ImageZu einer von der Werkstatt Frieden & Solidarität organisierten Wanderung entlang dem stillen Gedenken, der vergessenen HeldInnen und der tosenden Anklage der Opfer, trafen sich am 29. April 2007 ca. 30 AntifaschistInnen unter der Leitung von Alexander Schinko (Mauthausen Komitee Ansfelden) in St. Florian bei Linz.

Die Teilstrecke nach Ansfelden ist ident mit den drei Todesmärschen der ungarischen Juden vom 16., 26. und 28. April 1945, welche von der SS vom KZ Mauthausen über 55 Kilometer nach Gunskirchen getrieben wurden. An die 6.000 Frauen, Kinder, Alte und Männer im unbeschreiblichen Zustand wurden bei regennassem Wetter mit Knüppel und Gewehr ins Ungewisse getrieben. Wer von Hunger und Durst geplagt stürzte, niedersank oder nur rasten wollte, wurde erschossen oder zu Tode geknüppelt. Von einer Wehrmachtseinheit, die zufällig an der Marschroute stationiert war, ist nachgewiesen, dass aus Langeweile und nur spaßeshalber beim Morden heftig ausgeholfen wurde.

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Geschichte erwandern

Es kam aber auch immer wieder vor, dass Teile der entlang der Wegstrecke lebenden Bevölkerung versuchten, diesen ausgezehrten ungarischen Juden etwas Essbares zukommen zu lassen, was von der SS mit Todesstrafe durch sofortiges Erschießen geahndet wurde. Trotzdem gab es einige Mutige und einzelne konnten sich durch deren Mithilfe verstecken und die Befreiung vom Faschismus miterleben.

Captain J. D. Pletcher brachte seine Eindrücke zu Protokoll: „[…] um das Lager herum lagen überall halbwegs verfaulte, nur zum Teil mit Fetzen bedeckte Leichen. Zwischen ihnen immer wieder große Haufen Kot, dessen Gestank die nasskalte Waldluft durchzog. In den düsteren Baracken lagen Leichen herum. Neben den Sterbenden, die keinen Schritt mehr laufen konnten. Die Haut der Kadaver war locker und ranzig, die offenen Augen lagen tief in den Augenhöhlen, sie hatten auffallend dünne Glieder, sodass die Knochen fast die Haut durchbohrten. Ihre als Kleid bezeichneten Lumpen hielt nur der Dreck zusammen, selbst die Läuse verließen die leblosen Körper […]“.

Die Mehrzahl jedoch, ca. 5.400 Menschen, überlebten diese barbarischen Märsche nicht und wurden unter allgemeiner Verschwiegenheit, teils bis heute, in Massengräbern verscharrt. Dies ist auch Ausdruck dessen, dass Vergangenheitsbewältigung nach 1945 großteils den Kameradschaftsbünden und Stammtischen überlassen wurde, damit die unrühmliche Geschichte, welche auf uns lastet, in Vergessenheit geraten kann. Das ist umso verwerflicher, da durch zunehmende Entdemokratisierung, Sozialabbau und Anonymisierung politischer Entscheidungen, ein perspektivisches Vakuum und gesellschaftliche Irritationen entstehen, welche sofort von rechten Gesinnungsträgern mit einfachen aber falschen Antworten auf schwierige Fragen bedient werden. Darum muss es uns wichtig sein, Geschichte zu erfahren und zu lernen, um die Gegenwart zu erkennen, um die richtigen Entscheidungen für unsere Zukunft zu treffen. Dies kann nur heißen: „Nie wieder Faschismus in Europa, nie wieder Krieg aus Europa!“

Rudi Schober (Werkstatt Frieden & Solidarität), 30.04.2007