ImageDurch das Engagment von hunderttausenden Menschen konnte ACTA verhindert werden. Ein großer Erfolg! Doch die EU-Kommission könnte versuchen, es über die Hintertüre wieder hereinzumogeln.

Still, heimlich, leise. Nicht nur der Fiskalpakt, der ESM und nun CETA wurden und werden stil
l, heimlich, leise ausverhandelt. Auch ACTA wurde von den Ministern unterschrieben und sollte vom EU-Parlament abgenickt werden. Doch im Gegensatz zu EU-Fiskalpakt und ESM, die durchgewunken wurden, gelang es, ACTA zu verhindern. Das ist dem Engagement vieler zu verdanken, die zu hunderttausenden europaweit auf die Straße gingen und sich zu Millionen an Aktionen im Internet beteiligten.

Das Handelsabkommen ACTA („Anti-Counterfeiting Trade Agreement“) wurde in jahrelangen Geheimverhandlungen zwischen der E
U, den USA, Japan, Kanada, Australien, Südkorea, Neuseeland, Singapur, Marokko, der Schweiz und Mexiko ausgehandelt, es sollte privatrechtliche Verfahren bei Urheberrechtsverletzungen in strafrechtliche umwandeln. D.h. Teilen im Internet, der Nachbau billiger Medikamente(Generika) u.v.m. sollten kriminalisiert werden. Mit einem Ziel: die Ausweitung der Kommerzialisierung des „geistigen Eigentums“. Nutznießer: die Minderheit der multinationalen Konzerne, der Rechteverwerter, der Pharma-, Saatgut-, Software- sowie der Unterhaltungsindustrie, deren wirtschaftliche Individualinteressen ACTA sichern sollte, nicht jedoch den Interessen der Menschen nützt. Grundrechte? Menschenrechte? Freiheit? What shalls - Hauptsache der Pegel im Geldspeicher der Nutznießer steigt und die Bedürfnisse der Aktionäre, Rechteverwerter und Konzerne werden befriedigt.

Vie
le Menschen haben in Massenprotesten mit ihrem großartigen Engagement die Abgeordneten letztendlich zur Ablehnung von ACTA im EU-Parlament am 4. Juli bewegt, mit 478 Nein- zu 39 Ja-Stimmen und 165 Enthaltungen. Ein Erfolg für die Menschen. Ein positives Zeichen - dass es sich lohnt, sich gemeinsam und solidarisch für die eigenen Rechte zu engagieren.

ACTAs Geist lebt, in IPRED 2, CETA & Co.

Doch auch wenn ACTA gekippt wurde, heißt es weiter wachsam zu bleiben. Die EU-Kommission wartet nun das EuGH-Gutachten ab, mit dem 2013 gerechnet wird. Handelskommissar De Gucht erwartet, „dass der EUGH ACTA als voll in Übereinstimmung mit den EU-Verträgen bewerten wird", und dann würde er eine zweite Aufforderung an das Parlament richten, seine Zustimmung zu geben... (http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH%2F12%2F477&format=HTML). Die EU-Kommission will bereits in ein paar Monaten die Neuauflage der EU-Richtlinie für den Schutz der Rechte an geistigem Eigentum, kurz IPRED2, vorstellen. Dahinter verbergen sich Regeln, wie Musik, Literatur, Medikamentenrezepturen und sonstige intellektuelle Leistungen besser geschützt werden sollen. Und es findet sich u.a. wieder, was ursprünglich schon in ACTA anklang: Strafmaßnahmen gegen diejenigen, die illegal Inhalte im Internet kopieren oder verbreiten, die Möglichkeit der Überwachung des Internets durch private Unternehmen.

CETA (Comprehensive Economic Trade Agreement), ein
europäisch-kanadisches Handelsabkommen, gelangte kürzlich dank des Blogs von Dr. Michael Geist an die Öffentlichkeit. Der kanadische Rechtsprofessor entdeckte im direkten Vergleich, dass viele Passagen in CETA einfach aus ACTA übernommen wurden.
Wie schon ACTA wird CETA geheim verhandelt und die E
U-Kommission verweigert Auskünfte. Die bisher einzige Reaktion von John Clancy, Sprecher von Handelskommissar Karel De Gucht, am 11.7. via Twitter: ... "die Artikel 27.3 und 27.4 zum Internet sind nicht mehr Teil des aktuellen CETA Textes"... Was aus den anderen ACTA-ähnlichen Teilen wird, bleibt vorerst unklar.

Michael Geist schätzt, dass das Abschreiben bei ACTA unter Befürwortern einer strikten Rechtedurchsetzung bei bi- oder multilateralen Handelsvereinbarungen Schule machen wird, wie bereits im derzeit zwischen Pazifik-Anrainern beratenen
"Trans-Pacific Partnership" (TPP). Netzaktivist Markus Beckedahl zeigt sich wenig überrascht, "weil sowohl Kanada als auch die EU bei Acta dabei waren". Und weiter:  ... „auch wenn Acta tot ist, die Ideen dahinter wie eine Echtzeitüberwachung des Internets, Netzsperren und 3-Strikes-Lösungen werden ständig wiederkommen auf allen Ebenen."

Eveline Steinbacher