ImageInterview mit Rudi Schober, Gemeinderat in Ottensheim und Werkstatt-Aktivist, zu Staatsreform und Pflegemisere. Seine Überzeugung: Die derzeit finanziell ausgebluteten und politisch gegängelten Gemeinden müssen mehr Einfluss und mehr Mittel bekommen.


Frage: Du bist Gemeinderat in Ottensheim. Was wären aus Deiner Sicht wichtige Anliegen für eine Staatsreform in Österreich?

Rudi: Ich bin für eine Aufwertung der Gemeinden – sowohl politisch wie finanziell. Die derzeitige Situation ist unhaltbar. Die Politfürsten in den Ländern versuchen ihre Funktionsleere zu kompensieren, indem sie die Gemeinden immer mehr entmündigen. Die durch Wirtschaftskrise, Steuerdumping und restriktive Budgetpolitik zunehmend ausgehungerten Gemeinden stehen als Versager da und werden dann von den Landesfürsten umso intensiver bevormundet. Viele Funktionsträger in den Gemeinden haben es satt, als Marionette eines quasi feudalistischen Landessystems funktionieren zu müssen; wir können auch ohne „freundliche“ Landespolitiker unsere Arbeit machen und dabei Demokratie direkter wirken lassen. Wir brauchen mehr Geld und mehr Macht für die Gemeinden.

Frage: Wie stellst Du Dir das konkret vor?

Rudi: Zwei Dinge halte ich für zentral. Erstens: Die öffentlichen Gelder müssen ohne Umwege direkt zu den Gemeinden fließen. Denn was macht der Landespolitadel? Mit Klientelpolitik werden Wohnbaugelder in beträchtliche Höhe verzockt, Milliarden in dubiosen Bankkonstrukten versenkt. Die Kommunen tätigen 80% der öffentlichen Investitionen. Wenn wir die sozialen Infrastrukturen ausbauen, eine ökologische Energie- und Verkehrswende einleiten wollen und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen wollen, dann brauchen wir mehr Geld für die Gemeinden, um kommunale Investitionsprogramme finanzieren zu können. Die über die EU verordnete Sparpolitik, die derzeit zu einem faktischen Investitionsstopp auf Gemeindeebene führt, ist ein sozial-, wirtschafts- und umweltpolitischer Wahnsinn. Und zweitens trete ich für eine grundsätzliche Demokratiereform ein: Abgeordnete im Bundesparlament sollten ausgehend von den jeweiligen Gemeinden direkt gewählt werden – und ihren WählerInnen auch während einer Legislaturperiode rechenschaftspflichtig sein. D.h. die WählerInnen sollten die Möglichkeit haben, ihre VertreterInnen im Parlament jederzeit abzuberufen, wenn sie mit deren Arbeit nicht zufrieden sind. Eine derartige Stärkung des basisdemokratischen Einflusses würde auch die Gemeindeebene politisch aufwerten. Dann wäre es wohl nicht mehr so leicht, dass sich Regierung und Parlament zum verlängerten Arm Brüssels bzw. der Banken- und Konzernlobby bei jener unsozialen Kahlschlagpolitik machen lassen, die die Gemeinden derzeit finanziell ausbluten lässt.

Frage: Eine große Rolle bei der Finanzmisere der Gemeinden spielt auch der wachsende Pflegebedarf, wodurch die kommunalen Sozialtöpfe massiv belastet werden. Welche Lösungsmöglichkeit siehst Du in diesem Bereich?

Rudi: Das derzeitige Pflegesystem muss meiner Meinung nach insgesamt auf neue Beine gestellt werden. Ich trete für die Einbeziehung der Pflege in die Sozialversicherung ein, d.h. jeder zahlt – wie auch bei der Krankenversicherung - entsprechend seinen Möglichkeiten ein und hat im Bedarfsfall Anspruch auf die gleichen, am individuellen Bedarf  ausgerichteten Pflegeleistungen, die durch ein dichtes Netz an öffentlichen und gemeinnützigen Pflegeorganisationen sichergestellt werden sollen. Dadurch soll auch den pflegenden Angehörigen die Möglichkeit einer sozialversicherungsrechtlich abgesicherten Anstellung eröffnet werden. Wichtig ist es dabei freilich, dass – im Unterschied zur derzeitigen Situation - die gesamte Wertschöpfung in die Finanzierung der Sozialversicherung einbezogen wird. Die Werkstatt Frieden & Solidarität stellt derzeit einige wichtige Forderungen dazu zur Diskussion, die in diese Richtung zielen. Damit könnte nicht nur Abhilfe bei der Pflegemisere, sondern auch bei der Finanzmisere der Gemeinden geschaffen werden.

Ausführlichere Überlegungen von Rudi Schober zur Staatsreform finden sich hier zum Downloaden


VERANSTALTUNG der Solidar-Werkstatt Österreich zur Staatsreform

"Gemeindedemokratie statt Bevormundung"

Den Solidarstaat über die Gemeinden organisieren: Direkter Mittelzufluß - demokratische Bezirkshauptmannschaften - Bundesgemeinderat

Mittwoch, 12. Jänner 2010

Eine Fernsehlifediskussion der Solidar-Werkstatt mit Prof. Hans Hautmann, Zeithistoriker und aktiven GemeinderätInnen im Rahmen der Dorfgespräche bei
Dorf TV, Hauptplatz 5 (Finanzgebäude Ost) Linz
Beginn: 19.30 Uhr

Eintritt frei!