Die täglichen Neuinfektionenen, die Zahl der IntensivpatientInnen und der Corona-Toten steigt massiv an. Das macht entschlossene Gegenmaßnahmen notwendig. Während die Regierung mit dem (Teil-)Lockdown versucht, die Ausbreitung des Virus zu drosseln, bleiben die Maßnahmen der Regierung gegen die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie immer noch dürftig.

Mitte September waren von den 28 Milliarden im Corona-Krisenbewältigungsfonds erst 2,3 Milliarden (8%) ausbezahlt. Seit zwei Monaten befindet sich der Fixkostenzuschuss II in der Warteschleife, weil sich die Regierung nicht traut, endlich die ständige Gängelung durch die EU-Kommission zurückzuweisen. Das trifft vor allem Klein- und Mittelbetriebe. Es bleibt zu hoffen, dass zumindest der jetzt versprochene Umsatzentgang rasch und unbürokratisch ausbezahlt wird.

Arbeitslosengeld sofort und dauerhaft erhöhen!

Die Regierung verweigert nach wie vor eine sofortige und dauerhafte Anhebung der in Österreich besonders niedrigen Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55%. Einmalige Almosenzahlungen dienen dazu, jetzt die Forderung nach einer dauerhaften Erhöhung für alle abzublocken, um später ein „degressives“ Arbeitslosengeld auf Schiene zu bringen, wie das die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer angekündigt hat. Das heißt: Das Arbeitslosengeld soll mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit immer weiter absinken. Damit soll durchgesetzt werden, worauf Industriellenvereinigung und EU-Kommission schon lange drängen: Druck auf Langzeitarbeitslose, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten, um einen Niedriglohnsektors a´la Hartz 4 in Deutschland auszuweiten. Außerdem zeichnet sich ab, dass diese Einmalzahlungen für Arbeitslose mit Verschlechterungen für PensionistInnen – Abschaffung der Hacklerpension – verknüpft wird.

Auch die von der Coronakrise hart getroffenen Studierenden werden im Stich gelassen. Statt diese in der Covid-Krise zu unterstützen (z.B. Studiengebührenbefreiung), sollen mit der geplanten Novellierung des Universitätsstudiengesetz neue Hürden für das Weiterstudieren errichtet werden.

Deckelung der Gesundheitsausgaben beseitigen!

Um eine Überlastung der Spitäler zu vermeiden, ist es jetzt notwendig, die Neuinfektionen zu senken. Innerhalb kurzer Zeit können nicht Intensivkapazitäten, für die hoch qualifiziertes Personal benötigt wird, ausgebaut werden. Gleichzeitig müssen aber sofort auch die Weichen dafür gestellt werden, dass die Spar- und Kürzungspolitik im Gesundheitsbereich endgültig der Vergangenheit angehört. Einige besonders wichtige Punkte:

  • Unter dem Druck des EU-Fiskalpakts würde 2012 die Deckelung der Gesundheitsausgaben eingeführt. Das hatte Folgen: Über 4.500 Akutbetten sind seither abgebaut worden. Das rächt sich jetzt in der Pandemie bitter. Eine Regierung, die hier nicht endlich umsteuert und sofort diese skandalöse Gesundheitsdeckelung aufhebt, bleibt heuchlerisch, wenn sie vom Schutz unserer Gesundheit redet. Davon ist immer noch nichts zu hören, im Gegenteil: Die SPÖ hat aufgedeckt, dass der Bundesbeitrag zu den Spitälern im kommen Jahr um 130 Millionen sinken soll. Der Deckel muss endlich weg! (Hier zur Petition "Weg mit dem Deckel!")
  • Ebenso muss die finanzielle Aushungerung der Gesundheitskasse und der Unfallversicherung beendet worden, die durch die vermurkste türkis-blaue „Reform“ verursacht wurde. Gerade der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kann entscheidend zur Corona-Prävention beitragen, wie die vielen Cluster in prekären Arbeitsverhältnissen gezeigt haben.
  • Auch der Pflegenotstand muss sofort in Angriff genommen werden, indem die Pflege in die Sozialversicherung integriert wird. Die bisherige Antwort von Gesundheitsminister Anschober dazu: „In dieser Gesetzgebungsperiode nicht mehr“ (Kurier, 5.9.2020). Das ist unverantwortlich und kurzsichtig – denn der Schutz älterer und pflegebedürftiger Menschen hängt maßgeblich davon ab, ob es uns gelingt, gute Pflege für alle, also unabhängig von der Größe der Brieftasche, zu organisieren.
Mundschutz ja – Maulkorb nein!

So notwendig jetzt entschlossene Maßnahmen für den Gesundheitsschutz sind, so müssen wir doch immer auf der Hut sein, dass diese nicht zum Abbau demokratischer Grundrechte führen. Erinnern wir uns zurück: Auch im Frühjahr versuchte die Regierung, unsere Grund- und Freiheitsrechte im Lockdown zu behalten, während die Einkaufstempel bereits aufgesperrt wurden. Der energische Protest der Zivilgesellschaft und der Verfassungsgerichtshof haben dieser ungerechtfertigten Ungleichbehandlung ein Ende bereitet. Dieser Erfolg wirkt bis heute: Die Regierung getraute sich jetzt nicht mehr, das Demonstrationsrecht anzutasten. Doch auch jetzt gibt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung: Gemeinsames Arbeiten in Werkshallen oder Büros, gemeinsame Gottesdienste in der Kirche, das Abhalten von Parteiversammlungen, das alles ist erlaubt, wenn bestimmte Bedingungen - Abstand, Maske – eingehalten werden. Gleiches gilt jedoch nicht für Zusammenkünfte der Zivilgesellschaft, auch wenn dieselben Hygieneregeln eingehalten werden. Die Solidarwerkstatt wird dafür kämpfen, dass die Eindämmung der Pandemie unter Wahrung der demokratischen Grundrechte erfolgt. Politische Veranstaltungen der Zivilgesellschaft sind ein Grundrecht! Mundschutz ja – Maulkorb nein!

Dubiose CVV-Bewegung

Wir dürfen nicht zulassen, dass der Schutz von Gesundheit, sozialer Sicherheit und demokratischen Rechten auseinanderdividiert wird. Jene Kräfte, die diese Politik betreiben, bekommen durch eine dubiose Corona-Verleugner- und Verharmloser (CVV)-Bewegung (un-)freiwillige Schützenhife. Diese CVV-Bewegung zeichnet sich dadurch aus, dass sie den einfachsten und unbedenklichsten Gesundheitsschutz – den Mund-Nasen-Schutz (MNS) – zum Gott-sei-bei-uns erklärt. Gerade gegen dieses Mittel, das es leicht ermöglicht, den Schutz unserer Gesundheit und unserer Freiheitsrechte miteinander zu verbinden, wird aus vollen Rohren geschossen. Völlig durchgeknallte CVV-Ideologen bezeichnen den MNS gar „als das Hakenkreuz unserer Zeit“ (siehe hier). Das ist nicht nur üble NS-Verharmlosung, das ist auch Ausdruck einer völligen Respektlosigkeit gegenüber jenen Mitmenschen, die ein hohes Risiko haben, an Covid schwer zu erkranken oder gar daran zu sterben. Es ist daher kein Zufall, dass sich viele Rechtsextreme in dieser Bewegung tummeln, denn der latente und manchmal auch offene Sozialdarwinismus der CVV-Bewegung („Sacrifice the weak!“) zieht Rechtsaußen-Strömungen magisch an.

Für jene Regierungspolitiker, die Covid als Chance sehen, „Maßnahmen am Rande des demokratischen Systems auszubauen“, ist diese CVV-Bewegung ein Geschenk. Wer autoritäre Überwachungsmaßnahmen durchsetzen will, hat nämlich kein Interesse, dass sich so gelinde Mittel wie der MNS bei der Pandemiebekämpfung durchsetzen. Im August hat die Regierung klammheimlich eine Gesichtserkennungs-Software für Massenüberwachung im öffentlichen Raum für den Regelbetrieb freigegeben. Führende CVV-Ideologen verrühren realen Gefahren mit einem derart abstrusen Irrationalismus, dass es der Regierung leichtfällt, ernsthafte Kritik an den Corona-Maßnahmen in Bausch und Bogen ins Reich der Verschwörungstheorien verbannen. Und vor allem: Die CVV-Bewegung macht einen großen Bogen um soziale Forderungen wie z.B. die Anhebung des Arbeitslosengeldes oder eine kräftige Aufstockung des Gesundheitsbudgets, die Austeritätsdiktate der EU werden nicht angetastet. Das freut die Neoliberalen in der Regierung - und in der EU-Kommission, die jetzt bereits in einem "technischen Papier" Tipps an die Regierungen verteilt, wie ab kommenden Jahr die Politik des Sozialabbaus wieder fortgesetzt werden kann (sh. Werkstatt-Blatt 3/2020).

Machen wir weiterhin auf der Straße Druck!

Es wundert daher auch wenig, dass diese CVV-„Opposition“ von den Mainstreammedien ins Rampenlicht gestellt wurde und wird. Jene Opposition dagegen, die den Schutz von Gesundheit, Demokratie und sozialer Absicherung miteinander verbindet, wird weitgehend ausgeblendet. Das betrifft etwa die Aktivitäten des Personenkomitees Selbstbestimmtes Österreich bzw. der Solidarwerkstatt. Wir werden uns davon nicht unterkriegen lassen. Gerade die Corona-Pandemie zeigt auf, wie wichtig es ist, um einen Solidarstaat Österreich kämpfen, in dem Gesundheits-, Sozial- und Demokratieschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das ist auch das beste Gegenmittel zum Irrationalismus, der in Zeiten von Existenzangst und Ohnmacht wieder einmal besonders üppig wuchert.

Kommt am Dienstag, 17. November zur Kundgebung 
Arbeitslosengeld 80% - sofort und unbefristet!
Unmittelbar vor der Nationalratssitzung von 8 bis 9 Uhr
Josephsplatz, Wien