Stellungnahme des Vorstands der Solidarwerkstatt Österreich zum Antiterrorpaket und zur Sicherheitspolitik der österreichischen Bundesregierung.

 

Vorbemerkung: Regierungsentwurf bestätigt Analyse der Solidarwerkstatt:

Novelle zum StGB ist verfassungswidrig und nutzlos.

Wer am Mittwoch, 16.12.2021, das Abendjournal gehört hat, wurde Ohrenzeuge einer jenseitigen Aufführung. Zunächst hörte man die grüne Justizministerin Alma Zadic: Mit der Einführung eines Straftatbestandes „religiös motivierte extremistische Verbindung“ im §247b StGB sei ein Punkt aus dem Antiterrorpaket „verfassungskonform“ auf Schiene gebracht, weil er religionsneutral formuliert sei. Unmittelbar darauf hörte man die „Integrationsministerin“ Raab mit den Worten, damit werde ein Straftatbestand gegen den „politischen Islam“ geschaffen. Das stehe zwar so nicht im Gesetz aber in den Erläuterungen. Führende Verfassungsrechtler bezeichneten den Gesetzesvorschlag umgehend als verfassungswidrig. Strafrechtsexperten sehen eine Duplizierung oder gar Verdreifachung – bereits bestehender Bestimmungen. Damit wird deutlich, um was es der Regierung in Wahrheit geht: Es geht nicht um den Schutz der Menschen vor terroristischen Straftaten, sondern um eine identitäre, antimuslimische Inszenierung zur Maximierung von Wählerstimmen.

A) Chronologie
  1. Das Attentat

Am 2. November ereignete sich in Wien ein tragisches Terrorattentat. Einschließlich des Attentäters wurden fünf Menschen getötet, 23 Menschen wurden, teilweise schwer, verletzt. Verschuldet wurde das Verbrechen durch einen 20jährigen Österreicher mit Wurzeln in Nordmazedonien. Als Begründung für seine Gewalttat dürfte ein ideologisches Konstrukt unter Bezugnahme auf die islamische Religion gedient haben. Wir können annehmen, dass sich der Attentäter dieses Konstrukt nicht allein zurechtgezimmert hat. Es ist naheliegend, dass da auch andere, organisiert, mitgewirkt haben.

Im Jahresbericht für 2019 des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung werden drei Milieus benannt, in denen sich junge Menschen mit Bezug zum islamischen Glauben bis zur Gewaltbereitschaft radikalisieren: das Internet, Gefängnisse und Flüchtlingslager v. a. in Syrien. Und so war auch der Attentäter kein Unbekannter. Er ist bereits wegen seiner Absicht, sich dem sogenannten „Islamischen Staat“ in Syrien als Kämpfer anzuschließen, bestraft worden, war im Gefängnis und stand in seiner Bewährungszeit unter Beobachtung der Behörden. Trotz eindeutiger Hinweise slowakischer und deutscher Behörden, dass er ein Attentat vorbereitet, wurde diesen Hinweisen nicht nachgegangen. Die mit der Resozialisierung des Täters verantwortlichen Justizbehörden wurden von den Polizeibehörden nicht informiert. Es ist eine Tatsache, dass ein schweres Behördenversagen im Vorfeld des Attentats vorliegt. Wer dafür verantwortlich ist, soll erst noch untersucht werden.

  1. Die Razzia

Eine ursprünglich für den 3. Nov. 2020 geplante Razzia wurde aufgrund des Attentats auf Montag, den 9. Nov. 2020 verschoben und am frühen Morgen dieses Tages durchgezogen. Mehr als 60 Hausdurchsuchungen wurden bei Menschen und Einrichtungen durchgeführt, denen ein Naheverhältnis zur Muslimbruderschaft und der Hamas vorgeworfen wird. Die Razzia wurde von langer Hand vorbereitet. Die Vorbereitung reicht bis in die Mitte des Jahres 2019 zurück. Man bemühte sich erst gar nicht den Opfern dieses staatlichen Willkürakts konkrete Straftaten oder die Vorbereitung gegen Österreich gerichteter Taten vorzuwerfen. Es wurden auch keine Waffen gefunden und niemand verhaftet. 200.000,- Eur in bar wurden beschlagnahmt und Vermögenswerte in Höhe von 25 Mio Eur sichergestellt. Bis heute ist die Öffentlichkeit völlig im Unklaren darüber, auf welcher rechtlichen Grundlage diese Eingriffe durchgeführt wurden und was den Opfern konkret vorgeworfen wird. In 16St52/19t der Staatsanwaltschaft Graz findet sich ein nach dem Prinzip copy and paste aus halbwissenschaftlichen Studien zusammengeschustertes Textkonvolut. „Wenn es einen gemeinsamen Faden zwischen allen Betroffenen gab, dann war es, dass alle für die palästinensische Sache kampagnisierten oder arbeiteten.“ (If there was a common thread between all of those targeted, it was that they all campaigned for, or worked for Palestinian causes.“, Anas Altikriti, Middle East Eye, Nov. 2020)

  1. Das Antiterrorpaket

Am 11. Nov. 2020 kündigte die Regierung ein „Anti-Terror-Paket“ an. Dieses „Anti-Terror-Paket“ weckt in Teilen Assoziationen an Guantanamo. Guantanamo ist ein Militärstützpunkt der USA auf der Karibikinsel Kuba. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 wurden dort im Zuge des sogenannten „War on Terror“ Gefangene interniert, denen vorgeworfen wurde, Feinde der USA zu sein. Warum auf Guantanamo? Die so Verfolgten sollten sich weder unter Berufung auf internationales noch mit Hilfe US-amerikanischen Rechts zur Wehr setzen können. Diesen Menschen sollte damit demonstriert werden, dass sie sich mit einem Gegner angelegt haben, der so mächtig ist, dass er jegliches Recht außer Kraft setzen kann. Diese Strategie ist gescheitert. Weder der Terror, noch der Krieg sind verschwunden.

Österreich verfügt über keine exterritorialen Militärstützpunkte. Das mit dem Antiterrorpaket verbundene Ansinnen skizziert jedoch eine Bundesregierung, die gern ein Guantanamo hätte. Recht und Rechtsstaatlichkeit, wie sie über Jahrhunderte durchgesetzt wurden, sollen für sogenannte islamistische Terroristen nicht gelten. Trotz der Bekundung, dass dies alles menschenrechtskonform implementiert werden soll, ist – ja wir wissen es nicht- ist es tatsächliche Absicht oder bloß leere Ankündigung, an die Grenzen des Rechts und notfalls darüber hinaus zu gehen, unverkennbar.

„Terrorismus und die Ideologie dahinter müssen mit allen Mitteln bekämpft werden“ (BK Kurz, Wiener Zeitung, 11.11.2020) Ein Terrorist soll „lebenslang weggesperrt werden“ können. (Kurz ebda.) „Fixpunkt des Maßnahmenpakets ist weiters die Möglichkeit, dass potenzielle Gefährder nach einer Haftentlassung mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet werden.“ (Wiener Zeitung, 11.11.2020). Ein eigener Straftatbestand „religiös motivierter politischer Extremismus“ soll geschaffen werden. Weiters soll es die Möglichkeit zur Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach Terror-Verurteilung geben. Im Dez. d. J. sollen entsprechende konkrete Gesetzesinitiativen folgen.

4. Brauchen wir neue, schärfere Gesetze?

Das Attentat vom 2.11.2020 hätte - wie zahlreiche andere Terrorangriffe in Europa der letzten Jahre – im Rahmen der bestehenden Gesetze und mit den bestehenden Institutionen verhindert werden können. Wir brauchen kein Antiterrorpaket. Wir finden bereits jetzt eine Reihe von Gesinnungsstraftatbeständen im Strafrecht. Erinnern wir uns an den Prozess gegen die TierrechtsaktivistInnen 2008ff. 8 Menschen wurden 8 Monate in Untersuchungshaft genommen. Ihnen wurde nicht vorgeworfen, eine konkrete Straftat begangen zu haben, sondern organisiert eine Gesinnung zu verbreiten, die andere Menschen zu Straftaten motivieren könnte. Am 26.4.2020 wurde ein Aktivist des Anatolischen Kulturvereins zu 3 Monaten bedingter Haft nach §282 StGB („Aufforderung und Gutheißung terroristischer Straftaten“) verurteilt. Seine Straftat: Er hielt beim 1. Mai Aufmarsch das Foto eines türkischen Aktivisten, der vom türkischen Staat als Terrorist verfolgt wird. Bereits 2001 wurden auf Grund einer EU-Richtlinie die §§278b ff) (Bildung einer terroristischen Vereinigung) in das StGB aufgenommen. Eine faktenbasierte Sicherheitspolitik bedarf keinerlei gesetzlicher Verschärfungen, eher Gegenteiliges.

B) Kann das Antiterrorpaket „menschenrechtskonform“ in Gesetze gegossen werden?

Von besonderer Bedeutung scheint dem Kanzler das Wegsperren zu sein. Am Besten im Vorhinein und auf Dauer. Bereits in der Regierungserklärung wurde verankert, es solle ein „zusätzlicher, verfassungskonformer Hafttatbestand (Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit) eingeführt werden für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die die öffentliche Sicherheit gefährden“. (Koalitionsabkommen) Jetzt sollen verurteilte Terroristen in den Maßnahmenvollzug kommen. Was bedeutet das? Der Kanzler erklärt es uns: Wenn ein geistig abnormer Rechtsbrecher lebenslang so (im Maßnahmenvollzug, Anm. B.L.) inhaftiert werden kann, „kann auch ein Terrorist lebenslang weggesperrt werden.“ (Wiener Zeitung 11.11.2020) Gemäß einer „international standardisierten Gefährdungseinschätzung“, assistiert die grüne Klubobfrau, Siegrid Maurer. Eine solche Einschätzung ist aber dennoch kein Urteil eines unabhängigen Gerichts und taugt deshalb allenfalls für eine Inhaftierung in Guantanamo, über das Österreich aber eben nicht verfügt.

Freilich ein verurteilter Terrorist könnte auch jetzt, im Rahmen der bestehenden Gesetze, in den Maßnahmenvollzug kommen. Voraussetzung: ein psychiatrisches Gutachten, das ihm bescheinigt, dass er ein „geistig abnormer Rechtsbrecher“ ist. Es ist naheliegend zu fragen, welch geistiger Verfassung jemand ist, der wahllos andere Menschen tötet und dabei selbst mit großer Sicherheit zu Grunde geht, auch wenn das noch kein psychiatrisches Gutachten ergibt. Die Regierung spricht bereits im Regierungsprogramm wiederholt vom „religiös, motivierten politischen Extremismus“. Im Sinne einer effektiven Terrorabwehr wäre es tatsächlich von Bedeutung, zu klären, ob der Attentäter religiös oder politisch motiviert war, oder ob noch ganz andere Gründe für seine Entwicklung hin zum Gewalttäter zu untersuchen sind. All das interessiert aber die Regierung nicht. Man/frau suhlt sich lieber in der „war on terror“ – Rhetorik, die wir seit 9/11 kennen. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, verkündet unser Kanzler, man habe uns, „unserer Lebensweise“, den Krieg erklärt. Man lasse sich aber nicht unterkriegen. Der Attentäter, Abgesandter einer bösen, berechnenden, zu allem bereiten Macht. „Das kann keiner von uns sein!“, so das zusammengebastelte, narzißtische Narrativ. Dem Attentäter geistige Abnormität zu attestieren, würde diesem Narrativ in die Quere kommen. Ja schon minderwertig, blöd, anders, aber auch berechnend, hinterhältig, gefährlich. (Er habe die Behörden getäuscht. Eine Behauptung, der von den betrauten Sozialarbeitern widersprochen wurde. Es habe von ihrer Seite keine Entwarnung gegeben.) Auch die zweite Fetischforderung der Rechtsextremen ist nunmehr Gemeingut der grün-türkisen Querfront in der Regierung geworden: die Aberkennung der Staatsbürgerschaft für alle möglichen Leute, klarerweise auch für Terroristen.

Nicht nur im Antiterrorpaket der Bundesregierung; auch im oö. Landtag wurde mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen ein Initiativantrag beschlossen, in dessem ersten Punkt Entzug von Staatsbürgerschaft und eine rasche Außerlandesbringung gefordert wird. „Wer ausländische Terroristen unterstützt, hat kein Recht Österreicher zu sein.“ (OÖ. Landtag: Beilage 1491/2020).(In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die oö Landesregierung Jugendorganisationen, die dem rechtsextremen Terror aufgeschlossen gegenüber stehen mit Mitteln im sechsstelligen Bereich fördern.) Wo will man diese Leute hinbringen? Kein Mensch kann erklären, wie eine derartige Maßnahme, dazu beitragen würde, Terror zu verhindern und die Sicherheitslage zu verbessern. Es gibt zahlreiche Berichte, nach denen die Flüchtlingslager für IS-Kämpfer in Syrien geradezu eine Brutstätte zur gewaltbereiten Radikalisierung junger Menschen sind. Es wäre höchst an der Zeit hier aktiv zu werden, diese Menschen dem österreichischen Strafrecht zuzuführen, ihnen aber auch eine Perspektive zum Ausstieg aus diesen Strukturen zu bieten. Das würde die Sicherheitslage nachhaltig verbessern. Aber darum geht es anscheinend gar nicht. Gleiches gilt für das Vorhaben der Einführung eines strafrechtlichen Verbots des „politischen Islam“. „Religiös motivierter politischer Extremismus“ bemühen sich die Grünen umgehend zu neutralisieren. Ebenso soll es die Möglichkeit geben, Kultusstätten bei Terrorismuspropaganda zu schließen, obwohl bisherige behördliche Maßnahmen in diese Richtung überhaupt nichts gebracht haben.

Es ist mehr als fraglich, ob es der Regierung tatsächlich gelingt, im Dezember konkrete „menschenrechtskonforme“ Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen. Geht es also bloß um Symbolpolitik? Auch wenn dieser Fall eintreten sollte, sollte uns das nicht beruhigen. Die Razzia vom 9.Nov. 2020 gegen etablierte, respektierte MuslimInnen und anerkannte islamische Institutionen zeigt, dass die Regierung keine neuen Gesetze braucht, um gegen MuslimInnen vorzugehen, sie einzuschüchtern und in ihren Menschenrechten zu beschneiden. Kurz betreibt eine 180 Grad Wende in der österreichischen Nahostpolitik. In der Vergangenheit hat Österreich als Makler der palästinensischen Sache, als Staat, der auch jenen eine Stimme gibt, die verfolgt und entrechtet werden, großes Ansehen erworben. Die Linie von Kurz und damit der türkis-grünen Regierung ist eine fundamental andere. Mitkläffen mit den Mächtigen, rücksichtslos gegenüber den Schwachen, lautet nunmehr die Devise. Die Muslimbrüder sind keine Gefahr für Österreich, sehr wohl aber eine Gefahr für die Macht der Despotien am Golf oder der Sisi-Diktatur in Ägypten. Unter völliger Missachtung der Neutralität paktiert Österreich mit diesen Mächten und dient sich bei der Liquidierung deren Opposition an. Österreich betreibt eine intensive militärische Kooperation mit der rechtsextremen israelischen Regierung und will von deren Know How bei der Segregation und Unterdrückung der arabisch stämmigen Bevölkerung profitieren.

Mit der Verhinderung von Terrorakten hat das alles nichts zu tun. Im Gegenteil: Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass diese neue politische Ausrichtung der österreichischen Nahostpolitik für das Behördenversagen mitverantwortlich ist, das den Terroranschlag am 2. Nov. 2020 erst ermöglicht hat.

C) Was ist neu an der rechten türkis-grünen Regierung?

Im ersten Eindruck von Programm und Praxis der türkis-grünen Regierung kamen wir zum Schluss, sie sei gewissermaßen die Neuauflage der alten Großen Koalition, mit den Grünen in der Rolle der Sozialdemokratie. Dieses Bild skizziert die Gemengelage nicht vollständig. Zunächst ist festzuhalten, dass Türkis nicht Schwarz ist. Kurz und die Seinen intensivieren die identitäre, rechte Mobilisierung. Die Grünen treten dem nicht wirklich entgegen, sondern sorgen bloß für deren Kompatibilität mit dem EU-Hegemonialprojekt. Das hat diese Regierungskonstellation auch aus der Perspektive der Eliten so wünschenswert gemacht. Es geht gewissermaßen nicht nur darum, die FPÖ kleinzuhalten, sondern strategisch die identitäre, rechte Mobilisierung dauerhaft mit dem EU-Projekt zu verbinden. (Anmerkung: Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, hat im „Saldo“-Interview am Freitag, 27.11.2020, ein volles Kommitment der Industrie zu den EU-Klimazielen abgegeben, gleichzeitig aber betont, dass er sich dafür den Schutz der europäischen Industrie von seiten der EU-Institutionen erwartet. Z. B.: über Klimazölle). Ein Vorbild dafür findet die Regierung in der französischen Politik. Es geht gewissermaßen um eine europäische Facon Trump’scher Politik nach der Devise: Rücksichtslos zum eigenen Vorteil. Freilich mit mehr Smartness. Sich diesbezüglich vom scheidenden US-Präsidenten abzusetzen, scheint auch nicht sehr schwer zu sein. Eine breite Opposition scheint sich nicht quer zu dieser strategischen Orientierung zu entwickeln, sondern gewissermaßen im Parallelslalom mit dem Regierungshandeln.

D) Für eine faktenbasierte Sicherheitspolitik – für die Verteidigung der Grund- und Freiheitsrechte – Nein zur identitären antimuslimischen Mobilisierung – für eine Nahostpolitik unter Achtung der immerwährenden Neutralität.

Gegenüber terroristischen Gewalttaten kann es keine Toleranz geben. Der Staat muss die Menschen davor schützen. Äffische Kriegsrhetorik leistet dazu ebenso wenig einen Beitrag, wie die Beschneidung der Grund- und Freiheitsrechte insbesondere auch unserer muslimischen Mitmenschen. Klarerweise muss eine glaubwürdige Antiterrorpolitik auch die Sicherstellung der Rahmenbedingungen für eine effektive polizeiliche Arbeit umfassen. Sie darf aber nicht dabei stehen bleiben. Es gilt auch den gesellschaftspolitischen Gesamtrahmen zu befragen. Wenn im Besonderen in diesem Zusammenhang auch die Politik gegenüber den muslimischen Ländern hinterfragt wird, wenn nach den Lebensbedingungen und -perspektiven junger Menschen, die sich zu „Gefährdern“ entwickeln, gefragt wird, bedeutet das nicht, einen Attentäter zu exculpieren. Das Hinterfragen ist schlichtweg für eine effektive Terrorabwehr unverzichtbar. Im Verfassungsschutzbericht wird von „gescheiterten Existenzen, die arbeitslos seien“ (OÖN, 27.11.2020) als radikalisierungsgefährdet gesprochen. Daran wird schon was wahr sein, ob es etwas hilft, einem 20jährigen Mann zu sagen, dass er eine gescheiterte Existenz sei, bleibt aber auch fraglich. Anstatt diese Menschen gezielt in die Verzweiflung zu treiben, sind wir im Interesse unserer Sicherheit gefordert, mit ihnen soziale und wirtschaftliche Perspektiven zu entwickeln.

Wir müssen davon ausgehen, dass die neoliberale Globalisierung den gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig untergraben hat. Papst Franziskus spricht in seiner neuen Sozialenzyklika „Fratelli tuti“ vom Virus des Rassismus, eines national-egoistischen Populismus einerseits und andererseits vom noch hartnäckigeren Virus eines „radikalen Individualismus“. „Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg…. Es geht nicht mehr einfach um das Phänomen der Ausbeutung und Unterdrückung sondern etwas Neues: … Die Ausgeschlossenen sind nicht Ausgebeutete, sondern Müll.“ (Fratelli Tuti, Franziskus, S.53) Unser Bundeskanzler spricht ja gerne vom gemeinsamen christlichen und jüdischen Erbe. Darüber wird dann noch mit den Ergebnissen der Aufklärung gezuckert. Ausgeschlossen bleibt bloß das reichhaltige muslimische Erbe in Europa. Diese Wortgirlanden übertünchen, dass wir auf die einfachsten Fragen nicht nur aber vor allem aber auch junger Menschen keine Antworten haben, ja, dass wir oftmals ihre Fragen nicht einmal verstehen. Glauben darfst Du, was Du willst, aber ansonsten schau, dass Du Vorwärts kommst, individuell erfolgreich bist und keine lästigen Fragen stellst. Wenn tausende arbeitslos werden, wenn der gesellschaftliche Gestaltungsraum zugunsten der neoliberalen Globalisierung amputiert wird, dann haben jene, die sich widersetzen, angeblich nicht ein soziales oder demokratiepolitisches Problem, ihnen wird allenfalls „der Verlust ihrer Identität“ attestiert, mit der sie sich jetzt tunlichst zu beschäftigen haben. Aus der Erkenntnis, dass wir die Wahrheit nicht besitzen können, wurde die Losung, dass jeder seine individuelle Wahrheit haben könne. Daran darf er glauben, so lange er den Nachbarn damit nicht stört. Wahrheit ist jedoch eine Schöpfung des Universums. Die Wirklichkeit ist wahr. Das Mysterium der Wahrheit eröffnet sich in der wirklichen Praxis tätiger Menschen. Wir erkennen in unserer Praxis jedoch nicht nur, dass die Wirklichkeit wahr ist. Wir erkennen auch, dass sie gut ist. Weil wir in ihr immer wieder jene Ansatzpunkte finden, die uns ermöglichen, in unserer Praxis die Wirklichkeit zu etwas Gutem zu machen. Das darf durchaus sinnlich verstanden werden.

Die EU ist ein Konkurrenzregime, die türkis-grüne Regierung ist rechts, das Antiterrorpaket lässt sich menschenrechtskonform nicht umsetzen. Diese Wahrheit muss ausgesprochen werden.

Eine faktenbasierte Sicherheitspolitik gegen terroristische Bedrohung erfordert den Bruch mit dem EU-Konkurrenzregime und die Durchsetzung eines Solidarstaats Österreich.

(November 2020)