Dient Covid 19 als Vorwand für den Ausbau des Überwachungsstaates? Hinter den Kulissen bahnt sich Gefährliches an.

Weltweit haben ca. 31 Staaten erste Versuche mit Covid19-Apps zur Kontaktverfolgung gemacht, mit unterschiedlichen technischen Voraussetzungen und Herangehensweisen. Allerdings sind die Apps bislang meist bloß eine Ergänzung zur manuellen Kontaktverfolgung. Datenschutz und die Sinnhaftigkeit einer solchen App, und auf EU-Ebene ob man eine zentrale oder dezentrale App verwenden soll, werden heftig diskutiert.

Auf EU-Ebene wird intern ein Richtungsstreit um den richtigen Ansatz für eine Corona App geführt. Die beiden Ansätze auf EU-Ebene sind das zentralisierte PPEP-PT bzw. DP-3T mit Datenverarbeitung und -speicherung auf den Smartphones der Benutzer. Zu letzterem gehört die österreichische Rotkreuz-App.

Während etwa Frankreich, Tschechien, Polen und zunächst auch Deutschland auf ein stark zentralisiertes Modell für Datenspeicherung setzten (PEPP-PT), verlangen immer mehr akademische Technikteams aus anderen EU-Staaten einen dezentralen Ansatz (DP-3T). DP-3T ist das von mittlerweile elf EU-Staaten unterstützte Konsortium. 300 Professoren europäischer Universitäten warnen in einen offenen Brief an die Politik vor zentralisierten Lösungen wie PEPP-PT, die „Formen staatlicher oder privater Überwachung mit verheerenden Folgen ermöglichen würden“.(1)

Die EU-Kommission setzte sich zunächst für eine zentralisiertes Modell ein, will nun aber zwischen den verschiedenen Ansätzen vermitteln und drängt auf Interoperabilität.

„Neue Normalität“

Nicht vergessen sollten wir auch die Aussage von Mei-Pochtler, der Beratin von Bundeskanzler Kurz, im Financial Times Interview: Als "Teil der neuen Normalität" werde jeder eine Art Corona-App haben, die Kontakte aufzeichnet und verfolgbar macht. Mei-Pochtler hat nicht gesagt, dass jeder so eine App haben muss, nur, dass jeder eine haben wird. Aber es ist ziemlich klar, was sie meint. Denn sie sagte auch, dass sich die europäischen Länder an Tools gewöhnen müssten, die "am Rand des demokratischen Modells" (2) seien.

Die scheinbar harmlose Rotkreuz-App könnte das Einfallstor sein, jene Pläne zu realisieren, die ohnehin schon lange in den Schubladen von gewissen Politeliten liegen: Bespitzelung und zentrale Speicherung unserer Bewegungsprofile und sozialen Kontakte.

Inzwischen haben rund sieben Prozent der österreichischen Bevölkerung die App heruntergeladen. Was aber noch nichts darüber sagt, ob sie auch tatsächlich verwendet wird. Eine repräsentative Umfrage im April zeigte großes Misstrauen gegenüber Stopp Corona, nur knapp jeder Fünfte zeigte sich bereit, die App auf dem eigenen Smartphone oder Tablet zu installieren. Entwickelt wurde die App vom weltweitagierenden Unternehmen Accenture. Die Kontaktverfolgung erfolgt mittels Bluetooth, die Kontakte werden dezentral gespeichert und sollen Behörden nicht rückverfolgbar sein. „Darum lasse sich schwer sagen, in wie vielen Fällen die App tatsächlich geholfen habe, möglicherweise Infizierte zu verständigen“ (3), sagte ein Sprecher des Roten Kreuzes in einem Interview zu netzpolitik.org. Die App sei eine Zusatzmaßnahme zur Kontaktverfolgung, aber kein Ersatz für manuelles Tracing.

„Lottogewinn wahrscheinlicher“

Für keinen dieser beiden Ansätze PPEP-PT bzw. DP-3T, zur Verarbeitung so heikler Datensätze wie diese Kombination aus Gesundheits- und Bewegungsdaten mit Personenbezug, gibt es bisher einen Nachweis, dass eine App tatsächlich einen Mehrwert bei der Bekämpfung einer Pandemie erbringt. Die App kann weder feststellen, ob jemanden die Hand gegeben wurde, noch ob eine kontaminierte Fläche berührt wurde.

Heftige Kritik übt ARGE Daten u.a. am zur Abstandsbestimmung eingesetzten Bluetooth, das weder für Standort-Bestimmung, noch Distanz-Messung konzipiert sei, weshalb die App-Designer eine Vielzahl von Annahmen verwenden würden, um aus der Stärke des Bluetooth-Signals die Entfernung abzuleiten. Unter Laborbedingungen würde man Genauigkeiten von etwa einem halben Meter erzielen. Nicht jedoch im realen Leben. Außerdem würden unterschiedliche Geräte, bauliche Besonderheiten, Störsignale, unterschiedlicher Ladezustand oder auch die Art der Aufbewahrung des Smartphones extrem stark die Signalstärke beeinflussen was letztlich zu Fehlinterpretationen bis zu 5 Metern führen kann. Arge Daten hält „einen Lotto-Gewinn für wahrscheinlicher“ (4), als die Tatsache, dass ein aufgezeichneter Match auch ein tatsächlicher Kontakt innerhalb von 2 Metern ist. Arge Daten warnt daher: Wer diese App nutzt riskiert früher oder später in den Verdachtskreis der Infizierten zu geraten, mit allen Konsequenzen der Bewegungsbeschränkung, zusätzlicher Tests, Isolation und Stigmatisierung. Er wird zum Risikoträger obwohl die Wahrscheinlichkeit auf Grund der Mängel dieser Apps bei 1:1000 liegt tatsächlich mit einem Infizierten in Kontakt gewesen zu sein, von der Wahrscheinlichkeit der eigenen Infektion ganz zu schweigen.

5G-gestützte Rund-um-die-Überwachung öffentlicher Räume

Wir müssen wohl davon ausgehen, dass im Hintergrund an weitergehenden Systemen der Überwachung und Kontrolle gearbeitet wird. Der Telekommunikationsausrüster Huawei und das Beratungsunternehmen Deloitte haben im März 2020 das Whitepaper „Combating COVID-19 With 5G veröffentlicht, das aufhorchen lässt. In diesem Whitepaper wird die flächendeckende Überwachung öffentlicher Räume propagiert: Dafür sollen Wärmebildkameras, die die Körpertemperatur aus der Entfernung messen können, mit Überwachungssystemen zur Bewegungsverfolgung, verkoppelt werden, die die Daten in Echtzeit an eine zentrale Überwachungseinheit weiterleitet in der Datencloud teilt. Da dabei aber eine derartige Unmenge an Daten anfallen, seien – so das Whitepaper - die bisherigen 4G-Netzwerke überfordert. Mit dem neuen 5G – dem Mobilfunk der 5. Generation – könne diese Datenflut in Echtzeit bewältigt werden. Die Schlussfolgerung des Huawei-Deloitte-„Whitepapers“: „Das ermöglicht eine Rund-um-die-Uhr Überwachung von Körpertemperatur sowie die Bild-, Bewegungs- und Kontakt-Verfolgung, sobald dies erforderlich ist.“ In China werde das bereits bei Flughäfen, Bahnhöfen und anderen vielfrequentierten Plätzen angewendet, wirbt das „White-Paper“ für dieses Konzept (5).

Das klingt ganz nach den feuchten Träume jener, die an der ständigen Verfeinerung eines umfassenden Überwachungsstaates arbeiten. Nachdem der „Anti-Terror-Kampf“ nicht mehr wirklich zu überzeugen vermag, könnte Covid den nächsten Vorwand liefern, um alle unsere Bewegungen im öffentlichen Raum zu überwachen.

„Zentralisiertes Speichern sensibler Daten“

Einen Hinweis darauf, dass die Huawei-Vorschläge nicht nur in China, sondern auch in Europa auf fruchtbaren Boden fallen könnten, liefert der EU-Industrie-Kommissar Thierry Breton: „Die Kommission schließt Maßnahmen wie das Nachverfolgen der Bewegungen von Einzelpersonen, den Einsatz von Technologie zur Bewertung des Gesundheitsrisikos einer Einzelperson und das zentralisierte Speichern sensibler Daten nicht grundsätzlich aus“ (6). Praktischerweise arbeitete Thierry Breton selbst als Lobbyist der Telekom- und Überwachungsindustrie, bevor er in die EU-Kommission wechselte. Es passt ins Bild, dass der Kommissar auch auf „den zügigen Ausbau des 5G-Netzes“ drängt (7).

Statt die Corona-Pandemie für Industrielobbyismus und Bespitzelungswahn zu nutzen, ist die EU-Kommission gut beraten, ihre katastrophale Rolle bei der Ruinierung des Gesundheitssystems vieler EU-Staaten zu hinterfragen. Wir brauchen einen Ausbau unseres Gesundheitswesens und nicht des Spitzelstaates!

Eveline Steinbacher

Anmerkungen:
(1) https://fm4.orf.at/stories/3001705/
(2) https://www.derstandard.at/story/2000117266318/kurz-beraterin-pocht-auf-corona-app-fuer-alle
(3) https://netzpolitik.org/2020/was-deutschland-von-der-welt-lernen-kann/
(4) http://www.argedaten.at/php/cms_monitor.php?q=PUB-TEXT-ARGEDATEN&s=65092ggr
(5) https://www.dropbox.com/s/fy7nto547ik64if/Whitepaper%20Deloitte%20Huawei.pdf?dl=0
(6) OÖ-Nachrichten, 9.4.2020
(7) Wiener Zeitung, 19.1.2020