Die Debatte um den Prozess der Beschlussfassung des Freihandelsabkommens der EU mit Kanada (CETA) zeigt einmal mehr: Die EU hat kein Demokratiedefizit, die EU ist vielmehr ein Elitenprojekt zur Beseitigung demokratischen Errungenschaften, die in jahrhundertelangen Auseinandersetzungen erkämpft worden sind. Eine Volksabstimmung über CETA & Co ist die einzige Chance, dem weiteren Abgleiten in vordemokratische Verhältnisse wirksam entgegenzutreten!
Vor einigen Tagen kanzelte der EU-Kommissionspräsident das Ansinnen, die nationalen Parlamente über CETA abstimmen zu lassen, mit der Bemerkung ab: „Lassen Sie mich in Ruhe mit diesem österreichischen Klamauk.“ (zit. nach Der Standard, 29.6.2016). Diese Position konnte die Kommission zwar nicht aufrechterhalten, aber auch der jetzige Vorschlag, CETA doch als „gemischtes“ Verfahren anzuerkennen, das den nationalen Parlamente Mitentscheidung gewährt, steckt voller Fallstricke:
- Ob das nämlich so bleibt, soll von der Entscheidung des EuGH über das EU-Singapur-Abkommen abhängig gemacht werden. Wird dieses vom EuGH nämlich als „EU-only“-Verfahren bewertet, entfällt auch schon wieder die Mitentscheidung der nationalen Parlamente über CETA.
- Die EU-Kommission hat außerdem angekündigt, dass, auch wenn die nationalen Parlamente darüber abstimmen werden, sie CETA mit Hilfe des Artikels 218 des EU-Vertrags „vorläufig anwenden“ wird. Was heißt das? De facto tritt der Vertrag dann trotzdem in Kraft. Ein diesbezügliches Beispiel kennen wir bereits: Im österreichischen Parlament hat sich bis heute keine Mehrheit für die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Peru und Kolumbien gefunden. „Vorläufig angewendet“ wird es trotzdem seit 2013. So können die Parlamente einmal mehr vorgeführt und ausgetrickst werden.
Dieser demokratiepolitische Albtraum aus Willkür und Rechtsunsicherheit wird durch den EU-Vertrag von Lissabon ermöglicht. Dieser hat das Tor dafür geöffnet, Freihandelsverträge, die tiefgreifende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben, durch Winkelzüge der Eliten an den Parlamenten und Bevölkerungen vorbeizumogeln. Einmal mehr zeigt sich, dass die Beschlussfassung des Lissabon-Vertrags ohne Volksabstimmung ein kalter Verfassungsputsch war. Denn die Ermächtigung für Brüssel, so tiefgreifende Eingriffe in die österreichische Verfassung vorzunehmen, ist zwingend an eine Volksabstimmung gebunden! Umso wichtiger ist jetzt: VOLKSABSTIMMUNG IN ÖSTERREICH ÜBER CETA, TTIP & CO! Alles andere wäre nur eine Fortsetzung dieses Verfassungsbruchs und des weiteren Abgleitens in vordemokratische Verhältnisse.
=> Bitte unterstützt daher die von der Solidarwerkstatt gestartete parlamentarische BürgerInnen-Initiative „FAIRHANDEL(n) STATT FREIH(?)HANDEL!“:
http://www.solidarwerkstatt.at/index.php?option=com_content&view=article&id=1128&Itemid=86
PS: Auch die österreichische Regierung beteiligt sich an diesem Verwirrspiel. Während sich in Österreich die Kanzlerpartei SPÖ CETA- und TTIP-kritisch gibt, hat ihr Vorsitzender und Bundeskanzler Christian Kern im Verein mit allen anderen EU-Staats- und Regierungschefs vor wenigen Tagen beim EU-Gipfel Ende Juni die neue „EU-Globalstrategie“ beschlossen. Dort findet sich folgender aufschlussreiche Passus:
„Die EU wird eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) mit den Vereinigten Staaten anstreben. Ebenso wie das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) mit Kanada bezeugt TTIP das transatlantische Bekenntnis zu gemeinsamen Werten und zeigt unsere Bereitschaft, eine ehrgeizige und geregelte Handelsagenda zu verfolgen.“
Diese „EU-Globalstrategie“ wurde klammheimlich Ende Juni vom Europäischen Rat abgenickt – abseits jeglicher öffentlicher Debatte und Berichterstattung. Auch dieses Hinterzimmer-Manöver zeigen, wie wichtig es ist, dass wir uns nicht auf irgendwelche salbungsvollen Versprechungen verlassen, sondern uns selbst ermächtigen: VOLKSABSTIMMUNG!