Ueberwachung zentraleDas neue österreichische Regierungsprogramm und die soeben beschlossene EU-Anti-Terrorrichtlinie gehen Hand in Hand auf dem Weg zur Totalüberwachung - auf Kosten unserer Grund- und Freiheitsrechte.

 

Mit der neuen österreichischen „Sicherheitsdoktrin“ wird der „Gläserne Mensch“ immer mehr Realität. Sie ist ein Schlag gegen unsere Grund- und Freiheitsrechte. Immer enger wird das Überwachungskorsett gezurrt für ein vermeintliches Stück mehr an Sicherheit. Technische Aufrüstung im Überwachungsbereich und Forcierung der Zusammenarbeit von Geheimdiensten, Polizei und Militär auf nationaler, internationaler und auf EU-Ebene, Ausbau von Überwachungsmaßnahmen im realen wie im Cyberraum, sowie die Schaffung neuer Gesetze sollen das Sicherheitsgefühl der Menschen stärken. Die Verschärfung bestehender Gesetze soll sogar so weit gehen, dass Maßnahmen, die bislang nur für verurteilte Straftäter vorgesehen waren, auch auf unbescholtene Menschen angewandt werden (etwa die Fußfessel *). Jeder Mensch läuft Gefahr, durch die unklare Definition des Begriffs des „Gefährders“ kriminalisiert und an die Fußfessel gelegt zu werden. Auch die Vorratsdatenspeicherung, die bereits mehrmals von Höchstgerichten für unvereinbar mit unseren Grundrechten erklärt wurde, soll hinterrücks wieder eingeführt werden.

„Bis ins Wohn- und Schlafzimmer überwacht“ueberwachung

Was kommt mit der neuen Sicherheitsdoktrin noch auf uns zu:

  • Videoüberwachung in Echtzeit (dzt. gibt es lt. ARGE Daten ca. 1 Million Kameras in Österreich – das entspricht 1 Kamera je 8 BürgerInnen)
  • Quick freeze von Kommunikationsdaten – Speicherung von Verkehrsdaten, Zugangsdaten und Standortdaten im Anlassfall bis 12 Monate
  • Überwachung der Internetkommunikation (WhatsApp, Skype ...)
  • Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten (PNR) - 64 Daten werden von den Fluggesellschaften/Passagier gespeichert)
  • Einschränkung der Versammlungsfreiheit (z.B. Demonstrationen)
  • volle Nutzung des Polizeilichen Staatsschutzgesetzes
  • Einführung eines elektronischen Kennzeichenerfassungssystems der ASFINAG,
  • Unbefristeter Einsatz der Kennzeichenerfassungssysteme des BMI an Grenzübergängen für mehrspurige KFZ, an denen Grenzkontrollen durchgeführt werden.
  • Ausweitung des Lauschangriffs auf private PKW („Schaffung der Möglichkeit der akustischen Überwachung außerhalb von vom Wohnrecht geschützter Räume.“)
  • Strafrecht: “Staatsfeindliche Verbindungen“: Einschränkung der Meinungsfreiheit
  • Registrierungspflicht bei Wertkartenhandys (Prepaid-SIM-Karten)
  • Verstärkte zivil-militärische Zusammenarbeit
  • Einsatz des Bundesheers innerhalb von Österreich
  • Verstärkte Zusammenarbeit und Datenaustausch der Geheimdienste

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs Gerhart Holzinger erhebt angesichts dieser Überwachungspläne warnend die Stimme: „Wollen wir in einer Welt leben, die den Einzelnen auf Schritt und Tritt bis ins Wohn- und Schlafzimmer überwacht?“ (Standard, 17.2.2017)

EU-Anti-Terror-Richtlinie
Dieser Ausbau des Überwachungsstaates durch das neue Regierungsprogramm geht Hand in Hand mit der EU-Anti-Terror-Richtlinie, die im Februar 2017 im EU-Parlament mit großer Mehrheit beschlossen wurden. Durch die darin weit gefasste Definition von „Terrorismus“ können Regierungen auch Gewerkschafts-, Klima-, Umwelt-, Tierrechts- oder Bürgerrechtsbewegungen mit der Begründung „Terrorismus“ kriminalisieren. Wer zum Beispiel „grundlegende politische, verfassungsrechtliche, wirtschaftliche oder soziale Strukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation“ in Frage stellt, bzw. wer „vorsätzlich Handlungen begeht oder androht“, die zu „größeren wirtschaftlichen Verlusten“ führen, gerät ins Visier dieser EU-Richtlinie. Aktionen wie die Besetzung der Hainburger Au könnten dadurch als „terroristischer Akt“ gewertet und mit hohen Strafen verfolgt werden. Doch was wurde in der Richtlinie noch beschlossen – hier ein Auszug:

  • Möglichkeit zu Netzsperren/Webblockaden
  • Kleiner und großer Lauschangriff
  • Einführung des Straftatbestandes „öffentliche Provokation“ (Gesinnungsstrafrecht)
  • Einsatz der Fluggastdatenspeicherung zum Abgleich der Reisedaten von Flugzeugpassagieren mit Reisemustern, von denen angenommen wird, dass sie für Terroristen charakterischisch sind
  • Geheime elektronische Überwachung von „Gefährdern“ (Staatstrojaner)

Sowohl die neue österreichische Sicherheitsdoktrin, als auch die neue EU-Terrorrichtlinie führen zu noch mehr Bespitzelung und Repression. Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je, sich nicht einschüchtern zu lassen. Um in Sicherheit unsere demokratischen Rechte ohne Angst wahrnehmen zu können, müssen unsere Privatsphäre, unserer Grund- und Freiheitsrechte vor Repression geschützt werden. Engagieren wir uns gemeinsam gegen diese Eingriffe in unsere Privatsphäre, gegen die Kriminalisierung von politischem Engagement und für Meinungsfreiheit. Zum Beispiel mit der Solidarwerkstatt.

Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, hat beides schon verloren.

Eveline Steinbacher
(März 2017)

* In diesem Punkt scheint die Bundesregierung mittlerweile zur Vernunft zu kommen. Laut Kurier hat Justizminister Wolfgang Brandstetter in einem Erlass klargestellt, dass die Fußfessel nicht als gelinderes Mittel zur Überwachung von "Gefährdern" eingeseetzt werden kann, sondern nur als Alternative zur U-Haft.