Militarisierung durch neue EU-Verträge geht sogar über die NATO hinaus
"Wer über Neutralität und Nato-Beitritt spricht und dabei die reale Mitwirkung Österreichs an der EU-Aufrüstung verschweigt, ist entweder uninformiert und naiv oder führt Hinterhältiges im Schilde.“
Die derzeit stattfindende Debatte Neutralität versus NATO-Beitritt lässt sich an Heuchelei kaum mehr überbieten. Damit soll offensichtlich davon abgelenkt werden, dass die EU mittlerweile selbst, seit der Übernahme der sog. „Petersberg Aufgaben“ in das EU-Primärrecht im Vertrag von Nizza (2001), zu einem Militärpakt mit aggressiver Außenorientierung geworden ist. SPÖ und ÖVP haben dem mit der neutralitätswidrigen Änderung des Artikels 23f der Bundesverfassung bereits zuvor Rechnung getragen (1999). Der Artikel 23f ist eine regelrechter „Kriegsermächtigungsartikel“, da er den Machteliten einen Freibrief für die Teilnahme an offensiven EU-Militäraktionen ausstellt. SPÖ und ÖVP haben sich damals sogar zur Fleißaufgabe hinreißen lassen, in den Erläuterungen zum Artikel 23f die Teilnahme an EU-Kriegen auch dann ausdrücklich befürworten, wenn diese nicht durch ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates gedeckt ist. Durch die verlogene Neutralitäts/NATO-Debatte wollen Gusenbauer und Darabos weiters davon ablenken, dass sie mit der bedingungslosen Unterstützung der EU-Verfassung (die jetzt in EU-Reformvertrag umgetauft wurde) eine Militarisierung der EU befürworten, die sogar deutlich über die NATO hinausweist:
- explizite Aufrüstungsverpflichtung für alle EU-Mitgliedsstaaten
- Verankerung eines Rüstungsamtes im EU-Grundlagenrecht, um diese Aufrüstungsverpflichtung zu überwachen
- Der EU-Ministerrat erhält das Recht, auch ohne UN-Mandat weltweit Kriege „zur Bekämpfung des Terrorismus“ zu führen und um „Abrüstungsmaßnahmen“ gegenüber Drittstaaten durchzusetzen.
- Einrichtung eines eigenen EU-Rüstungsbudgets, aus dem diese Militärmissionen finanziert werden sollen.
- Einrichtung eines militärischen „Avantgardeeuropas“, in dem die militärisch potentesten Länder einen inneren Führungszirkel der EU begründen.
- Selbst die Beistandsverpflichtung ist weitergehend als in der NATO, da sie zum unbedingten militärischen Beistand verpflichtet.
Volksabstimmung über neue EU-Verträge unerlässlich
Boris Lechthaler, Vorsitzender der Werkstatt Frieden & Solidarität: "Wer über Neutralität und Nato-Beitritt spricht und dabei die reale Mitwirkung Österreichs an der EU-Aufrüstung verschweigt ist entweder naiv und informiert oder führt Hinterhältiges im Schilde: uninformiert und naiv, weil er offensichtlich nicht erkennt oder erkennen will, dass EU-Verfassung, Rüstungsagentur, Teilnahme an EU-Kampftruppen, Eurofighteranschaffung, etc. in Wirklichkeit die Neutralität unterlaufen. Hinterhältig, weil mit der fiktiven Debatte um einen Nato-Beitritt mitunter gerade davon abgelenkt wird. Offensichtlich wird unser Polittheater von beiden Spezies dominiert. Eine Volksabstimmung über die neuen EU-Verträge ist schon allein deshalb unerlässlich. Hinter der Schönrederei im Zusammenhang mit der europäischen Sicherheitspolitik steckt, was Thomas Mayr-Harting, politischer Direktor im Außenministerium beim Forum Alpach frei von der Leber weg ausplauderte: 'Die Österreicher können nicht immer nur mit Ambulanzen herumfahren.'" (Der Standard, 29.8.2007)