Antifaflyer neu 2016Hier der einleitende Artikel des neuen Faltblatts der Solidarwerkstatt "Wer gegen Faschismus kämpfen will, darf vom EU-Konkurrenzregime nicht schweigen". Auf Wunsch schicken wir gerne Exemplare (auf Spendenbasis) zu. Zu bestellen unter 0732 77 10 94 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.



Faschismus ist eine Herrschaftsform aggressiver Macht- und Kapitaleliten. Seine Massenbasis sichert er, indem er ein verbreitetes rassistisches und kulturalistisches Überlegenheitsdünkel, Gewaltverherrlichung und Führerkult für seine Ziele mobilisiert. So sollen jegliche innere demokratische Opposition liquidiert und andere Territorien und Staaten unterworfen werden. Traditionell findet Faschismus seine pseudowissenschaftliche Begründung in sozialdarwinistischen Konzepten: Dem natürlichen Recht des Stärkeren.

Ende der 1970er Jahre startete ein historisch einmaliger roll-back: die neoliberale Konterrevolution. Von einer der Protagonistinnen dieses roll-backs, Margeret Thatcher, stammt der Sager: „There is no such a thing, as society!“ Der/die Einzelne müsse dem Überlebenskampf auf einem enthemmten Markt gnadenlos unterworfen werden. Begleitet und unterfüttert wurde diese Politik von philosophischen Konzepten, denen zu Folge soziale Kategorien wie Staat, Nation, Klasse, Geschlecht bloße Konstrukte seien. Als Einzelner müsse so der Mensch nicht nur um sein Überleben kämpfen, sondern um eine imaginäre individuelle Identität.

Alter Wein in „identitären“ Schläuchen

Heute treten alte Kellernazis als sogenannte "Identitäre“ auf. Sie bieten den Menschen eine „europäische Identität“ an. Damit hoffen sie, für die aggressivsten Fraktionen der europäischen, insbesondere der deutschen, Kapitaleliten, jene Sturmstaffeln mobilisieren zu können, die diese brauchen, wenn ihre Interessen nur noch über eine Haudrauf-Politik durchsetzbar werden.

Das EU-Konkurrenzregime - Ursache und Objekt dieser Entwicklung

Den Konzernen ist es gelungen, diese neoliberale Wirtschaftspolitik in den Beton des faktisch unumkehrbaren EU-Verfassungsrechts zu gießen: Alle EU-Staaten werden zu einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet“, die EU auf Freihandel und freie Kapitalmobilität nach innen und außen festgeschrieben. Auf der Grundlage von Binnenmarkt und Währungsunion wurde ein regelrechter Wirtschaftskrieg zwischen den EU-Staaten entfesselt. Der finnische Europaminister Alexander Stubb hat das offen beim Namen genannt: „Der Euro ist im Grunde eine darwinistische Währung geworden. Es gilt das Prinzip vom Überleben des Stärkeren.“ Der EZB-Chef Mario Draghi jubelt, dass in der EU „der Sozialstaat zum Auslaufmodell“ (Wallstreet-Journal, 22.3.2012) geworden ist. Zusammen mit dem Sozialstaat drohen auch die demokratischen Errungenschaften zum „Auslaufmodell“ zu werden, da die Mächtigen wissen, dass die Demontage des Sozialstaates auf demokratischem Weg kaum möglich ist.

„Jetzt regiert Angela Merkels harte Hand“

Dieses EU-Konkurrenzregime spaltet den Kontinent sozial und hierarchisiert ihn politisch – unter Führung der deutschen Eliten, die sich dank Niedriglohnpolitik besonders „erfolgreich“ im europäischen Wirtschaftskrieg durchsetzen konnten. Die deutsche Regierungspresse kommentiert euphorisch: „Jetzt regiert Angela Merkels harte Hand in Europa. Klar ist: Wenn die gemeinsame Währung weiter bestehen sollte … wird Europa deutscher werden. Mehr Kontrolle, mehr Disziplin und härtere Strafen.“ (Die Welt, 28.11.2011). Diejenigen Staaten, die im EU-Konkurrenzkampf unterliegen, kommen völlig unter die Räder: „Das griechische Volk kann wählen, was es will – wirklich ändern kann es nichts“, charakterisiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung (30.6.2011) die postdemokratischen Verhältnisse in EU-Europa. Die Tragödie der Syriza-Regierung in Griechenland hat das brutal bestätigt.

„Superstaat - Supernation - Supermacht“

Die Folgen dieses neoliberalen EU-Regimes – Massenarbeitslosigkeit, soziale Existenzunsicherheit, demokratiepolitische Ohnmacht – fördern den Aufstieg rechtsextremer und rassistischer Kräfte. EU-Establishment und rechtsextreme Organisationen mögen sich manchmal vor den Kulissen streiten, dahinter spornen sie sich gegenseitig an. Sie sind zwei Seiten desselben Konkurrenzregimes. Denn die Rechtsextremen kanalisieren den sozialen Protest in rassistische Bahnen, spalten und lähmen damit den Widerstand der von Sozialabbau und Arbeitslosigkeit Betroffenen.

Zugleich leiten sie Wasser auf die gefährlichsten Ambitionen des EU-Establishments: die wachsende Militarisierung nach innen und außen. Diese manifestiert sich in einem ausuferndem Überwachungsstaat nach innen, einem unmenschlichen Grenzregime gegenüber Flüchtlingen und dem zügigen Aufbau von militärischen Kapazitäten für die globale Kriegsführung im Interesse der großen Industrie- und Finanzkonzerne. Mit dem EU-Vertrag von Lissabon wurde sogar die Verpflichtung zur ständigen militärischen Aufrüstung für jeden EU-Staat in Verfassungsrang erhoben. James Rogers, geostrategischer Berater des Europäischen Rates, hat den machtpolitischen Kern von EU-Europa prägnant zusammengefasst: „Die Europäische Union muss ein Superstaat und eine Supernation werden, was sie dann wiederum in die Lage versetzt, eine Supermacht zu werden.“ (Group on Grand Strategy, 2011) Die extreme Rechte liefert die Ideologie für eine deutsch geführte EU-Supermacht. Die sog. „Identitären“ beschwören die „Nation Europa“, die FPÖ fordert die weitere Zentralisierung der EU-Außen- und Militärpolitik. Mit der EU wird nicht der Nationalismus überwunden, sie setzt vielmehr den brandgefährlichen Chauvinismus und Herrenmenschendünkel einer Supermacht frei. Dieses EUropa der Konzerne und Militärs ist nicht das Gegengift, sondern die Brutstätte des überall in Europa aufkeimenden Rechtsextremismus.

„ ... als Demokratien verschwinden“

Länder, die sich den neokolonialen Ambitionen und Freihandelsdiktaten der EU nicht bereitwillig unterordnen, werden – wie z.B. Jugoslawien, Libyen – mit Bomben niedergemacht. In Ländern wie der Ukraine kollaborieren die EU-Eliten offen mit neofaschistischen Kräften, in Syrien werden fundamentalistische Gotteskrieger mit westlichen Waffen überhäuft. Menschen, die sich in den EU-Staaten diesem Konkurrenzregime entgegen stellen, wird offen mit Gewalt gedroht. So stellte der ehem. EU-Kommissionspräsident Barroso den Gewerkschaften in südeuropäischen Staaten die Rute ins Fenster: „Schaut, wenn sie nicht diese Sparpakete ausführen, könnten diese Länder tatsächlich in der Art, wie wir sie als Demokratien kennen, verschwinden. Sie haben keine Wahl, so ist es.“ (EU-Observer, 14.06.2010) Wo es keine Wahl gibt, gibt es freilich auch keine Demokratie.

„Höchst subtile Form des Faschismus“

Der Friedensforscher Robert Jungk hatte bereits Anfang der 90er Jahre diese Entwicklung geahnt, als er als grüner Präsidentschaftskandidat den Beitritt Österreichs zur EG/EU mit folgenden Worten ablehnte: „Die EG/EU ist eine höchst subtile Form des Faschismus“ (OÖN, 9.12.1991). Diese Erkenntnis bestätigt sich seither Jahr für Jahr mehr. Demokratieverachtung, Rassismus und Gewaltverherrlichung sind nicht bloß Erscheinungen am äußersten rechten Rand, sie sind Inhalt und Folge des EU-Konkurrenzregimes. Wer gegen Faschismus kämpfen will, darf von diesem Konkurrenzregime nicht schweigen!