ImageAm So, 15. Mai 2011 veranstalten Solidarwerkstatt Österreich und die MigrantInnenorganisation DIDF (Föderation demokratischer Arbeitervereine) gemeinsam einen Umzug vom Haus der EU zum österreichischen Parlament (Treffpunkt 14 Uhr, (Wipplingerstraße 35, 1010 Wien). Das Motto: "Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!".
Hier der Aufruf für diese Aktion.

Wir sind Menschen. Menschen aus Österreich. Menschen in Österreich. Wir sind schon lange hier oder kommen von weit her. Wir arbeiten. Wir haben gearbeitet oder werden arbeiten. Wir wollen arbeiten.
Wir produzieren Güter, die wir täglich brauchen. Wir errichten Gebäude und Straßen.
Wir bauen Maschinen und Anlagen. Wir forschen. Wir begleiten unsere Kinder bei der Aneignung einer Welt, in der sie sich entlang ihrer Neigungen und Talente entfalten können. Wir versorgen unsere Kranken. Wir pflegen jene, die nicht - mehr - für sich selbst sorgen können. Wir sorgen für die notwendigen öffentlichen Dienste. Wir sorgen für eine funktionstüchtige öffentliche Verwaltung.

Alle werden gebraucht. Niemand ist überflüssig.

Unsere Arbeit schafft ein gutes Leben. Aus unserer Arbeit erwächst ein lebenswerter Alltag. Wir leisten unseren Beitrag und wollen unseren gerechten Anteil. Für uns und für alle, die unserer Zuwendung bedürfen.

Dafür braucht es einen politischen Rahmen. Einen Rahmens, der durch die Teilhabe aller an der Willensbildung gestaltet wird. Diesen Rahmen können und wollen wir in einem Solidarsta.At Österreich verwirklichen.

Unsere Kinder haben ein Recht auf bestmögliche Bildung, unabhängig von ihrer Herkunft. Wir haben ein Recht auf ein gutes Gesundheitswesen und Hilfe, wenn wir nicht mehr für uns selbst sorgen können. Ein funktionstüchtiges öffentliches Verkehrswesen, Wasser- und Energieversorgung, Abfallentsorgung sind ebenso unverzichtbar für ein gutes Leben, wie der Zugang aller zu den kulturellen Einrichtungen. Eine bürgernahe, unbürokratische Verwaltung, der allgemeine Zugang zum Rechtswesen, ein hohes Maß an öffentlicher Sicherheit sind nicht minder bedeutsam als Nahrung, Kleidung, Wohnung.

Vollbeschäftigung ist möglich, wenn dem gemeinschaftlichen Bedarf in all diesen Bereichen nachgekommen wird. Die schöpferische Kraft dafür ist in unserer Gesellschaft vorhanden und kann unmittelbar entfaltet werden, wenn die Verteilung der Wertschöpfung danach ausgerichtet wird.
Wir benötigen ein Steuer- und Beitragssystem, das für ausreichende und stabile Mittel für den gemeinschaftlichen Bedarf sorgt, das eine gerechte Lastenverteilung  sichert, parasitären Konsum, Einkommens- und Vermögensbildungsexzesse unterbindet, die Subventionierung der aggressiven Exportorientierung beschränkt und regionale Wirtschaftskreisläufe stärkt.

Unsere solidarische und demokratische Republik braucht ein starkes wirtschaftliches Fundament. Bildung, kulturelle Einrichtungen, Kinderbetreuung, Gesundheit, Pflege, viele Bereiche der gemeinschaftlichen Infrastruktur, auch des Finanzsektors, können nur dann ausreichend verfügbar werden, wenn sie gemeinschaftlich hergestellt und über sie gemeinsam entschieden wird. Kommunales Eigentum, Sozialversicherungen in Selbstverwaltung, Genossenschaften sind Werkzeuge der Solidarität und der Demokratie. Die Republik benötigt ein Entscheidungsrecht bei Unternehmen von strategischer Bedeutung, auch im Bereich der industriellen Güterproduktion.

Auf dieser Grundlage kann auch für eine menschengerechte natürliche Umwelt gesorgt werden. Das schulden wir den kommenden Generationen. Der Ausstieg aus der Verschwendung fossiler Energieträger, der Sackgasse der Nutzung der Kernenergie ist möglich. Die möglichst rasche Herstellung der Energieautarkie Österreichs auf der Grundlage erneuerbarer Energieträger, sparsamer und effizienter Nutzung ist der wesentlichste Beitrag für einen sorgsamen Umgang mit unserer natürlichen Umwelt.

Wir wollen uns an der globalen Arbeitsteilung beteiligen. Auf gleicher Augenhöhe mit den Menschen in anderen Ländern und zum gegenseitigen Vorteil. Aggressive Exportorientierung und exzessiver Kapitalexport sind Werkzeuge zur Herstellung von Ausbeutung und Vorherrschaft und gefährden langfristig Arbeitsteilung zum wechselseitigen Vorteil. Sie zwingen uns zur Kumpanei mit den Großmächten. Sie untergraben das Gebot des immerwährend Neutralen, bereits in Friedenszeiten alles zu unterbinden, was den Frieden gefährden könnte. Aktive Neutralitätspolitik verweigert das Mitmarschieren bei den militärischen Abenteuern der Großmächte und bedeutet Solidarität mit den Schwachen.

Unser Solidarstaat gründet auf der Mitwirkung aller. Er ist nicht frei von Konflikten und widerstreitenden Interessen. Er garantiert die Würde und Haltung des Einzelnen auch im Konflikt. Er garantiert aber auch, dass nicht Einzelne oder mächtige Gruppen der Gesellschaft ihren Willen aufzwingen können. Dafür bedarf es einer umfassenden demokratischen Erneuerung in allen gesellschaftlichen Bereichen, auch der politischen Institutionen. Wir wollen die Stärkung der direkten Demokratie und der Selbstverwaltung, vor allem auch auf Ebene der Gemeinden. In deren Unterordnung in das System der Konkurrenzdemokratie erkennen wir einen entscheidenden Hebel dafür, dass es mächtigen Klüngeln gelingt, die Gesellschaft ihrem Willen zu unterwerfen.
Ausgehend von der persönlichen Wahl und der jederzeitigen Abwählbarkeit von Vertretern in unmittelbarer Nähe zu den Menschen wollen wir jene Einrichtung bilden, die über die verbindlichen Rechte und Pflichten für alle entscheidet und verantwortet.

Unser Solidarstaat will die Verallgemeinerung von Rechten und Pflichten.
Wir machen diese nicht abhängig von Geschlecht, Herkunft oder Aufenthaltsstatus.
Wir verknüpfen den Verbrauch und die Nutzung gesellschaftlicher Leistungen mit deren Herstellung und Finanzierung auf solidarischer Grundlage.
Das Gegenteil von Recht ist nicht Pflicht sondern Unrecht. Das Gegenteil von Pflicht ist nicht Freiheit, sondern Verantwortungslosigkeit.

„Du bist überflüssig. Und wenn du es nicht schon bist, kannst du es jederzeit werden.“

So lautet die tägliche Botschaft der Machteliten. Österreich drohe ins Hintertreffen zu geraten. Damit werden wir gefügig gemacht. Damit verwandeln sie unsere Gesellschaft in eine Vollzugsanstalt für ihre parasitären Machtinteressen. Damit rechtfertigen sie den Prozess der Unterordnung unserer Gesellschaft in das rückwärtsgerichtete EU-Konkurrenzregime. Die EU dient nicht der Organisation eines guten Lebens. Sie dient der globalen Machtprojektion überkommener Eliten. Mit der europäischen Integration hoffen sie jene wirtschaftliche Macht und jene militärische Stärke zu sichern und auszubauen, die sie für diese Machtprojektion benötigen. Für sie ist die Welt ein Kriegsschauplatz. Noch vor den tatsächlichen Kriegen führen sie den täglichen Krieg um Rohstoffe und Marktanteile. Damit verwandeln sie unsere Gesellschaft selbst zu einem Schauplatz des Kampfes jeder gegen jeden.

Wir sind arm geworden

Seit 1. Jänner 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union. Ja, wir haben mehr Autos, mehr elektronische Geräte, mehr Wegwerftextilien, mehr Kurzurlaube und viele Nahrungsmittel werden ungenossen entsorgt. Das sei der Lohn für die Anstrengungen, die wir für den europäischen und globalen Markt leisten. Doch selbst dieser Lohn wird immer mehr Menschen vorenthalten. Viele leben in dauernder existenzieller Unsicherheit. Die Angst, in diese Lage gestoßen zu werden, bestimmt schon unser Leben, wenn es uns angeblich noch gut geht.

"Wir müssen sparen", sagen uns EU-Kommission, EZB und Regierung

Mit dem EU-Beitritt wurde das Dogma vom schlanken (Sozial-)Staat zur Leitlinie der Wirtschaftspolitik. Strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Kassen und die Rettungspakete für Banken und Konzerne in der aktuellen Krise haben gewaltige Löcher in die öffentlichen Budgets, insbesondere auch der Gemeinden, gerissen. Bei den gemeinschaftlichen Leistungen zu kürzen, heißt Lebensqualität zu kürzen und gefährdet unsere Zukunft. Damit opfern wir unseren Reichtum auf dem Altar der Konkurrenzfähigkeit für den Weltmarkt.

Diesem Dogma ist auch der Krebsgang in der Ökologiepolitik geschuldet. Der Transitverkehr und der motorisierte Individualverkehr explodieren, Wirtschaftswachstum äußert sich unmittelbar in wachsendem Energieverbrauch. Wir zahlen Millionen für Euratom. Lebensmittel werden gentechnisch verändert und  Leben patentiert.

Die Außen- und Sicherheitspolitik wird militarisiert

Eine Aufrüstungsverpflichtung mit Rüstungsagentur wurde im EU-Vertrag verankert. EU-Kampfgruppen für globale Militäreinsätze wurden aufgestellt. Eine eigenständige weltoffene Außenpolitik wurde zugunsten einer angeblichen gemeinsamen europäischen Außenpolitik geopfert, die jedoch völlig von der Politik der Großmächte abhängig ist.

Die EU hat nicht, wie oft behauptet wurde, ein Demokratiedefizit. Ihr Zweck ist die Aushebelung demokratischer Mitbestimmung in weiten Bereichen. Das Recht auf Gesetzesinitiative liegt bei der demokratisch kaum belangbaren EU-Kommission. Im Rat der Staats- und Regierungschefs dominieren die großen Staaten. Mit der Verschärfung des Stabilitätspakts wird jetzt sogar die Budgethoheit der nationalen Parlamente ausgehebelt. Begleitet wird dieser Prozess mit dem Ausbau von Kontrolle und Überwachung. Immer mehr Daten über die BürgerInnen werden gesammelt, Gesetze zur Kriminalisierung politischen Engagements wurden und werden beschlossen und exekutiert.

Durch die EU-Mitgliedschaft seien wir weltoffener geworden, heißt es. Doch Jahr um Jahr werden die Fremdengesetze verschärft und ein Teil der in Österreich lebenden Menschen noch mehr entrechtet. Die gesellschaftliche Krankheit Ausländerfeindlichkeit wächst aus der um sich greifenden Angst vor der eigenen Entwertung. Menschlichkeit bleibt auf der Strecke und Österreich wird nicht weltoffener. Im Gegenteil: Der offene Blick auf die Welt wird durch die Vorgaben der europäischen Großmächte verstellt. Auf dieser Grundlage gelingt es dem deutschnationalen Rechtsextremismus mit seinem Kulturkampf zu einem bestimmenden politischen Faktor zu werden.

Die EU-Integration bildet nicht nur die entscheidende zu überwindende Barriere für die Errichtung eines Solidarstaates. Die mit ihr verbundene Durchsetzung hemmungsloser Konkurrenz und Schwächung solidarischer Strukturen gefährdet die bestehenden Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Gier und Abzockerei werden zu bestimmenden Motiven menschlichen Handelns.

So geht es nicht mehr darum, ob es eine Alternative zur Unterordnung unter das
EU-Konkurrenzregime gibt, sondern darum, dass die EU-Mitgliedschaft keine lebenswerte Alternative zu einer solidarischen Gesellschaft in einer demokratischen Republik Österreich ist.

Wir fordern deshalb den Austritt aus der EU und ein solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich!

Wir werden uns jedes Jahr rund um den 15. Mai, dem Jahrestag der Wiedererrichtung eines freien Österreich vor dem Parlament versammeln, bis wir dieses Ziel erreicht haben!

ImageDie Solidarwerkstatt und der MigrantInnenverein DIDF veranstaltet am Sonntag den 15. Mai 2011, in Wien, den Auszug vom Haus der EU und Umzug zum österreichischen Parlament. Treffpunkt: 14 Uhr, Haus der Europäischen Union (Wipplingerstraße 35, 1010 Wien). Von dort marschieren wir mit der aus einzelnen Buchstaben gebildeten Losung „SolidarstaAt statt EU-Konkurrenzregime!“, zum Parlament. Vor dem Parlament wird es eine Abschlusskundgebung mit Kulturprogramm geben. Es spielen u.a. „11 saiten OSTGEFÄLLE“ mit Herwig Strobl und Atanas Dinovski.

Mehr Infos zur Veranstaltung


Warum gehen wir am 15. Mai auf die Straße?

Wir haben bewusst den 15. Mai, den Tag der Unterzeichung des österreichischen Staatsvertrags, als Datum für unsere Aktion “Solidarsta.At statt EU-Konkurrenzregime!” gewählt. Der Staatsvertrag steht für ein antifaschistisches und neutrales Österreich, für ein Österreich, das auf Sozialstaat und Gemeineigentum in wichtigen wirtschaftlichen Bereichen aufbaut. Es verwundert daher nicht, dass der Staatsvertrag das erste „Opfer“ des EU-Beitritts war, als im Vorfeld des Beitritts die damalige Regierung - in einem völker- und verfassungsrechtlichen Hasardakt - einseitig wichtige Teile des Vertrages für „obsolet“ erklärte: Für „überholt“ erklärte die Regierung damals z.B. das Naziverbot im Bundesheer, das militärische Kooperationsverbot mit Deutschland und das Verbot des Ausverkaufs staatlicher Großunternehmen an ausländische Konzerne.

Wir gehen am 15. Mai auch auf die Straße, weil dieser Tag für ein souveränes und von Großmächten unabhängiges Österreich steht. Dem deutschnationalen Rechtsextremismus, der FPÖ und ihren Vorgängerorganisationen ist der Staatsvertrag daher immer ein Dorn im Auge gewesen. Jenseits populistischer Sprücheklopferei strebt die FPÖ weiterhin den Anschluss an Deutschland an – und zwar durch die „EU-Hintertür“. Und tatsächlich findet seit dem EU-Beitritt ein Prozess der schleichenden wirtschaftlichen, politischen und militärischen Unterordnung unter die deutschen Machteliten statt, die ihrerseits die EU-Entwicklung immer stärker beherrschen. Der Aufstieg der rechtsextremen FPÖ und die EU-konforme Zurichtung Österreichs verlaufen weitgehend parallel.

Die EU-Entwicklung fördert europaweit das Erstarken rechtsextremer Kräfte. Denn diese leisten den EU-Mächtigen Flankenschutz beim Sozialabbau, indem sie den sozialen Protest in rassistische Bahnen lenken und damit die Solidarität der sozial Benachteiligten sprengen. Die EU-Großmachtsambitionen fördern rechtsextreme Denkmuster. Denn wer sich anmaßt, in Afrika, im Nahen Osten, im Kakasus und sonst wo mit militärischen Mitteln seine wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, landet letztlich bei Überlegenheitswahn und Herrenmenschendünkel. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und für einen  Solidarstaat, gegen Rassismus und für EU-Austritt sind für uns daher zwei Seiten einer Medaille. Der 15. Mai ist ein guter Tag, um dafür öffentlich ein Zeichen zu setzen.