Eine Stimme für Frieden und Neutralität ist verstummt. Ein persönlicher Nachruf auf Fritz Edlinger von David Stockinger.
In der Früh des 4. Dezember traf mich, wie viele andere Genossinnen und Genossen, Friedens- und Neutralitätsbewegte sowie Freunde in der internationalen Solidaritätsarbeit, eine unfassbare Meldung: Unser Fritz Edlinger ist in der Nacht völlig unerwartet verstorben.
Für all jene, die in den letzten Tagen und Wochen noch sehr eng mit ihm zusammenarbeiteten, neue Pläne und Projekte wälzten, schlug diese traurige Nachricht besonders ein.
Mit dem Tod von Fritz verstummt auch eine jahrzehntelange konsequente und laute Stimme für Frieden, Neutralität und Internationalismus. Geboren als Sohn eines Schriftsetzers und einer Hausmeisterin, engagierte sich Fritz seit seiner Jugend in der sozialistischen Bewegung, genauer im Verband Sozialistischer Mittelschüler und in der Jungen Generation der SPÖ, deren Bundesvorsitzender er auch wurde, und er trat schon bald der damals noch Sozialistischen Partei Österreich bei. Er stand damals bereits am „linken Flügel“ der Partei und zog nach seiner Funktion als JG-Bundesvorsitzender den Weg als Publizist der Berufspolitikerkarriere vor. Es war die Zeit Kreisky’scher Außenpolitik, als Österreich anders als heute, einen in vielen Fragen unabhängigen und eigenständigen Kurs fuhr. Besonders was den Nahen Osten und die arabische Welt betrifft, positionierte sich Österreich damals auf Grundlage seiner Neutralität anders als heute – als Brücke und Vermittler in den dortigen Konflikten und es öffnete Volksbefreiungsbewegungen wie der palästinensischen PLO, oder dem revolutionären Libyen, politische Türen. Es war die Zeit der Entkolonialisierung und des Ringens nach Selbstbestimmung im arabischen und afrikanischen Raum. Dadurch wurde auch Fritz maßgeblich geprägt, das Recht des palästinensischen Volkes war ihm Zeit seines Lebens ein großes, wenn nicht sogar das größte Anliegen. Er verlieh der Solidaritätsbewegung in Österreich ein Gesicht und einen bekannten Namen. Sowohl als Generalsekretär der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, als auch als Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschrift „International“, schaffte er unerlässliche Plattformen zur Förderung eines außenpolitischen und internationalen Verständnisses abseits eines imperialen und westlich-eurozentristischen Mainstreams, sowie konkreter humanitärer Solidaritätsprojekte, in diesen krisen- und kriegsgebeutelten Regionen.
Fritz suchte auch immer aktiv den Kontakt zu jungen Menschen und wies immer auf die Notwendigkeit der offenen politischen Diskussion und Debatte bzw. der Politisierung der Jugend hin. So traf ich ihn das erste Mal Ende der 90er-Jahre bei einem Referat in der Sozialistischen Jugend zum Nahen Osten, in dem er in seiner gewohnt emotional-amikalen Art, die für mich damals sehr unübersichtliche Situation in dieser Weltregion einordnete und herausarbeitete. Schon damals beklagte er, dass sich seine bzw. unsere Partei zunehmend von den inhaltlichen Positionen seiner Jugendzeit entferne und immer opportunistischer werde. Für ihn war klar, dass sozialistische Politik, Antiimperialismus, Friede und Neutralität untrennbar zusammenhängen.
Anders als die offizielle SPÖ blieb Fritz seinem Kurs treu. Mehr noch, er hatte die Gabe, auch im Alter durch Diskussionen, Reflektieren und Zuhören seine Standpunkte zu hinterfragen und zu schärfen. Das führte ihn in den letzten Jahren auch dazu, nicht nur die USA/NATO, sondern auch die Politik der EU, einer gnadenlos-kritischen Überprüfung zu unterziehen, was sich auch in etlichen inhaltlich-klaren Beiträgen in der Zeitschrift, wie auch im YouTube-Kanal „International“ widerspiegelte. Fritz baute „International“ in den letzten Jahren thematisch und technisch stark aus und schloss Kooperationen mit anderen Plattformen und Magazinen. Er war das Herz dieser im deutschsprachigen Raum einmaligen Zeitschrift. Und er hatte noch viele große Pläne fürs „International“, die nun hoffentlich von verantwortungsbewussten Nachfolgern weiterverfolgt werden. Dazu schrieb er über die Jahrzehnte eine Vielzahl an politischen Büchern, die meisten davon herausgegeben im renommierten Promedia Verlag.
Die zunehmende Entpolitisierung, die Beliebigkeit bzw. das Schweigen der offiziellen SPÖ in außenpolitischen Fragen setzen Fritz besonders in den letzten Jahren stark zu. Nach dem auch in der SPÖ Stimmen laut wurden, die sogar die österreichische Restneutralität in Frage stellten, gab er nicht klein bei, sondern engagierte sich sofort mit Herz und Hirn in der sozialdemokratischen Initiative „Aktiv neutral – Für Frieden, Sicherheit und Souveränität“ gemeinsam mit etlichen anderen Genossinnen und Genossen und brachte dort seine Expertise ein. Oftmals warnte er in Gesprächen, Reden und Beiträgen vor einer völligen Selbstunterwerfung der SPÖ und Österreichs unter die EU- und NATO-Agenda. Mit der europäischen Sozialdemokratie hatte er weitestgehend abgeschlossen. Dass das formal neutrale Österreich in der UN-Vollversammlung 2x gegen einen Waffenstillstand in Gaza stimmte, ließ Fritz förmlich zur Höchstform seiner Widerständigkeit auflaufen, indem er Tag und Nacht, unentwegt publizistisch und agitatorisch für Frieden und Neutralität arbeitete, auch auf Kosten der eigenen Gesundheit.
Auch die außerparteiliche Arbeit in Bündnissen und Aktionseinheiten war Fritz als Sozialist klassischer Prägung wichtig. So kam er auch zum Bündnis „Stimmen für Neutralität“, in dem er u.a. bei Kundgebungen als mahnender Redner für ein gemeinsames Handeln von „Sozialisten, Kommunisten und Konservativen“ im Sinne von Neutralität und Frieden warb. Das gab ihm auch neue Motivation. Er war trotz klarer eigener Positionen ein Verbinder.
In diesem Sinne stand Fritz auch viele Jahre im solidarischen Austausch mit der Solidarwerkstat Österreich, die ihrerseits nicht nur für einen starken österreichischen Sozialstaat, sondern gleichermaßen für Frieden, Neutralität und für die Selbstbestimmung von vom Imperialismus unterdrückter Völker, wie die des palästinensischen Volkes, steht. Fritz stellte schon vor Jahren, wie später auch die Solidarwerkstatt, fest, dass die Zweistaatenlösung aufgrund der jahrzehntelangen diesem Ziel entgegenstehenden israelischen Politik de facto tot ist.
Mit Fritz verlieren wir einen unermüdlichen und selbstlosen Mitkämpfer, einen herausragenden Publizisten und väterlichen Freund und Genossen. In einer Zeit, in der sich „Links“ vielfach zur Unkenntlichkeit und Beliebigkeit liberalisiert hat, fehlen Menschen wie er. Gerade deshalb werden wir Fritz und seinem Lebenswerk ein bleibendes Andenken bescheren und in seinem Sinne für Frieden, Neutralität und Völkerverständigung weiterarbeiten.
(Dezember 2024)