ImageAngetrieben von rassistischem Herrenmenschendünkel und Allmachtsphantasien richtete Anders Behring Breivik ein Blutbad in Oslo und Utoya an. Das Massaker macht fassungslos. Politik und Medien erklären entsetzt, der Täter komme „aus der Mitte der Gesellschaft“, er sei „einer von uns“. Mich beschleicht Unbehagen, wenn ich das höre.



Einer von euch!

Angetrieben von rassistischem Herrenmenschendünkel und Allmachtsphantasien richtet Anders Behring Breivik ein Blutbad in Oslo und Utoya an. Das Massaker macht fassungslos. Politik und Medien erklären entsetzt, der Täter komme „aus der Mitte der Gesellschaft“, er sei „einer von uns“.

Mich beschleicht Unbehagen, wenn ich das höre. Einer von uns? Angesichts des grauenhaften Massakers in Norwegen kommen vor meinem geistigen Auge ganz andere Bilder hoch: Zum Beispiel das Bild von zwei US-amerikanischen Cruise Missiles, die im Februar 1991 in den Amyria-Luftschutzkeller in Bagdad präzisionsgesteuert eindringen und mit einem Schlag 400 schutzsuchende ZivilistInnen pulverisieren. Oder Bilder von Februar 1991, als tausende irakische Soldaten von sog. „Bergepanzern“ mit riesigen Baggerschaufeln bei lebendigem Leib in ihren Stellungen im Wüstensand begraben werden. Bilder der bosnischen Stadt Hadzici, wo ein NATO-Angriff mit uranhaltigen Bomben im Jahr 1995 innerhalb kurzer Zeit ein Drittel der Einwohner wegrafft. Bilder vom Raketenangriff auf das jugoslawische Fernsehgebäude im April 1999, deren Detonationsdruck die Leichenteile hunderte Meter weit über Belgrad verstreut. Bilder aus Masar- i-Sharif in Afghanistan im November 2001, wo 800 Kriegsgefangene von US-Helikoptern aus mit MG-Feuer von 1.800 Schuss pro Minute regelrecht zerhackt werden. Bilder aus Bagdad im Jahr 2007, als Kampfhubschrauber Zivilisten in Bagdad wie bei einem Videospiel abknallen und selbst die Krankentransporte noch unter Beschuss genommen werden. „Hübsch, gut geschossen“, loben sich die Piloten anschließend. Bilder aus Gaza an der Jahreswende 2008/09, als auf dicht besiedeltes Gebiet Brandbomben aus weißem Phosphor niedergehen, die das Fleisch bis auf die Knochen durchschmoren lassen. Bilder vom September 2009 im afghanischen Kunduz, wo auf Anweisung der deutschen Bundeswehr in Sekundenschnelle  über hundert Menschen im Bombenhagel verglühen, als sie Benzin von einem entführten Tanklaster abzapfen wollen. Ich sehe Bilder aus Tripolis vor meinem geistigen Auge, wo seit Monaten „die EU Leadership zeigt“ (O-Ton Tony Blair), indem Tag für Tag Dutzende Zivilisten durch NATO-Bomben zerfetzt wurden.

All diese Bilder, die in mir aufsteigen, sind winzige Ausschnitte jener Kriege, die die westlichen Streitmächte seit den 90er Jahren gegen – vorwiegend muslimische – Länder führ(t)en, weil diese aus geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen zum Abschuss freigegeben wurden. Der Ausdruck Krieg ist fast verharmlosend, zumeist sind es regelrechte Massaker, verübt von einer absoluten militärischen Übermacht der westlichen Aggressoren, ihre Hauptopfer wehrlose ZivilistInnen. Die Opferzahl geht in die Hunderttausende, manche Schätzungen gehen über eine Million. Und viele der Flüchtlinge werden in Europa erneut zu Zielscheiben politischer Hasskampagnen, in deren Sumpf Verbrecher wie Breivik gedeihen.

An die für diese Massakerkriege Verantwortlichen in Washington, Brüssel, Berlin, Paris, London und wo auch immer habe ich eine Botschaft: Anders Behring Breivik ist ein Massenmörder, getrieben von rassistischem Herrenmenschendünkel und Allmachtsphantasien. Er ist keiner von uns, er ist einer von euch.

Gerald Oberansmayr