Rede von Christian Eder (Mauthausen-Komitee St. Valentin) bei der Kundgebung "Nie wieder Landesförderung für die rechtsextreme Szene in OÖ!" am 2.12.2019 am Martin Luther-Platz in Linz.

„Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren“. Das soll er gesagt haben, mein Großvater in der schwarzen Uniform, ehe er sich freiwillig an die Front meldete.

Die Familienlegende lautet, „Rotspanier“, also anscheinend republikanische Spanier, die gegen Franko gekämpft hatten und deswegen nach Mauthausen geschickt worden waren, hätten meinem Großvater Alois Eder die Stiefel nachgetragen, als er den Dienst im KZ quittierte. So menschlich sei er zu den Gefangenen gewesen. Eine schöne Geschichte, von der ich nur hoffen kann, dass sie sich auch wirklich so zugetragen hat.

Was sicher ist: Mein Großvater väterlicherseits, im Zivilberuf Rauchfangkehrermeister, war illegaler und überzeugter Nazi. Er meldete sich zur SS, wurde Ortsgruppenleiter von Pyburg und erhielt als verdienter Parteigenosse einen Posten im KZ. Er soll es dort nur wenige Wochen ausgehalten haben und zog lieber gegen die „slawischen Untermenschen“, wie man sie damals nannte, in den Krieg. Auf seinem Grabstein am Friedhof von St. Pantaleon, das ist schon in Niederösterreich etwa vier Kilometer von Pyburg entfernt, steht wohl sein Name, das Grab ist aber leer. Er ist für den Führer und Großdeutschland gefallen und wurde irgendwo in Lettland verscharrt. Die unbesiegbare deutsche Wehrmacht war damals schon auf dem Rückzug, was die Propaganda des Herrn Goebbels „Frontbegradigung“ nannte. Meine Großmutter durfte „in stolzer Trauer“ auf seinen Tod reagieren. Sie hat ihm ein Leben lang nachgetrauert, genau wie ihrer Südtiroler Heimat, die von Hitler an Herrn Mussolini verschachert worden war.

Soll ich nun auch sagen: „Großvater, wir danken dir“, wie jene offenbar geistig ziemlich unterbelichteten Neonazis vor Jahren auf einer Demonstration in Wien auf ihre Transparente geschrieben hatten? Ich habe diese völlig grundlos arrogant dreinblickenden Milchgesichter, die sich wohl sehr großartig vorkamen, damals in Wien gesehen. Ein gütiges Schicksal hat mich zum Glück davor bewahrt, so lernresistent zu werden wie diese Unbelehrbaren der dritten oder vielleicht schon vierten Generation.

Oder vielleicht verdanke ich es meinem Onkel Walter, der 1944 mit 17 Jahren zur Waffen- SS eingezogen wurde, um noch den Endsieg für den GRÖFAZ, den selbst ernannten größten Feldherrn aller Zeiten, zu erkämpfen. Er hat den Krieg mit knappster Not überlebt und trug nur einen Durchschuss am Ellenbogen davon. Ich glaube, es war der linke. Über den Krieg hat er selten und nur höchst ungern erzählt. In der Gefangenschaft war er mit einem Zahnarzt meiner Heimatgemeinde, der mich deshalb unverdientermaßen sehr gerne mochte und folglich nicht so grob behandelte wie viele seiner Patienten.

„Die Leute sind davon gelaufen, als sie den Totenkopf gesehen haben. Wenn die gewusst hätten, wie viel Angst wir jungen Burschen selbst hatten“. An diese seine Aussage zumindest kann ich mich erinnern.

Die Frau, die in ihren Erinnerungen „GOTT“ zum Zeichen der Verehrung nach altertümlicher Sitte immer groß schrieb, konnte sich an einige SS- Leute erinnern. Frau Anna Strasser aus St. Valentin machte zuerst im Lagerhaus von Mauthausen und danach im Nibelungenwerk Herzograd, das vom 21. August 1944 bis zur Auflösung am 23. April 1945 ein Nebenlager von Mauthausen war, Dienst. Unter den SS- Leuten waren brutale und kaltblütige Mörder, die auf ihre Untaten auch noch stolz waren und damit angaben, offenbar, weil sie der jungen hübschen Frau damit imponieren wollten, aber auch ein ganz junger, verzweifelter Mann, der den Unmenschlichkeiten nicht gewachsen war, wie Frau Strasser schreibt.

Frau Anna Strasser, die unter Lebensgefahr Zwangsarbeitern und KZ- Häftlingen half und dafür in GESTAPO- Haft nach St. Pölten kam, wo man sie anschrie, unflätig beschimpfte, schlug, misshandelte und zu Konzentrationslager auf Kriegsdauer verurteilte (Unterschrift: Der mit einem unübersehbaren Schmiss gezierte Dr. Ernst Kaltenbrunner), hat übrigens keine üppige Subvention erhalten, sondern ihre Broschüre, die 1982 im Eigenverlag in St. Valentin erschienen ist, von ihr persönlich auf der Maschine geschrieben, selbst finanziert. Viel Geld hatte sie nicht, war aber dennoch sehr spendierfreudig. Bei uns erinnern sich noch viele Leute, von ihr auf der Straße Süßigkeiten geschenkt bekommen zu haben, und nicht nur Personen, die damals noch Kinder waren.

Für mich hatte sie bei meinen Besuchen in ihrer Wohnung immer auch eine Flasche Rotwein vorrätig. Mein SS- Großvater war übrigens Antialkoholiker und fiel als nüchterner Mensch an der Ostfront.

Was will ich mit all dem sagen? Dass Geschichte niemals schwarzweiß ist. Dass sich Politik und Gesellschaft gut überlegen müssen, welches Geschichtsbild sie tradieren. Und wofür Subventionen gerechtfertigt sind, und wofür nicht. Sicher nicht für ewig gestriges Gedankengut, das auch von so manchen Angehörigen einer bestimmten politischen Partei in unserem Land zumindest in Ansätzen geteilt wird. Exempla docent, die Beispiele lehren es, und die vom Mauthausen Komitee Österreich dokumentierten 169 „Einzelfälle“ vom Februar 2013 bis zum 2. August 2019. Die oberösterreichischen Einzelfälle habe ich nicht extra nachgezählt, aber es sind nicht so wenige. Eine noch existierende Burschenschaft aus einem Ort an der schönen blauen Donau singt etwa noch frohgemut das Treuelied der SS „Wenn alle untreu werden“. Max von Schenkendorf, der es 1813 gedichtet hat, kann natürlich nichts dafür, im Gegensatz zu jenen, die es heute noch aus ihren ostmärkischen Kehlen steigen lassen, als wäre Oberösterreich noch immer Oberdonau.

Diese Zeiten sollten, über 80 Jahre nach dem Beginn eines verbrecherischen rassistischen Angriffskrieges, der über 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat, endgültig vorbei sein. Sollten sie nunmehr vorbei sein, auch, was die Subvention des Landes Oberösterreich für die deutschnationalen schlagenden Burschenschaften anbelangt, dann könnten wir mit Frau Anna Strasser sagen: GOTT sei Dank.

GOTT natürlich groß geschrieben. Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.