §13 Z1 bis zu sechs Jahre nach Ablauf der Ermächtigung gespeichert werden können (z.Vgl.: das ist 12 Mal länger als bei der wegen Menschenrechtsbedenken aufgehobenen Vorratsdatenspeicherung!)
  • weil das PStSG die Weitergabe von Daten an ausländische Geheimdienste ermöglicht

Bild von der Protestaktion im Juli 2015Die  Auswirkungen eines solchen Gesetzes wären aus unserer Sicht demokratiepolitisch verheerend:

  • weil Anschwärzung, Vernaderung und Verleumdung Tür und Tor geöffnet werden.
  • weil die Kriminalisierung von politischen Engagement droht, insbesondere durch die enge Verkoppelung des PStSG mit den sogenannten „Anti-Terror-Paragrafen“ 278 ff, die aufgrund einer EU-Richtlinie in das österreichische Strafgesetz eingefügt wurden. Diese sind soweit gefasst, dass bestimmte soziale und politische Proteste (z.B. Streiks, Blockadeaktionen, ...) rasch unter Terrorverdacht geraten.
  • weil die Aushöhlung des Redaktions- und anderer anerkannter Berufsgeheimnisse droht.
  • weil ein massiver Eingriff in unsere Privatsphäre und damit in das Recht auf Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit droht. Um unabhängig und frei seine Meinung äußern zu können, politisch aktiv zu sein, demokratische Rechte leben zu können, Ideen, Innovationen kreativ für unser aller Zukunft erarbeiten und denken zu können, bedarf es eines Umfeldes frei von überbordender Überwachung, Bespitzelung und Misstrauen. Richtersprecherin Yvonne Summer: „Man muss sich vorstellen, dass dieses Gesetz Eingriffe in das Kommunikationsgeheimnis erlaubt, die nach der bisher gültigen Strafprozess-Ordnung nicht einmal mit einem Gerichtsbeschluss für zulässig erklärt werden können“. (vorarlberg.orf.at/news/stories/2715076/)

Durch das PStSG wird die Weitergabe von Daten an ausländische Geheimdienste erleichtert. Denn nun dürfen auch Informationen von Sicherheitsorganisationen sowie von Organen der Europäischen Union zur Bespitzelung verwendet und Daten im Zuge der internationalen polizeilichen Amtshilfe auch an diese übermittelt werden. Dies erhärtet die Vermutung das dieses Gesetz offenbar in engem Zusammenhang mit den Ambitionen der EU-Kommission steht, die einen eigenen „EU-Geheimdienst bis 2020 nach dem Vorbild der NSA“ (EU-Kommissarin Reding, zit. nach DiePresse, 6.11.2013) aufbauen will.

Die Solidarwerkstatt lehnt dieses Spitzelgesetz entschieden ab.

Wir fordern:Grund- und Freiheitsrechte verteidigen!

  • Keine Kriminalisierung von politischem Engagement, keine Einschränkung der Meinungsfreiheit!
  • Sicherung der Grund-und Freiheitsrechte, Schutz vor Bespitzelung unserer Lebengewohnheiten, Schutz unserer Privatssphäre wie in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung beschlossen!
  • Wahrung von Berufs- und Redaktionsgeheimnissen!
  • Keine Vorverdächtigung („pre-crime“): Für jede Überwachungsmaßnahme müssen konkrete Verdachtsmomente und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs begründet werden!
  • Ausbau der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und der Transparenz der Sicherheitsbehörden!
  • Richterliche Kontrolle statt „Selbstbevollmächtigung“ (Richtervorbehalt als Rechtsschutzgarantie)!

„Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“

Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, dass mehr Sicherheit durch Beschränkung von Freiheit gewonnen werden kann. Die Wurzeln sowohl von Unsicherheit wie Unfreiheit liegen in einer Politik und in gesellschaftlichen Strukturen, die Ungleichheit, Entsolidarisierung, Angst und Gewalt nach innen und außen anheizen:

Nein zum Bespitzelungsgesetz!Wenn wir unsere Freiheit und unsere Sicherheit schützen wollen, muss daher die Beteiligung Österreichs am Staatsterror westlicher Kriege beendet werden, die soviel Gewalt über die Menschen in anderen Ländern gebracht haben und bringen und damit Gegengewalt provozieren. Wir fordern daher eine aktive Friedens- und Neutralitätspolitik Österreichs - statt mitzumachen bei den EU-Gewaltstrukturen (Battle groups, Rüstungsamt, EU-Außendienst) und dem Aufbau neuer Überwachungsapparate.

Wenn wir unsere Freiheit und unsere Sicherheit schützen wollen, müssen wir auch im Inneren diese neoliberale Ellbogengesellschaft überwinden, die immer mehr Arbeitslosigkeit, Existenzangst und Aggressivität hervorruft und die Schere zwischen arm und reich immer weiter aufspreizt. Wir fordern daher eine Politik der Vollbeschäftigung, des Ausbaus der sozialen Sicherheit und Teilhabe für alle Menschen statt sich weiter den EU-Liberalisierungs-, Freihandels- und Spardiktaten unterzuordnen.

Nur wenn wir in der Lage sind, aus diesen Gewaltspiralen nach innen und außen auszusteigen, können wir Freiheits- und Sicherheitsbedürfnisse miteinander vereinbar machen. Hypertrophe Überwachungsmaßnahmen führen dagegen in jene Sackgasse, die Benjamin Franklin bereits vor hunderten Jahren so beschrieben hat: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“

Eveline Steinbacher
(3.12.2015)


Leisten wir gemeinsam Widerstand
gegen das PStSG!


 Wie mithelfen?

  • Unterschreiben: Petition gegen das geplante Staatschutzgesetz auf www.staatsschutz.at.
  • Kommt zu unseren Protestaktionen, helft mit auch andere zu Informieren.
  • Finanzielle Unterstützung unserer Arbeit für den Schutz unserer Grund- und Freiheitsrechte, unserer Meinungsfreiheit: IBAN: AT42 3477 7000 06274146, BIC: RZOO AT2L 777

Vielen Dank für Deine/Ihre Unterstützung!


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Aktueller Folder "Nein zum Bespitzelungsgesetz" als PDF zum herunterladen und weiterverbreiten.

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