... singt der Austrobarde Wolfgang Ambros in seinem Lied „A Mensch möcht i bleibn“. Doch „a Geheimnis zu habn“, Privates privat zu halten, wird in Zeiten wo Ängste geschürt und Sicherheit vor Freiheit die Devise ist, schwieriger. In Österreich sollen mit dem Polizeilichen Staatsschutzgesetz (PStSG) die Geheimdienste umfassende Befugnisse zum Bespitzeln der BürgerInnen bekommen.
Wir lehnen das geplante PStSG u.a. deshalb ab,
- weil Körperschaften öffentlichen Rechts (AK, WK, ÖH, Sozialversicherungen,...), Behörden, Beförderungsunternehmen, Telekommunikationsdienste und sonstige Dienstanbieter zur Kollaboration bei der Bespitzelung mit dem Bundesamt verpflichtet werden.
- weil es Bespitzelung ohne richterliche Kontrolle erlaubt - vielmehr soll sich die Behörde in Form eines „Rechtsschutzbeauftragten“ selbst kontrollieren. Gerät beispielsweise eine Person oder Gruppierung ins Visier der Behörden, müssen Telekom-Firmen und Provider jederzeit Standortdaten von Handys und Internetzugangsdaten ohne Gerichtsbeschluss liefern. Ob ein Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre eines Betroffenen auch im Einzelfall verhältnismäßig ist, wird nicht mehr überprüft, wenn die Genehmigung zur Bespitzelung einer Gruppe insgesamt vorliegt.
- weil es auch den Einsatz von bezahlten V-Leuten, also von Spitzeln vorsieht, die in Gruppen eingeschleust werden sollen. Wohin das führt zeigt die Rechtsanwaltskammer anhand der neofaschistischen Partei NPD in Deutschland auf: „Der Einsatz von sogenannten ‚V-Leuten‘ ist insbesondere auch im Hinblick auf das gescheiterte Verbot der NPD in Deutschland problematisch. Bekanntlich scheiterte das diesbezügliche Verbot in Deutschland daran, dass ca. die Hälfte der Führungsriege der NPD in Deutschland mit sogenannten ‚V-Leuten‘ des Deutschen Staatsschutzes durchsetzt bzw. besetzt war. ... Beispielsweise hat etwa der V-Mann Veteran Wolfgang Frenz für seine Dienste 1,6 Mil D-Mark (!!!) an Bargeld und sogenannter Spesenabgeltung erhalten, dies als Ausgleich für seine Tätigkeit als führendes Mitglied der NPD, deren Gründung nach seiner Aussage ohne die Gelder des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfahlen gar nicht stattfinden hätte können.“ (aus: Stellungnahme Rechtsanwaltskammer zum PStSG, 12.5.2015)
- weil gesammelte Daten von BürgerInnen lt. §13 Z1 bis zu sechs Jahre nach Ablauf der Ermächtigung gespeichert werden dürfen (12 Mal länger als bei der wegen Menschenrechtswidrigkeit aufgehobenen Vorratsdatenspeicherung!)
In Österreich sollen nun 10 Inlands-Spitzeleinheiten mit umfangreichen Befugnissen geschaffen werden. Gerhard Reissner, Vizepräsident der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter, kritisiert „Hier werden zehn Geheimdienste ohne entsprechende Kontrolle geschaffen“. Durch die Unübersichtlichkeit der Paragrafen und Zuständigkeiten sei vieles so schwammig, „dass man das immer in Anspruch nehmen kann“. Es sei zudem „eigentlich ‚schizophren‘ dass es mit dem Argument des Staatsschutzes keine richterliche Kontrolle gibt, bei ‚normalen‘ Verbrechen aber schon“.
Durch das PStSG wird die Weitergabe von Daten an ausländische Geheimdienste erleichtert. Denn nun dürfen auch Informationen von Sicherheitsorganisationen sowie von Organen der Europäischen Union zur Bespitzelung verwendet und Daten im Zuge der internationalen polizeilichen Amtshilfe auch an diese übermittelt werden. Dies erhärtet die Vermutung das dieses Gesetz offenbar in engem Zusammenhang mit den Ambitionen der EU-Kommission steht, die einen eigenen „EU-Geheimdienst bis 2020 nach dem Vorbild der NSA“ (EU-Kommissarin Reding, zit. nach 06.11.2013, DiePresse.com) aufbauen will.
Futter für die Geheimdienste
Dass ein solcher EU-Geheimdienst angestrebt wird, darauf weist auch der Gleichklang in EU-Europa hin, mit dem derzeit solche oder ähnliche Spitzelgesetze eingeführt werden. Einige Beispiele:
In Tschechien wurde vom Abgeordnetenhaus ein Gesetz verabschiedet ... das Steuer-, Fernmelde- und Bankgeheimnis einzuschränken. ... Im Bereich Telekommunikation dürfen dort die Dienste demnächst mehr Daten abschöpfen – ohne richterliche Genehmigung (Prager Zeitung, 16.7.2015).
Ein neues Gesetz ermächtigt die französischen Geheimdienste u.a. dazu Internet-Metadaten mithilfe von Black Boxes zu speichern, die die Geheimdienste bei Internet-Providern aufstellen dürfen – ohne Gerichtsbeschluss. Außerdem dürfen in großem Stil Verbindungsdaten mithilfe von Algorithmen ausgewertet werden, um eine "terroristische Bedrohung" aufzudecken. Neben der Terrorbekämpfung und "wichtigen außenpolitischen Interessen" ist dort beispielsweise auch von "industriellen und wissenschaftlichen Interessen" die Rede und der "Abwehr von Angriffen auf Institutionen der Republik".
In Deutschland wurde ein Gesetz zur großflächigen und anlasslosen Überwachung des Straßenverkehrs erlassen und ein "Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes" der die Zusammenarbeit der 19 deutschen Geheimdienste untereinander, mit der Polizei, dem Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik und mit ausländischen Stellen, regelt. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Voßhoff dazu: "Bisherige Schranken für die Datenverarbeitung in zentralen Dateien fallen zu großen Teilen weg."
Welche Konsequenzen und Gefahren sich für kritische NGOs, Gewerkschaften, engagierte Menschen aus derartigen Gesetzen ergeben können zeigt Spaniens neues „Gesetz zum Schutz des Bürgers“, im Volksmund „Knebelgesetz“ (ley mordaza). Durch dieses Gesetz können unangemeldete Versammlungen und Demonstrationen vor öffentlichen Gebäuden mit bis zu 30.000 Euro und Protestaktionen innerhalb öffentlicher Gebäude mit bis zu 600.000 Euro geahndet werden. Wer unautorisiert Bilder oder Videos von Sicherheitskräften verbreitet, muss ebenfalls mit Strafen von über einer halben Million Euro rechnen.
Freiheit statt Angst
Als Solidarwerkstatt fordern wir:
- Keine Kriminalisierung von politischen Engagement,
- Keine Einschränkung der Meinungsfreiheit
- Sicherung der Grund-und Freiheitsrechte, Schutz vor Bespitzelung unserer Lebensgewohnheiten, Schutz unserer Privatsphäre wie in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung beschlossen
- Wahrung von Berufs- und Redaktionsgeheimnissen
- Keine Vorverdächtigung („pre-crime“): Für jede Überwachungsmaßnahme müssen konkrete Verdachtsmomente und die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs begründet werden.
- Ausbau der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und der Transparenz der Sicherheitsbehörden
- Richterliche Kontrolle statt „Selbstbevollmächtigung“ (RichterInnenvorbehalt als Rechtsschutzgarantie)
Bespitzelungsgesetze wie das PStSG legen den Grundstein für die Einschränkung der Meinungsfreiheit und des politischen Engagements. Wehren wir uns, bevor es zu spät ist!
Eveline Steinbacher
"Zu sagen mich interessiert die Überwachung nicht, denn ich habe nichts zu verbergen,
ist als würde man sagen, mich interessiert die Meinungsfreiheit nicht, denn ich habe keine Meinung."
(Edward Snowden)
Bespitzelungsgesetz - Nein Danke!