Die Propaganda der rechtextremen „Identitären“ wurzelt tief in Konzeptionen der NS-Europapolitik. Gleichzeitig sind imperiale EU-Ambitionen und rechtsextreme Europakonzeptionen oftmals näher beisammen, als viele wahrhaben wollen.

 „Festung Europa“, „Europa den Europäern“, die „Befreiung Europas von raumfremden Mächten“, die Schaffung eines „europäischen Großraums“ basierend auf rassebiologischen Grundsätzen von „Volkstum und Völkerfamilie“, das „Aufräumen mit dem Kleinstaatengerümpel“ in Europa – all diese Propagandaformeln entstammen der Giftküche nationalsozialistischer Europa-Konzeptionen. Als „Identitäre“ knüpfen heutige Rechtsextreme an dieser NS-Europapolitik an. „Niemals war es wichtiger, dass die Europäer sich als solche begreifen und sich nicht durch nationalistische Ressentiments bei der Findung eines gemeinsamen und starken Überlebenswillens selbst im Wege stehen.“, formulieren die Identitären in ihrem Manifest „Warum wir Identitäre nicht nationalistisch sind.“ Für sie ist Europa ein Konglomerat „ethnokultureller Gemeinschaften“, denn „eine Gemeinschaft, die sich auf ethnisch-kulturelle Voraussetzungen gründet, basiert auf invariabler Zugehörigkeit.“ Denn: „In eine ethnokulturelle Gemeinschaft kann man nicht einfach so immigrieren, in eine Nation sehr wohl.“ (Identitäre Generation 2014). Und dieser „ethno-kulturellen Identität muss sich alles unterordnen“, so der langjährige Wortführer der Identitären Martin Sellner (Video Sellner, 2016). Hinter dem „ethno-kulturalistischem“ Lack wird überall der alte Rassismus sichtbar.

Militarisierung der „Festung Europa“

Die politischen Schlussfolgerungen der Identitären klingen seltsam vertraut: „Ein Ergebnis der Globalisierung ist der Umstand, dass Nationalstaaten zu klein sind, um ihre Angehörigen ausreichend zu vertreten, und mit wachsenden Problemen zu groß, um auf die Bedürfnisse der Regionen eingehen zu können.“ Mit diesem Konzept stehen die „Identitären“ nicht nur in der Tradition deutscher Weltmachts- und Hegemonialpolitik in Europa, sondern liberaler, grüner und anderer Strömungen im europäistischen Zentrum, und fordern wie diese folgerichtig „ein föderalistisch vereintes Europa“.

Deshalb findet man auch kein Sterbenswörtchen der Kritik von identitärer Seite an der derzeitigen Aufrüstungs- und Militarisierungspolitik der Europäischen Union, wie sie sich derzeit im „Strategischen Kompass“ manifestiert. Im Gegenteil: Alle identitäre Schriften sind durchzogen vom Gedanken der Militarisierung der „Nation Europa“ und der „Festung Europa“. Das deckt sich auch mit den sicherheitspolitischen Vorstellungen der FPÖ, die sich für eine „unabhängige Weltmacht Europa“ mit einer „starken europäischen Armee und internationalen Eingreiftruppen“ stark macht (siehe hier). Die EU-Kommission und die neofaschistische Regierung Italiens sind derzeit die Motoren zur Verwirklichung der „Festung Europa“ im Mittelmeer“.

Rassismus und „ethnokultureller“ Überlegenheitswahn sind oftmals bloß die Kehrseite einer EU-Politik, die – wie im „Strategischen Kompass“ der EU proklamiert - eine Region von der Arktis über Nord- und Zentralafrika bis hin zum Nahen Osten und dem südchinesischen Meer zur militärischen Interventionszone erklärt. Imperiale EU-Ambitionen und rechtsextreme Europakonzeptionen sind oftmals näher beisammen, als viele wahrhaben wollen.

(August 2023)