Sind die österreichischen Gemeinden das Bauernopfer der Coronapandemie? Rudi Schober, Gemeinderat in der oberösterreichischen Gemeinde Ottensheim und Aktivist der Solidarwerkstatt, kritisiert die Regierungspolitik, die die Gemeinden in ein finanzielles Debakel schlittern lässt.
Die österreichischen Gemeinden und die darin lebenden Menschen dürfen nicht das wirtschaftliche Baueropfer dieser Pandemie werden. Wie sonst soll die Organisation, der Betrieb, die Versorgung von öffentlichen Dienstleistungen für alle Menschen garantiert sein. Das wirtschaftliche Desaster der Pandemie, die Entscheidungen der Bundesregierung verursachen in Österreich über 550.000 tausend Arbeitslose und über 1,2 Millionen Lohnabhängige in Kurzarbeit. Ganze Wirtschaftszweige stehen still.
Minus 13% bei den Bundesvorauszahlungen
Das bedeutet für die Gemeinden unüberschaubare finanzielle Ausfälle bei Kommunalsteuer und auf Umwegen Mindererträge bei Bundesertragsanteilen. Die Aufgaben, Funktion und Arbeitsweise der Gemeinden, bei Wasser und Kanal, bei Bildung und Fürsorge, bei Zivilschutz, Feuerwehr und vieles mehr werden trotz oder wegen dieser Krise weiterhin in vollen Umfang und höher zu erbringen sein. Das schulden wir den BürgerInnen in unserem Land. Egal wer und von wo, wir leisten die Daseinsfürsorge für alle hier lebenden Menschen. Aber wie sollen wir Gemeinden verantwortungsvoll die bisherigen Leistungen bringen, wenn allein für den Monat März an die 13% Minus bei den Bundesvorauszahlungen für uns Gemeinden im Raum stehen.
Gemeinden müssen Überschüsse für Fiskalpakt erwirtschaften
Und wer unterstützt die Gemeinden in der jetzigen Situation? Bisher hat es nur Spardiktate der Landesfürsten und Bundehäuptlinge gegeben, so als wären die Gemeinden Sparvereine mit angeschlossenem Stammtisch in den Regionen. Für die Spardiktate der EU müssen wir als Gemeinde sogar Überschüsse erwirtschaften. Allein die Wirkung von Maastricht oder des Fiskalpakts erzwingt von uns Gemeinden unerhörte Überschüsse über 0,5% aller Budgets. Wir aber arbeiten hier für Menschen in den Regionen und nicht für Geldzählmaschinen in Brüssel. Und trotzdem werden wir nochmals beraubt, diesmal auch von den Landesfürsten, so wie bei den Raubrittern. Der negative Transfersaldo war 2016 allein in Oberösterreich demnach 4,8%, was uns Gemeinden bei Investitionen und Leistungen fehlen, die Landesfürsten aber schön aussehen lässt - bei ihren Budgets.
Die Gemeinden helfen wesentlich mit, sozialen Frieden im Land zu schaffen. Die Gemeinden investieren in Gesundheitsfürsorge, Schulen, Arbeitsplätze in der öffentlichen Pflege und Infrastrukturen wie Sportplätze und Freizeiteinrichtungen. Sind dafür 2018 noch rund 2,75 Milliarden Euro den Kommunen bundesweit zu Verfügung gestanden, so wurde 2019 dieser Investitionsrahmen schon um 50 Millionen gekürzt. Und für heuer 2020, schaut es ganz traurig aus.
Gemeinden können nicht abwandern
Die derzeitigen politischen Entscheidungsträger haben uns vergessen. Rettungspakte werden in Milliardenhöhe geschnürt werden, für die Wirtschaft an die 38 Milliarden Euro aufgebracht. Und die Gemeinden? Ja, da ist nichts zu hören. Wir die Gemeinden können nicht ins Ausland abwandern, unsere Sitze in Steueroasen verlegen.
Wir brauchen Geld – jetzt sofort und ausreichend, ohne großes Prozedere, sonst werden die Menschen in den Gemeinden wieder diejenigen sein, welche die finanziellen Bürden dieser Krise tragen müssen. Und das haben sie sich wirklich nicht verdient.
Einmal mehr zeigt sich außerdem: Es muss für die Gemeinden endlich eine wirksame Mitbestimmung bei Gesetzen und Verordnungen von der Bundesebene abwärts geben, am besten durch einen Bundesgemeinderat – anstelle des derzeitigen Bundesrats. Dann könnten wir als autonome Gemeinde die notwendigen Geldmittel gleichberechtigt einfordern.
Rudolf Schober
(Mai 2020)