ImageFelix Hnat ist einer der Tierrechtsaktivisten, der beim § 278a-Prozess freigesprochen wurde und nun bald wieder auf die Anklagebank muss, weil er legale, friedliche Proteste angekündigt hat. Sollte das OLG Wien mit dieser Anklage durchkommen, droht eine weitreichende Kriminalisierung von politischem Engagement. Hier das Interview, das das Werkstatt-Blatt mit ihm geführt hat.

Werkstatt-Blatt: Du warst einer der angeklagten TierrechtsaktivistInnen beim Prozess wegen § 278a. Ihr seid alle in allen Punkten freigesprochen worden - und trotzdem erwartet Dich und vier weitere nun ein weiterer Prozess. Kannst Du die Anschuldigungen kurz erläutern?

Felix: Wir 13 Angeklagten wurden in allen Punkten frei gesprochen. Bei fünf hat der Staatsanwalt Berufung eingelegt nach Absegnung im Justizministerium.
Die damalige Hauptanklage §278a war: Wir haben durch legale Unterstützungshandlungen wie Konferenzen organisieren oder Bilder veröffentlichen uns unbekannte Dritttäter dazu angestiftet, Scheiben einzuwerfen oder andere Sachbeschädigungen zu begehen. Bei Freispruch hat die Richterin festgestellt, dass es so eine kriminelle Organisation nicht gibt.

Jetzt wird mir vorgeworfen, dass ich rein durch die Ankündigung legaler Proteste an sich schon eine Nötigung begehe, weil die Information von Kunden Umsatzeinbußen mit sich bringen kann und deshalb eine gefährliche Drohung ist. Klingt unglaubwürdig, ist aber im OLG-Urteil nachzulesen (siehe RIS oder Martin Balluchs Blog).

Des Weiteren stellt der OLG-Senat sogar das Streikrecht in Frage. “Selbst für den nach der heutigen Wertung der Rechtsgemeinschaft nicht als rechtswidrig bewerteten Streik bedarf es einer Prüfung der eingesetzten Mittel, der angestrebten Ziele und der Mittel-Zweck-Relation.“ (Zitat OLG)

WICHTIG: Mir wird nicht vorgeworfen, Sachbeschädigungen angedroht zu haben oder mit Gewalt genötigt zu haben. Es geht rein um die Ankündigung legaler, polizeilich genehmigter und kontrollierter friedvoller Proteste: „Die Ankündigung von legalen Demonstrationen […], die geeignet ist, einem Unternehmen nicht unwesentliche Umsatzeinbußen zu bescheren […], ist daher als Drohung mit einer Verletzung am Vermögen, somit als gefährliche Drohung zu qualifizieren und stellt daher ein geeignetes Nötigungsmittel […] dar.“ (Zitat OLG)

Die Argumentation ist: Etwas zu fordern, was gesetzlich nicht sowieso verboten ist, entspricht nicht den Werten der Gesellschaft und ist somit sittenwidrig. Auf Deutsch also: Wer die Gesellschaft ändern will, kann kriminalisiert werden. Nach § 105 Abs 2 Strafgesetzbuch „ist eine das Tatbild erfüllende Nötigung dann nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung [der] Drohung als Mittel zum angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. […] Gegen die guten Sitten verstößt, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, das ist aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht. […]“ (Zitat LG)

Werkstatt-Blatt: Was sind Deiner Meinung nach die Hintergründe dieser Jagd auf engagierte TierrechtsaktivistInnen?

ImageFelix: Peter Pilz hat nach der U-Haft geheime Akten auf dem Innenministerium veröffentlicht. Der Chef von Kleider Bauer hat im Ministerium Günther Platter (ÖVP) angerufen und wegen einer Demo und einer Beschädigung an seinem Auto (mit der wir nichts zu tun hatten) eine SOKO „bestellt“. Drei Tage danach begannen 30 Mann/Frau in der SOKO zu ermitteln. Ganz allgemein waren wir der ÖVP ein Dorn im Auge und so ließ diese dem Justizmissbrauch freien Lauf.

Werkstatt-
Blatt: Was würde es für andere NGOs und engagierte Menschen bedeuten, wenn sich das OLG Wien mit dieser Anklage durchsetzt?

Felix: Wenn das als Präzedenzfall durchgeht werden wir bald Zustände wie in Deutschland haben, wo sowohl Streiks als auch Sitzstreiks von FriedensaktivistInnen als Nötigung verurteilt wurden.

Werkstatt-Blatt: Wie ist Deine persönliche Situation nach dem § 278a-Prozess? Welche Kosten/Verluste sind Dir/Euch entstanden? Bist Du/seid Ihr entschädigt worden?

Felix: Im Moment habe ich ca. 600.000€ Schulden, den genauen Stand kenne ich nicht, weil das Verfahren ja wiederholt wird. Gerichtskosten musste ich keine tragen, da ich freigesprochen wurde, aber für den Freispruch habe ich nur 1.250€ Pauschalzuschuss zu den Anwaltskosten bekommen. Ich bin also hoch verschuldet. Mein Doktoratsstudium habe ich 2008 abbrechen müssen und ich konnte jahrelang keine Arbeitsstelle finden. Meinen Freund und Mitangeklagten Elmar Völkl hat es noch schlimmer erwischt: Sein Vater hat ihn enterbt und danach Selbstmord begangen.

Werkstatt-Blatt. Wie kann man Dich/Euch unterstützen?

Felix: Wir veröffentlichen alle Akten und Vorwürfe, weil wir vollste Transparenz wollen. Wichtig ist, dass über den Skandal berichtet wird und alle Menschen, die den Fall verfolgen, tragen ihren Teil bei. Neben Mainstreammedien finden sich auch viele Infos auf www.vgt.at , www.martinballuch.at , www.sittenwidrig.at oder bei mir auf Facebook.

Der Film „Der Prozess“ ist ein besonders wertvolles Dokument (www.derprozess.com ). Er ist ein super Weihnachtsgeschenk und ist absolut sehenswert.


=> Hinweis:
Mitmachen bei der Selbstanzeigen-Aktion siehe
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&view=article&id=899&Itemid=1