Die Solidarwerkstatt Österreich tritt für eine Volksabstimmung über eine Impfpflicht ein. Das nimmt die Regierung in die Pflicht, nicht über die Menschen drüberzufahren, sondern eine breite Debatte zu ermöglichen. Das nimmt die Gegenseite in die Pflicht, zu akzeptieren, dass Gesundheitsschutz in hohem Maß eine gesellschaftliche Angelegenheit ist, über die auch gesellschaftlich entschieden werden muss. Das nimmt beide Seiten in die Pflicht, eine demokratische Mehrheit zu akzeptieren.
Um eine durch die Decke schießende Infektionswelle zu brechen und eine Überbelastung der Spitäler zu verhindern, haben sich Lockdowns als unumgänglich erwiesen. Gleichzeitig müssen wir aber Maßnahmen treffen, um nicht von Lockdown zu Lockdown zu stolpern. Impfungen können dafür einen wirksamen Beitrag leisten. Impfungen sind kein Wundermittel, aber die Statistiken belegen, dass das Risiko von Ungeimpften, auf Intensivstationen zu landen, um das 7 bis 8-Fache höher ist, als das von Geimpften *). Diese Impfungen haben daher im heurigen Jahr wohl schon Tausenden Menschen in Österreich das Leben gerettet und noch viel mehr vor langfristigen Gesundheitsschäden bewahrt. Die Impfung schützen nicht nur den Geimpften selbst, sondern auch andere, indem z.B. der Kollaps des Gesundheitssystem verhindert wird. Im November/Dezember mussten viele Operationen aufgrund der Überbelastung der Spitäler verschoben werden. Es mehren sich die Berichte über Triage in unseren Spitälern. Das ist unerträglich.
Wir halten es für eine der fundamentalsten Aufgaben des Staates, dafür zu sorgen, dass Menschenleben, die über gesellschaftliche Solidarität gerettet werden können, auch tatsächlich gerettet werden. Wenn alle vom Erreichen der Herdenimmunität bzw. eine Grundimmunisierung profitieren (und damit auch jene schützen, die sich nicht impfen lassen können), sollen auch alle dazu beitragen, diese auf solche Art und Weise zu erreichen, dass möglichst viele Menschenleben gerettet werden: also über Impfung und nicht über die sozialdarwinistische Durchseuchung der Bevölkerung. Im Fall einer gefährlichen Pandemie wie Covid tritt die Solidarwerkstatt Österreich daher für eine Impfpflicht ein.
Impfpflichten sind keineswegs ungewöhnlich. Derzeit gibt es in 13 europäischen Staaten zum Teil weitreichende Impfpflichten. In Österreich gab es zwischen 1948 und 1977 eine Impfpflicht gegen Pocken. Die Geißel der Pocken konnten durch die Impfung völlig ausgerottet werden. Impfungen sind eine Erfolgsgeschichte der Medizin. In Europa konnten dadurch nicht nur die Pocken, sondern auch andere gefährliche Erkrankungen weitgehend ausgerottet werden: Kinderlähmung, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Diphterie.
Gleiche Rechte, gleiche Pflichten!
Wir treten für eine Impfpflicht mit Wahlfreiheit hinsichtlich des Impfstoffes ein. Die Genehmigung von traditionellen Covid-Impfstoffen zu den derzeitigen mRNA- bzw. Vektorimpfstoffen kann beitragen, die Vorbehalte gegen Covid-Impfungen zu senken. Geopolitische Animositäten dürfen dabei keine Rolle spielen. Grundsätzlich gilt: Überschießende Einzelmaßnahmen können den Gesamterfolg gefährden. Einige weitere Punkte sollte daher noch intensiv geprüft werden, zum Beispiel: Kommt die Genesung von Covid dem Impfschutz gleich? Welche Gruppen (außer klarerweise Menschen mit Immundefekten und sonstigen eindeutigen medizinischen Kontraindikationen) sollten von einer Impfpflicht ausgenommen werden (z.B. Kinder/Schwangere)? Gratis Antikörpertests ab dem 4. Monat nach der Zweitimpfung zur präziseren individuellen Entscheidungsfindung für den 3. Impftermin. Genaue Erfassung aller Impfnebenwirkungen, um die - am besten hausärztlichen - Beratungen zukünftig noch treffsicherer zu gestalten.
Gleiche Rechte, gleiche Pflichten sind die Grundlage jedes solidarischen Systems. Unsere Gesellschaft ist voller Pflichten, die die Grundlage für neu gewonnene soziale und demokratische Rechte sind: Schulpflicht als Grundlage für Chancengleichheit, Steuerpflicht und Sozialversicherungspflicht als Grundlage des Sozialstaats und des breiten Zugangs zu öffentlichen Infrastrukturen und Dienstleistungen, Wehrpflicht zur breiten Beteiligung an der Sicherung der staatlichen Unabhängigkeit uvm. Gesundheit ist nicht bloß eine individuelle, sondern auch eine Frage gesellschaftlicher Verantwortung. Eine solidarische Antwort erfordert die Klärung von gleichen Pflichten und gleichen Rechten für alle. Diese Frage sollte auf breitest möglicher demokratischer Grundlage entschieden werden. Daher tritt die Solidarwerkstatt Österreich für eine Volksabstimmung über eine Impfpflicht ein. Das nimmt die Regierung in die Pflicht, nicht über die Menschen drüberzufahren, sondern eine breite Debatte zu ermöglichen. Das nimmt die Gegenseite in die Pflicht, zu akzeptieren, dass Gesundheitsschutz in hohem Maß eine gesellschaftliche Angelegenheit ist, über die auch gesellschaftlich entschieden werden muss. Das nimmt beide Seiten in die Pflicht, eine demokratische Mehrheit zu akzeptieren.
Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich
(Dezember 2021)
*) Aktualisierung: Die letzte diesbezügliche Information des Sozialministeriums: Anfang Jänner 2022 waren 79% der Covid-PatientInnen auf Intensivstationen nicht vollständig geiimpft. Stellt man das in Beziehung zur deutlich geringeren Anzahl der Ungeimpften so ergibt sich, dass das Risiko, auf einer Intensivstation zu landen, für Ungeimpfte rd. 10 Mal größer ist als für Geimpfte. Freilich muss man im Auge behalten, welche Änderungen sich aufgrund der Omikron-Mutation noch ergeben können.