Abgezweigte Milliarden versanden im Landesgetriebe. Wann lehnen sich unsere verarmten, von Autonomieverlust gepeinigten Gemeinden endlich auf? Teil 1
Durch den sogenannten Bundesfinanzausgleich werden regelmäßig die Bundesertragsanteile, also Abgaben und Steuern, welche an den Finanzminister fließen, auf Bund, Länder, Städte und Gemeinden nach einem bei den Bundesfinanzausgleichsverhandlungen vereinbarten Schlüssel aufgeteilt.
Es handelt sich um die wirklichen Finanzflüsse vom Bund in Richtung Länder und Gemeinden. Doch dann wird es richtig unverständlich. Warum? Weil jenes Geld, das vom Bund für die Gemeindekassen fließen soll, tatsächlich teilweise wieder zurück zu den Ländern fließt. Verstehen tut das niemand. Außer die Landesgrafen, zu denen die GemeindevertreterInnen regelmäßig pilgern müssen, wenn infrastrukturell notwendige Investitionen anstehen. Um jenes Geld bettelnd, welches an die Landesgrafen abgetreten werden muss.
Verwirrender Finanzfluss
Das stellt sich bei den Finanzmitteltransfers im Jahr 2022 in groben Summen ungefähr wie folgt dar. Der Topf des Bundesfinanzausgleichs für die Gemeinden ist ziemlich genau 9,6 Milliarden Euro schwer. Wohlgemerkt für die Gebarung aller 2095 angeblich autonomen österreichischen Gemeinden. Davon fließen etwas mehr als 8,3 Milliarden Euro vom Bund direkt an die Gemeinden. Der Rest von 1,2 Milliarden Euro wird vom Finanzminister unverständlicherweise direkt an die Länder überwiesen. Aber es kommt noch dicker für die finanziell ausgezehrten Kommunen. Von den den Gemeinden zustehenden Bundesertragsanteilen in Höhe der genannten 8,3 Milliarden Euro landen nur 4,2 Milliarden Euro in ihren Kassen. Die Saldosumme von 4,250 Milliarden Euro müssen die Gemeinden an ihre Länder weiterreichen. Davon bleibt ungefähr die Hälfte wiederum den Ländern für Verwaltung und Administration, andere meinen eher für deren politische Interessen und Machterhalt hängen. Der Rest von 2,36 Milliarden Euro wird oftmals nicht nachvollziehbar nach politischem Gutdünken der jeweiligen Landesräte an vertrauliche oder wichtige Kommunen hoheitlich für Investitionen und manchmal für landeswichtige Denkmäler verteilt. Das ist leider über Jahrzehnte hinweg eingeschliffene Länderpraxis, egal welche politische Farbe gerade regiert, und wird oftmals sehr willkürlich gegenüber den tatsächlichen infrastrukturellen Bedürfnissen gehandhabt.
32% des Geldes zwangsweise an Länder abtreten
Damit bleibt ein Verlust der ausverhandelten Bundesertragsanteile für die Gemeinden von minus 3,1 Milliarden Euro ohne variable Bedarfszuweisungen der Länder, welche die Gemeinden nicht eigenverantwortlich verwalten oder infrastrukturell investieren können. Ein politischer und finanzieller Schlag ins Gesicht der an und für sich autonomen Gemeinden, wenn sage und schreibe 32% der ihnen zustehenden Finanzmittel von den Ländern zwangsweise für deren politisches Dasein abgezweigt werden. (1)
Medienwirksam springen Landesräte vermeintlich den Kommunen bei oder -besser gesagt - platzieren sich auf den Seiten der Printmedien, indem sie schaufelnd oder schneidend so manche sinnlose Straße oder doch sinnvolle Schule eröffnen. Bezahlt von uns. Aber hoheitlich gespendet vom immer lächelnden Landesfürsten, so, als wäre es sein eigenes Geld und nicht das von uns Steuerzahlenden.
Ohne die Organisationskraft der Kommunen würde die Struktur unserer Daseinsfürsorge anders gestaltet sein. Ich möchte den Unternehmen und Konzernen, Stichwort PPP- Finanzierungsmodelle, nicht permanente, unlautere Gier unterstellen. Aber ohne jegliches Profitstreben vielfältige Leistungen für unser Dasein - zumeist leise, still und fachkompetent - zu bewerkstelligen, das schaffen ausschließlich unsere 2095 Gemeinden und ihnen angeschlossene öffentliche Versorgungseinrichtungen des Sozialwesens.
Oberösterreich ist Schlusslicht bei Kinderbetreuung!
Beispielhaft dafür stehen Kinderbetreuungseinrichtungen, sofern die landesverantwortungslosen Grafen dies so wollen. In Oberösterreich wollen diverse Landesräte das offensichtlich aus ideologischen Gründen nicht wirklich so intensiv. Das klägliche Ergebnis spiegelt sich sodann in einer extrem mangelhaften Infrastruktur, sprich fehlenden Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen in Landgemeinden. Es fehlen Kindergärten, Betreuungspersonal und vor allem Geld dafür. Das viele Geld, welches die Länder den Gemeinden abknöpfen, wird gerade in Oberösterreich nicht wirklich im umfassend sozialen Sinne für die Menschen investiert. Bei Kinderbetreuungseinrichtungen in OÖ ist das Angebot in der Fläche für die Eltern mehr als dürftig. An Betreuungseinrichtungen, welche mehr als zehn Stunden täglich ein Angebot zur Verfügung stellen, landet OÖ mit gerade einmal 14% bundesweit an letzter Stelle. Im bundesländerweiten Vergleich, steht die Gemeinde Wien derzeit bei 71%. (2)
Doch wie gesagt, wenn Gemeindemandatare untertänig zu den Landesinstitutionen pilgern müssen, um Geld, das sie an die Länder zwangsweise abgeführt haben, für soziale Infrastruktur zu bekommen, da kann es schon sein, das herrschaftlich abgewunken wird.
Was, ihr wollt eine zusätzliche Kinderbetreuungseinrichtung? Jetzt, wo der Strahlemann Bundeskanzler höchstpersönlich den steuerlichen Familienbonus für Besserverdienende eingerichtet hat. Aber was, wenn es nicht nur Besserverdienende, sondern auch solche, welche es sich vielleicht nicht wirklich selber richten können, betrifft? Dann werden in OÖ heute noch massiv Autobahnen um Milliarden, welche den Kommunen abgeknöpft werden, mitten durch Städte gebaut, damit die Eltern rascher zum Stau in die Arbeit oder nachhause kommen sollen.
https://www.momentum-institut.at
Mogelpackung „Kindergartenmilliarde“
Politischer und sozialer Unsinn manifestiert sich ebenfalls in der Elementarpädagogik. Hier hinken Bund und Länder wissentlich den europäischen Vorgaben von mindestens einem Prozent des BIP gehörig nach. Um jungen Familien und im besonderen jungen Frauen Möglichkeiten am Arbeitsmarkt zu eröffnen, wurde für 2023 eine „Kindergartenmilliarde“ von der Bundesregierung in Aussicht gestellt. Nach den Verhandlungen der Bundesertragsanteile wurden nur 227 Millionen Euro dafür präliminiert. Eine Mogelpackung sondergleichen, denn mit einer Milliarde könnte die Unterdotierung der letzten Jahre plus Inflation gerade einmal ausgeglichen werden. Zusätzliches für Kinder kann da nicht investiert werden, schon gar nicht mit nur einem Fünftel der versprochenen Summe. Vom zukunftsorientierten Ausbau keine Spur, in Oberösterreich sowieso.
Rudolf Schober
Anmerkungen
1. Zentrum für Verwaltungsforschung P.Biwald 22.02.2024, file:///F:/Gemeinden%202024/Biwald_Gemeindeautonomie_22022024%20.pdf
2. Momentum Institut, Budget 2024, S. 27 file:///F:/Gemeinden%202024/pdf-budget-2024-schnelleinschatzung-1.pdf