Am 31. Jänner 2025 hat das Verwaltungsgericht Wien entschieden, dass die Beschlagnahme des Solidarwerkstatt-Transparents "From the river to the sea all people will be free!" als auch die in diesem Zusammenhang erfolgte Festnahme rechtswidrig war. Ein wichtiger Erfolg im ersten Akt, doch der Kampf geht im zweiten Akt weiter.
"From the river to the sea all people will be free!" - 1. Akt: Beschlagnahme und Festnahme rechtswidrig
Am 26. Oktober 2024 veranstaltete die Solidarwerkstatt Österreich anlässlich des Nationalfeiertags eine Kundgebung und Demonstration in Wien. Im Zuge der Veranstaltung wurde das Transparent mit dem Schriftzug „From the river to the sea, all people will be free!“ beschlagnahmt und der Vorsitzende der Solidarwerkstatt Österreich, Andreas Schütz, zur Identitätsfeststellung festgenommen. Beides wegen des Verdachts der Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten. Gegen diese Maßnahmen der Polizei wurde von Andreas Schütz Beschwerde eingebracht.
Am 31. Jänner 2025 hat das Verwaltungsgericht Wien entschieden, sowohl die Beschlagnahme des Transparents als auch die Festnahme für rechtswidrig erklärt. Das Verwaltungsgericht führt dazu aus: „Diese Aufforderung (from the river to the sea, all people will be free!, Anm. B.L.) , wonach alle Menschen vom Fluss bis zum Meer in Freiheit leben sollen, kann weder einschränkend verstanden werden, noch können daraus Inhalte abgeleitet werden, welche zur Begehung von terroristischen Straftaten auffordern oder diese gutheißen. Nach dem Bedeutungsgehalt kann kein Bezug zu einer terroristischen Vereinigung hergestellt werden.“
Das somit rechtswidrig beschlagnahmte Banner hat die Solidarwerkstatt noch nicht rückerstattet bekommen. Um dessen Herausgabe werden wir weiter ringen.
From the river to the sea, all peole, all people will be free!“ - 2. Akt: Was in Graz, Innsbruck und Linz erlaubt ist, wird in Wien rechtswidrig untersagt.
Auch am 21. Dezember 2024, bei der Demonstration gegen österreichische Rüstungsgeschäfte mit Israel in Wien, kam es zu einem rechtswidrigen Einschreiten der Wiener Polizei. Nachdem die Parole „From the river to the sea, all people will be free!“ gerufen wurde, wurde die Demonstration aufgelöst, Aktivist*innen wurden festgenommen. Nachdem diese Praxis in krassem Unterschied zu den Erfahrungen in anderen Städten stehen, wurde im Rahmen der Palästina Solidarität Österreich für Samstag, den 1. März 2025, die Probe aufs Exempel gemacht: in Graz, Innsbruck, Linz und Wien wurden Kundgebungen unter dieser Losung angemeldet. In Linz und Innsbruck gab es keinerlei Probleme mit den Behörden. In Graz wurde die Anmeldung einer Kundgebung zunächst mit der Begründung, dass in Österreich Deutsch Amtssprache sei, zurückgewiesen, eine Anzeige der Versammlung mit dem Thema: „Vom Jordan bis zum Mittelmeer keine Apartheid mehr!“ wurde jedoch nicht untersagt.
Auch in Wien wurde eine Kundgebung angemeldet. In der Anmeldung wurde ausdrücklich festgehalten: „Mit dieser Kundgebung wollen wir unser Eintreten für eine Zukunft mit gleichen Rechten für alle Menschen im historischen Palästina zum Ausdruck bringen.“ Diese Kundgebung wurde von der Behörde untersagt. In der Begründung wird dabei zunächst in fragwürdiger und manipulativer Weise der Spruch „From the river to the sea, palestine will be free!“ kriminalisiert. Er sei ein Aufruf zu terroristischen Straftaten und zur Gutheißung terroristischer Straftaten. Das stellt für sich bereits einen Skandal dar. Es ist abzusehen, dass die darauf gründende Praxis der Behörden scheitern wird.
Dann wird im Untersagungsbescheid argumentiert: „Der in gegenständlicher Versammlungsanzeige angeführte Zweck lautet zwar nicht ‚From the river to the sea, Palestine will be free‘, sondern ‚From the river to the sea, all people will be free‘. Nach Ansicht der Versammlungsbehörde weist der zuletzt genannte Slogan jedoch denselben (gemeint ist wohl den gleichen, Anm.: BL) Bedeutungsgehalt wie der Slogan ‚From the river to the sea, Palestine will be free‘ auf, und zielt die Verwendung des neuen Slogans auf dieselbe Wirkung ab.“
Zunächst ist dazu festzuhalten, dass der Versammlungsbehörde eine derartig weitreichende Interpretation des Texts des Versammlungszwecks überhaupt nicht zusteht. Das Herauslesen irgendwelcher Codes, sprich verschlüsselter Botschaften zur Anstiftung krimineller Handlungen, wie es hier vorgenommen wird, kennen wir ansonsten aus einschlägigen verschwörungstheoretischen Kreisen und hat in einem Behördendokument nichts verloren.
Weiters wird damit aber deutlich, um was es bei der Kriminalisierung des Spruchs: From the river to the sea, Palestine will be free!“ geht: Die Forderung nach gleichen Rechten für alle Menschen in Palästina soll damit unterdrückt werden. Wir können davon ausgehen, dass dies nicht aus eigenem Antrieb von Beamten in der Versammlungsbehörde entspringt. Es ist die Kumpanei des politischen Establishments mit der rechtsextremen, faschistoiden Regierung in Israel, die das Behördenhandeln dazu antreibt.
Boris Lechthaler