Österreichs Sozialstaat und Gemeinden in Europas Würgegriff. Bereits im Juli erreichte Österreich ein Brief aus Brüssel, der die Rückkehr der Austeritätsdiktate ankündigt.


Gerade jetzt, da in unseren 2093 Gemeinden die Budgets für 2025 in einen - schon bisher darstisch abgespeckten - Rahmen hineingepresst werden, kommt die „unerwartete“ Hiobsbotschaft aus Wien. Die vom Bund gespeisten Budgets der neun Bundesländer und somit aller Gemeinden werden trotz 2023 paktierten Vereinbarungen des Bundesfinanzausgleichs, einseitig um 2,9% für 2025 gekürzt. In Summe bedeutet das allein für Oberösterreichs 438 Gemeinden ein Minus von 107 Millionen Euro.

Gemeinden müssen 2.9 Prozent kürzen

Das gespielte Entsetzen der Landeshauptleute, in Oberösterreich der ÖVP/FPÖ Landesregierung, gleicht einem Theaterdonner gegenüber der Bevölkerung. Das Heulen in Österreichs Medienlandschaft und Heucheln der Landeshauptleute Anfang November 2024 steht im krassen Wiederspruch zu dem seit 9. Juli 2024 auch in Österreichs Politik bekannten Brief aus Brüssel mit den Empfehlungen zum Abbau unseres Sozialstaates. Absender dieses Briefes ist das „Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union“ in Brüssel, welches der Österreichischen Bundesregierung dringendes und eindringliches zu Sagen hat. Brüssel empfiehlt im Punkt 1 von 4,

„dass Österreich 2024 und 2025 Maßnahmen ergreift, um den mittelfristig strukturellen finanzpolitischen Plan rechtzeitig zu übermitteln, den Wachstum der Nettoausgaben den Anforderungen des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts entsprechend im Jahr 2025 auf eine Rate zu beschränken, die unter anderem damit vereinbar ist, den gesamtstaatlichen Schuldenstand mittelfristig auf einen plausibel rückläufigen Pfad zu bringen und den im Vertrag festgelegten Defizit-Referenzwert von 3% des BIP einzuhalten; die finanzielle Tragfähigkeit des Gesundheits- und Pflegesystems zu verbessern, die Finanzbeziehungen und Zuständigkeiten der verschiedenen staatlichen Ebenen zu vereinfachen und zu rationalisieren und die Finanzierungs- und Ausgabenverantwortlichkeit einander anzugleichen, den Steuermix weiter zu verbessern, damit die Steuer- und Abgabenbelastung verringert und ein inklusives und nachhaltiges Wachstum gefördert wird.“

Dieser Punkt 1, bringt in einer Satzgirlande den Inhalt der gesamten Europapolitik auf den Punkt: öffentliche Budgets in allen Bereichen - außer Militär - zu kürzen, um die Mastrichtkriterien einzuhalten. Für die „Wirtschaft“ sollen die Steuern und Abgaben gesenkt werden, ohne darauf hinzuweisen, wie ein Sozialstaat ohne diese Abgaben weiterhin seine notwendigen Leistungen für die Menschen bringen soll. Die Gemeinden weiterhin finanziell auszuhungern, um öffentliche Daseinsfürsorge und Dienstleistungen für Privatisierungsfantasien reif zu sparen. Alles Öffentliche steht zur Disposition, alles soll dem Hunger des freien Marktes geopfert werden.

Wer die Finanzflüsse im föderalen Österreich kennt, weiß aus den letzten Jahren, dass alle Gemeinden in Österreich mit kräftigen Kürzungen ihrer Budgets belastet waren. Und das trifft wiederum über verschiedene Umlagesysteme, welche die Gemeinden finanzieren müssen, den gebeutelten Gesundheits- und Pflegebereich, die Bildung, welche schon heuer um 90 Millionen (inflationsbereinigt) gekürzt wurde, im Grunde genommen die gesamte soziale Infrastruktur. Vereine und ehrenamtlichen Stützen unserer Gesellschaft in Sport, Kultur, Rettung, Feuerwehr und Gemeinwesen, werden mit der Reaktion der Länder, das Budget um 2,9 % zu kürzen, für völlig dumm verkauft.

Länder schlucken ein Drittel

Die medial heulenden Landeshauptleute trifft es politisch am geringsten. Ihre Arbeit besteht ausschließlich im Verteilen der gekürzten Gelder des Bundes an die Gemeinden. In den entmündigten Gemeinden bleibt aufgrund fehlender politischer Regulative nur das Erdulden dieser politischen Misere. Bis die zustehenden Gelder vom Bund in den Gemeinden für ihre Arbeit vor Ort ankommt, durchläuft es ein kompliziertes Prozedere, in welchen sich die Länder als Langfinger erweisen. Es kommt nur ein Teil in ihre Gemeindebudgets. Das Land schluckt ein Drittel für ihre politischen Interessen (sh. Schaubild).

 Gemeindeertragsanteile

Für die Menschen in den Gemeinden äußern sich die schon bisherigen Sparpakte in mangelnder oder gar fehlender Infrastruktur in der Fläche. Krankenhäuser werden stillgelegt, so in Enns. Ganze Trakte in Pflegeeinrichtungen stehen leer, da ein Ausbilden und ausreichende Besoldung eines Personals jahrzehntelang verabsäumt wurde. Geld für Pflege, Fehlanzeige. Geld für Autobahnen, reichlich! Turnhallen und ganze Schulen sollten saniert werden, für öffentlichen Verkehr und Rad Netze gibt es leider kein Geld, es muss, laut Landespolitik gespart werden. Und immer sind die notleidenden Abgangsgemeinden diejenigen, welche laut Landespolitik nicht wirtschaften können.

Allen Gemeinden bleibt für 2024 eine negative Differenz oder Verlust der bisher ausverhandelten Bundesertragsanteile für die Gemeinden von minus 3,1 Milliarden Euro ohne variable Bedarfszuweisungen der Länder, welche die Gemeinden nicht eigenverantwortlich verwalten oder infrastrukturell Investieren können. Ein politischer und finanzieller Schlag ins Gesicht der an und für sich autonomen Gemeinden, wenn sagen und schreibe 32% der ihnen zustehenden Finanzmittel von den Ländern zwangsweise für deren politisches Dasein abgezweigt werden.

Es ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten, wenn die OÖ Landesrätin für Gesundheit, Christine Haberlander, in den Medien über die Budgetkürzungen von 2,9 % für die Gemeinden äußert: „Quer über alle Bereiche werden wir gefordert sein, unseren Beitrag zu leisten, denn es gibt durchwegs mehr Geld, aber eben weniger mehr als viele sich wünschen würden“. (1)

Dass meine Heimatgemeinde Ottensheim eine einzigartige „Landesumlage“ an die OÖ Landesadeligen in Höhe von 274.000 Euro jährlich abliefern muss, um sich solch arrogante Sprüche gefallen lassen zu müssen, ist bei immer weiteren Budgetkürzungen nicht zu verstehen.

Wer schnallt enger?

In Niederösterreich phantasiert Finanzlandesrat Schleritzko: „Wenn sich die Prognose bewahrheitet, bedeutet das für uns als Länder, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen. Das tun wir.“ (2)

Wer schnallt enger? Von den Gemeinden, welche diese Misere des Niedergangs seit Jahren managen müssen, ist keine Rede. Die Landesregierungen müssen nicht den Gürtel enger schnallen, das ist eine eklatante Falschinformation. Es trifft ausschließlich die Gemeinden und ihre Bevölkerung, welche ihre Gürtel enger schnallen sollen!

Rudolf Schober

Quellen:

(1) OÖ Krone, 3.11.2024 S.30
(2) OÖN, 2.11.2024 S.3