Aufgrund des österreichischen Durchsetzungsmodus der neuesten Mobilfunktechnik 5G staunt selbst die chinesische Staatsführung. Und diese ist selbst nicht gerade zimperlich bei ihrer Durchsetzung kommandowirtschaftlicher Vorgaben.


Der 20. Jänner 2020 ist für alle Österreicherinnen ein merkwürdiges Datum, an diesem Tag ging folgende Meldung durch die Medienlandschaft: „Im Rahmen einer Pressekonferenz gemeinsam mit Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte A1 das größte 5G-Netz für den österreichischen Markt an“ (1). Der größte Mobilfunkbetreiber Österreichs gibt mit dem neuen alten Bundeskanzler Sebastian Kurz in kommandowirtschaftlicher Weise den Medien bekannt, Österreich wird ein flächendeckendes Experimentierfeld für 5G: „Ab 25. Jänner 2020 werden 350 5G Standorte in 129 Gemeinden in ganz Österreich in Betrieb genommen.“

A1 Telekom Austria Group CEO Thomas Arnoldner, meinte bei der Pressekonferenz gemeinsam mit Sebastian Kurz: „5G ist die Basis der künftigen Digitalisierung Österreichs und wird ungeahnte Möglichkeiten für neue Dienste und Anwendungen eröffnen. Als A1 haben wir uns bei der ersten 5G Auktion 2019 die beste Frequenzausstattung sichern können. In Kombination mit unserem Glasfasernetz resultiert dies nun im größten 5Giganetz. Wir sehen uns als Treiber und Wegbegleiter der Digitalisierung, wir geben den Takt vor und unterstützen damit Industrie, Wirtschaft und Private gleichermaßen.“

Im Schönsprech meinte der Bundeskanzler Kurz zum 5G Ausbau: „Wir haben das Ziel, Österreich zu einer der führenden Digitalnationen Europas zu machen.“

Wer entscheidet?

Es stellt sich die Frage, wer die Einführung eines 5G Mobilfunknetz beschlossen oder bewilligt hat? Sind die Gemeinden, sind die BürgerInnen in den Gemeinden dazu befragt worden? Würden sie diesem Großflächenversuch zustimmen, obwohl die Auswirkungen auf die Gesundheit und Umwelt durch zusätzliche Funkwellen und Strahlung keineswegs erforscht sind, obwohl viele MedizinerInnen davor warnen? Natürlich nicht, denn wo kämen wir hin, wenn der Souverän bei solchen Entscheidungen mitbestimmen darf. Die politischen Eliten würden damit ja ein zweites Zwentendorf riskiert.

Das für viele unbekannte „Forum Mobilkommunikation“ (FMK) hat mit dem Gemeindebund, einer freiwilligen Vertretung der an sich autonomen Gemeinden, eine Vereinbarung für den flächendeckenden 5G-Ausbau abgeschlossen. Freiwillig oder unfreiwillig kann ich nicht beurteilen. Umfassend informiert oder uninformiert, kann ich sehr wohl beurteilen. Ich als Gemeinderat habe jedenfalls in unserer Gemeinde weder den Bürgermeister noch andere beauftragt, solche Vereinbarung mit dem Forum Mobilkommunikation abzuschließen. Beschlüsse im Gemeinderat sind mir dazu nicht bekannt. Aufgrund des Autonomiestatus aller Gemeinden, der in der Verfassung verankert ist, bin ich bestürzt, dass nicht jede einzelne Kommune, aber auch jeder einzelne Gemeinderat autonom über die Einführung von 5G weisungsfrei entscheiden kann.

Neoliberale, konzerngetriebene Kommandowirtschaft

Es geht sogar den kommandowirtschaftlichen Umständen entsprechend in Österreich so weit, dass keineswegs in den Gemeinden angefragt werden muss, ob der Erweiterung des Mobilfunknetz auf 5G auf dem jeweiligen Gemeindegebiet zugestimmt wurde. In einer OTS0120 Meldung vom 14. Jan. 2020, 13:05 wird lapidar festgestellt:                                                                                               

„Österreichs Mobilfunkindustrie hat über das FMK die so genannte 'Gemeindebundvereinbarung“'abgeschlossen. Die Gemeindebundvereinbarung stellt sicher, dass Gemeinden zeitnah und umfassend über Bauvorhaben der Mobilfunknetzbetreiber informiert werden.“

„Sie regelt die transparente Kommunikation bei Bauvorhaben von neuen Mobilfunkstationen über das Baurecht hinaus. Auch werden alle technischen Daten, individuelle Datenblätter und Immissionsberechnungen, weit über die im TKG definierten Anforderungen hinaus, den BürgermeisterInnen der Gemeinden zur Verfügung gestellt.“

Was schön klingt, heißt unter dem Strich: Ihr werdet informiert, zum Mitreden oder Mitentscheiden habt ihr gar nix. So kritisiert der Bürgermeister von Ebenau, Johannes Fürstaller: „Wir als Gemeinde müssen bei der Installation von 5G nicht einmal gefragt werden!“ Dienstleister können die Sender auf öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kindergärten ohne Zustimmung betreiben. „Wir verlieren damit die Hoheit über unser Gemeindegebiet“ (Kronenzeitung, 20.8.2019).

Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant zu wissen, wer oder was dieses „Forum Mobilfunkkommunikation“ (FMK) ist, welches den Gemeinden die Richtung vorgibt. Die Homepage der FMK gibt dazu erhellende Auskunft.

„Das FMK wurde als freiwillige Interessensvertretung der österreichischen Mobilfunkbranche im Netzwerk des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) im Jahr 1996 gegründet. Zu den FMK-Mitgliedsunternehmen zählen aktuell A1 Telekom Austria, Huawei, Hutchison Drei Austria, ms-CNS, Nokia Solutions und Networks Österreich, Samsung, Sony Mobile, SPL Tele, Magenta Telekom, ZTE sowie der FEEI, die dadurch ihren verantwortungsvollen Umgang mit Mensch, Technologie und Umwelt unterstreichen.“ (2)

Hinter der FMK steht also das Who ist Who der einschlägigen Telekom-Konzerne. Wie schon bei der vom Rechnungshof heftig kritisierten Smart Meter-Einführung zeigt sich eine demokratiefeindliche Verfilzung von Politik und Industrieinteressen – eine Form der neoliberalen, konzerngetriebenen Kommandowirtschaft, die über Demokratie und Selbstbestimmung der Menschen drübertrampelt.

„Keine Versuchskaninchen“

Zweiflern gegenüber der Mobilfunkgeneration 5G wird in den Medien „Dummheit“, „Unwissenheit“, „Panikmache“ oder „Technikfeindlichkeit“ vorgeworfen. Bist du nicht mein Freund, so bist du mein Feind! So haben wir es schon beim Überwachungszähler Smart Meter erlebt. Und es wird weiterhin lebhaft praktiziert. Wer sich die riesigen, sündteuren Inseratkampagnen der Telekomindustrie in den Medien anschaut, bekommt eine Ahnung von der „Objektivität“ unserer Medienlandschaft.

Über 200 Ärzte aus 36 Nationen warnen eindringlich vor der Einführung von 5G (2). Sie fordern ein 5G-Moratorium, da wissenschaftlich nicht bewiesen ist, dass die Mobilfunkgeneration 5G zu keinen Schäden an Mensch und Umwelt führt.

Dass es auch PolitikerInnen gibt, die solche Warnungen ernst nehmen, zeigt die belgische Umweltministerin Céline Fremault. Die Ministerin stellt sich schützend vor ihre BürgerInnen, wenn sie öffentlich aussagt: „Ich kann eine solche Technik nicht zulassen, wenn die Strahlungsstandards, die die Bürger schützen sollen, nicht beachtet werden – 5G hin oder her. Die Brüsseler sind keine Versuchskaninchen, deren Gesundheit ich aus Profitgründen verkaufen kann."(3)

Nicht alle Teile der Industrie und Wirtschaft sehen die Milliarden an Euros, welche in die 5G-Infrastruktur in Österreich, die halbe Billion Euro, welche in Europa investiert werden soll, als sinnvolle oder gar gewinnbringende Infrastruktur an. Schon gar nicht, wenn so wie der neue alte Bundeskanzler Sebastian Kurz zum 5G Ausbau meint: „Wir haben das Ziel, Österreich zu einer der führenden Digitalnationen Europas zu machen. Dafür braucht es eine flächendeckende Breitband-Versorgung in ganz Österreich. Wir wollen, dass vor allem der ländliche Raum von dieser Entwicklung profitiert.“ (4)

Das wird in den Augen von Unternehmen eine schwierige Aufgabe werden, wenn keine öffentlichen Gelder dafür zur Verfügung stehen. Und mehr öffentliche Ausgaben kommen bekanntlich rasch in Gegensatz zur von der EU auferlegten Sparpolitik. Oder steht für 5G das Geld zur Verfügung, das bei Bildung, Gesundheit, Pensionen und öffentlicher Infrastruktur, also bei den Menschen direkt, gekürzt wird?

Campuslösung statt flächendeckendem 5G-Ausbau

Einen interessanten Aspekt von lokal begrenzter Anwendung des 5G liefert ein Welser Energieunternehmen in einer Betriebsinformation vom 20.01.2020 an ihre Kundinnen.

„Unternehmen, die im globalen Wettbewerb auch künftig auf der Überholspur unterwegs sein wollen, brauchen ein 5G-Campus-Netz. Davon bin ich aufgrund unserer Erfahrung mit dieser Mobilfunk-Technologie überzeugt“, sagt DI Bernhard Peham, Bereichsleiter eww ITandTEL.

Gemeint ist damit, dass räumlich und örtlich begrenzte zur Verfügung stellen, der Mobilfunktechnik 5G auf vorab definierte Areale und Anwendungsbereiche. DI Berhard Beham führt erklärend aus:

„Die Daten bleiben innerhalb des eigenen Netzes und verlassen das Unternehmen nicht. Zugriffe von außen sind nicht möglich, firmeninterne und damit sensible Daten sind also bestens geschützt. Umgekehrt freilich ist das private Funknetz an das normale Mobilfunknetz angebunden, damit Firmen mit Partnern, externen Dienstleistern oder Zulieferern kommunizieren können. Außerdem bestimmt ausschließlich der Kunde, welches Endgerät ans Netz angeschlossen wird und welches nicht."

Das kann insofern Sinn machen, da nicht flächendeckend eine 5G Mobilfunkinfrastruktur geschaffen werden muss, die für die große Zahl der EndkundInnen keine wirklichen Vorteile bringt. Ein ausschließlich auf Betriebsareale, Businessbereiche oder Forschungseinrichtungen räumlich reduziertes 5G Netz kann durch Vernetzung mittels Glasfaserverbindungen für die Wirtschaft ein kostengünstigeres Erfolgsmodell werden.

„Damit werden Unternehmen in Zukunft sogar ihre eigenen virtuellen 5G-Netze aufbauen und damit mehrere Standorte zusammenschalten können. Und zwar ihren hohen Ansprüchen hinsichtlich Funktionalität, Exklusivität und Sicherheit entsprechend.“, so DI Bernard Peham.

Aber auch hier gilt: Alle Bedingungen des Arbeitnehmerinnenschutz, alle definierten MAK (maximale Arbeitsplatz Konzentration) Werte müssen eingehalten und über betriebliche und überbetriebliche Vereinbarungen im dazu zukünftig erstellten Rechtsrahmen des Arbeitnehmerinnenschutz abgesichert werden.

5G-Moratorium jetzt!

Ich gehe aber davon aus, dass ohne die Menschen ein Wirtschaften nicht leicht möglich sein wird. Das allgemeine Interesse am Erhalt der Gesundheit und am Schutz der Umwelt ist die unabdingbare Basis für Vertrauen und Nutzung von Technik. Eine kommandowirtschaftliche Vorgabe, um Konzerninteressen zu bedienen, ist dafür nicht geeignet.

In diesem Sinne fordern wir ein Moratorium bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem der wissenschaftliche Beweis erbracht wurde, dass die neue Mobilfunkgeneration weder unserer Gesundheit noch der Umwelt Schaden zufügen wird. Zudem muss der Nachweis einer raumordnungspolitischen Verträglichkeit erbracht werden. Ob zudem die Mobilfunkgeneration 5G und ihre Infrastruktur von der Energiebilanz her den Pariser Klimazielen entspricht, dieser Nachweis sollte für die Öffentlichkeit eine Selbstverständlichkeit darstellen.

Und wir brauchen eine demokratische Debatte über eine gesellschaftliche Kosten-Nutzenrechnung, ob wirklich Unsummen von Geldern in eine Technologie mit fragwürdigen Nutzen investiert werden sollen – oder ob angesichts der großen Herausforderungen, vor der wir heute stehen – Umweltzerstörung, Klimakrise, tiefe soziale Spaltungen – nicht Investitionen in anderen Bereich Vorrang haben sollten.

Rudolf Schober
(26.1.2020)

Anmerkungen:

1.http://press24.net/news/19839749/a1-startet-am-25-j-nner-5g-netz-in-129-gemeinden

  1. http://kompetenzinitiative.net/KIT/wp-content/uploads/2017/09/Scientist_5G-Appeal_de_sept_2017.pdf
  1. https://www.t-online.de/digital/smartphone/id_85555326/5g-netz-versuche-in-genf-und-bruessel-wegen-strahlung-gestoppt.html
  1. https://www.horizont.at/home/news/detail/a1-kuendigt-groesstes-5g-netz-oesterreichs-an.html