Die FPÖ hat ihr Wirtschaftsprogramm vorgelegt. Die Rechtsextremen bereiten sich auf die Regierungsbeteiligung vor und spielen ein Wunschkonzert – für EU-Kommission und Industriellenvereinigung. Dafür haben sie eine asoziale Falle der Sonderklasse ausgeheckt.

Als wichtigstes Ziel propagiert die FPÖ zunächst die Senkung der Staatseinnahmen um zumindest 12 Milliarden Euro - durch Senkung der Staatsabgabenquote von 43,2% auf 40% des BIP. Begründung: 40% sei der EU-Durchschnitt, und das ist für die FPÖ mittlerweile das Maß aller Dinge. Um sich eine Vorstellung zu machen, was das heißt: 12 Milliarden entsprechen fast der Hälfte aller öffentlichen Gesundheitsausgaben oder beinahe dem gesamten Landesbudget von Wien. Dafür heißt es sparen - und zwar in erster Linie bei Gesundheit und Sozialem. So sollen im Sozial- und Gesundheitsbereich 5,8 Milliarden Euro gekürzt, pardon: „optimiert“ werden, wie es im freiheitlichen Neusprech heißt. Alleine eine Milliarde soll durch die Zusammenlegung der Sozialversicherungen gespart werden. Dazu muss man wissen: Die Gesamtkosten der Verwaltung der Sozialversicherungen liegt bei 1,2 Milliarden. Selbst die OECD hat der österreichischen Sozialversicherung attestiert hat, über eine im Vergleich zu privaten Versicherungen ausgesprochen schlanke und effiziente Verwaltungsstruktur zu verfügen. Bei den sozialen Krankenversicherungen machen die Verwaltungskosten 2,8% aus, bei privaten Krankenversicherungen das mehr als Zehnfache (31,8%). Wer bei einer ohnehin sparsamen Verwaltung über 80% einsparen will, will ein System nicht „optimieren“, sondern es zertrümmern.

Voll und ganz unterstützt wird von der FPÖ die derzeit laufende Politik, Spitäler und Spitalsabteilungen zuzusperren und Krankenhauspersonal abzubauen. Alleine im Spitalsbereich wollen die Freiheitlichen 4,75 Milliarden kürzen. Ein Teil davon soll in andere Bereiche „umgeschichtet“ werden. Insgesamt soll es aber eine Milliarde weniger für die Gesundheit der Menschen in Österreich geben. 3,8 Milliarden sollen in anderen Sozialbereichen gekürzt werden. Das soll zum einen zu Lasten der Ärmsten gehen (Kürzung der Mindestsicherung). Da aber die gesamte Mindestsicherung selbst nicht mehr als eine Milliarde ausmacht, will man sich den größten Teil in anderen Bereichen holen, zum Beispiel bei den Pensionen. So soll das faktische Pensionsalter angehoben und an die steigende Lebenserwartung angepasst werden. Was die FPÖ unter den Tisch fallen lässt: Die Lebenserwartung steigt vor allem bei den wohlhabenderen Schichten, die bis zu zehn Jahre länger leben als ärmere, oft körperlich hart arbeitende Menschen. Menschen mit wenig Einkommen, die ihr Leben lang Pensionsbeiträge zahlen, finanzieren die Pension der Wohlhabenden, die länger leben. Durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters verschärft sich diese unsoziale Kluft weiter.

Asoziale Falle
Doch damit nicht genug. Die FPÖ hat sich eine asozialen Falle der Sonderklasse einfallen lassen: Die Ausgaben für Arbeit, Soziales, Familie, und Gesundheit sollen mit maximal 55 Prozent der Gesamtausgaben und die Ausgaben für Arbeit, Soziales und Familie mit maximal 40 Prozent der staatlichen Gesamtausgaben „gedeckelt“ werden. 2016 lagen diese bei 58,5% bzw. 42,7%. Da aber im freiheitlichen Konzept die Gesamtausgaben um 11,4 Milliarden fallen (neben Sozialkürzungen sollen auch Subventionen, Föderalismus etc. gekürzt werden), löst eine solche „Deckelung“ eine enorme Spirale nach unten aus: Sinkende Gesamtausgaben - sinkende Sozialausgaben - sinkende Gesamtausgaben - noch weiter sinkende Sozialausgaben - usw, bis sich das neue Gleichgewicht von 55% bzw. 40% eingependelt hat. Am Ende diese Spirale sind die gesamten Sozial- und Gesundheitsausgaben um über 20 Milliarden gesunken, das 3,5-Fache dessen was die FPÖ offiziell im Wirtschaftsprogramm angibt. Das wäre ein Absturz der gesamten Sozialausgaben gegenüber 2016 um rund 20 %! Geht es nach der FPÖ würde ein Fünftel aller Sozial- und Gesundheitsausgaben weggeschnitten. Das wäre nicht nur sozialpolitisch brutal, das wäre auch volkswirtschaftlich ein Irrsinn. Welche Auswirkungen dramatische Einschnitte bei den Staatsausgaben nach sich ziehen, kann man in Griechenland studieren: Die Wirtschaftsleistung bricht ein, die Arbeitslosigkeit explodiert.

Milliardengeschenke für Konzerne
Was den einen – im Sozial- und Gesundheitsbereich – genommen wird, soll den anderen gegeben werden: vor allem den Kapitalgesellschaften, denn für diese soll die Körperschafssteuer auf nicht entnommene Gewinne zunächst halbiert und in Folge völlig abgeschafft wird. Ein Milliardengeschenk für Konzerne. Bei Lohn- bzw. Einkommenssteuersenkungen sollen ebenfalls vor allem Besserverdienende profitieren, indem die Lohn- und Einkommensteuer „eher proportional und weniger progressiv“ (Seite 32) ausgestaltet wird. Also in Richtung Flat-Tax mit niedrigem Spitzensteuersatz. Und natürlich sollen die sog. „Lohnnebenkosten“ kräftig sinken, also jene Lohnbestandteile, über die die solidarische Altersvorsorge, das Gesundheitsweisen und die Arbeitslosenversicherung finanziert werden. Wer hier kürzt, legt– siehe oben – die Axt an den Sozialstaat und marschiert in Richtung Zwei-Klassen-Medizin.

Die Freiheitlichen wollen aber auch Steuern erhöhen, und zwar die indirekten Steuern, also vor allem die Mehrwertsteuer. Da diese Steuern auf Konsumgüter von arm wie reich beim Einkauf gleichermaßen bezahlt werden müssen und der Anteil der Konsumausgaben bei NiedrigverdienerInnen ungleich höher ist als bei SpitzenverdienerInnen, ist die Mehrwertsteuer eine der unsozialsten Steuern. Wie die FPÖ Konsumgüter teurer machen und gleichzeitig dafür sorgen will, dass „die Lebenshaltungskosten deutlich geringer“ (Seite 43) werden, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis blauer Voodoo-Ökonomie.

Angriff auf Kollektivverträge
Ins Visier der FPÖ geraten auch die Kollektivverträge und das Arbeitsrecht. Im Vorjahr forderte der frühere FPÖ-Wirtschaftssprecher Bernhard Themessl die Abschaffung der Kollektivverträge. Ganz so offen trauen es sich die Freiheitlichen wenige Wochen vor der Wahl nicht, eine der wichtigsten Errungenschaften der Gewerkschaften in Frage zu stellen. Man wählt einen indirekten Weg: So wird die „mangelnde Flexibilität in der Lohnfestsetzung“ und die „mangelnde Flexibilität bei Anstellung und Kündigung“ bejammert. Deshalb fordern die Blauen die Beendigung der Pflichtmitgliedschaft bei Arbeiter- und Wirtschaftskammer. Ersteres würde die Durchsetzung von Arbeitsrechten verschlechtern, Letzteres wäre eine Hintertür zum Ausstieg aus den Kollektivverträgen. Dass in Österreich 97 Prozent aller Beschäftigten durch Kollektivverträge geschützt sind, liegt nämlich nicht zuletzt an der verpflichtenden Mitgliedschaft von Unternehmen in der Wirtschaftskammer. In Summe also mehr „Hire and Fire“, Lohnflexibilität nach unten, weniger ArbeitnehmerInnenschutz, aber das alles natürlich „ohne Lohneinbußen“, wie das freiheitliche Programm beteuert. Blaue Voodoo-Ökonomie vom Verlogensten.

Die VerliererInnen des FP-Programms liegen auf der Hand: ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen, Arbeitslose, kleine Selbständige. Damit nicht sofort offensichtlich wird, wie asozial diese „Heimatpartei“ ist, klimpert die FPÖ wie immer auf dem Klavier, die Menschen im mittleren und unteren Bereich gegen jene ganz unten - vor allem Flüchtlinge – auszuspielen.

„Best practice für Europa“
Diese Forderungen der FPÖ sind weitgehend deckungsgleich mit den Forderungen der Industriellenvereinigung und der EU-Kommission, die gebetsmühlenartig ihr neoliberales Mantra wiederholen: runter mit den Sozialbeiträgen („Lohnnebenkosten“), runter mit den Sozial- und Gesundheitsausgaben, runter mit den Gewinnsteuern, Schwächung der Arbeitsrechte, Auflösung von Kollektivverträgen. Jede Form der EU-Kritik bleibt bei der FPÖ eingebettet in ein grundsätzliches Bekenntnis zur EU. In gewisser Weise outen sich die Rechtsextremen sogar als Sturmtrupp der aggressivsten EU-Eliten. So hat die Europäische Zentralbank einmal eine Studie lanciert, in der die Absenkung der Staatsausgaben von durchschnittlich 45% auf 20% gefordert wird – indem bis auf eine rudimentäre Sozial- und Gesundheitsversorgung schlichtweg alles privatisiert wird. Die FPÖ lässt sogar für einen solchen Harakirikurs Sympathie durchschimmern: In einem speziellen Szenario denkt das FPÖ-Wirtschaftsprogramm die „Halbierung des Gemeinkostenaufschlags“ an – womit offensichtlich die Steuer- und Sozialabgaben gemeint sind. Dieses Szenario einer neoliberalen „Sonderwirtschaftszone“ betitelt die FPÖ mit „Best practice für Europa“. Wer den Schaden hat, braucht für den blauen Spott nicht zu sorgen.

Gerald Oberansmayr
(September 2017)


 NACHSATZ

Wer mit/gegen wen?

"Wer gegen die EU ist, ist für die rechtsextreme FPÖ." Mit diesem Standardsatz rechtfertigten die Führungen von SPÖ, Grünen und ÖGB immer wieder ihre Unterordnung unter das EU-Regime. Die Solidarwerkstatt hat diese Argumentation immer wieder zerpflückt und konkret nachgewiesen, dass die FPÖ EU-Opposition bestenfalls simuliert. Jetzt, wo sich die freiheitliche Führungsriege auf die Regierungsbeteiligung vorbereitet, sollte für jede/n auch mit freiem Auge ersichtlich sein: Die FPÖ ist nicht EU-oppositionell, sie ist vielmehr die Partei der aggressivsten EU-Eliten – wirtschaftlich wie militärisch. So sprach sich Parteivorsitzender HC Strache Anfang des Jahres für eine EU-Armee inklusive Atombewaffnung aus. Und das FP-Wirtschaftsprogramm ist eine radikale Umsetzung der neoliberalen Vorgaben der EU-Technokratie. Sogar im Orwell`schen Neusprech platter EU-Propaganda sind die Blauen bereits sattelfest. So heißt es im FP-Wirtschafsprogramm:
„Die FPÖ bekennt sich zur Europäischen Union als Friedensprojekt ebenso wie als funktionierende, die Unternehmen in den einzelnen Mitgliedstaaten fördernde Wirtschaftsgemeinschaft.“

Also: Kern, Lunacek, Pilz, Foglar & Co: Hört auf die Menschen für dumm zu verkaufen. Nicht wer gegen die EU ist, ist für die FPÖ, sondern: Wer für die EU ist, für ihre neoliberalen Verträge, für ihren Drang zur militärischen Großmacht, befindet sich in Gesellschaft von HC Strache & Co. Und was noch wichtiger ist: Wer den rechtsextremen Nährboden trockenlegen will, kommt nicht umhin, den Austritt aus der EU zu enttabuisieren. Denn erst dann öffnen sich Freiräume für echte soziale und demokratische Alternativen.