Die Gefahr des Rechtsextremismus, die Resilienz der modernen Gesellschaft und die Herausforderung für eine politische Linke. Ein Kommentar von Boris Lechthaler.
Die politische Lage in Österreich allein gibt viele Rätsel auf, noch verwirrender wird das Schauspiel, nachdem es gänzlich in eine globale Entwicklung eingebettet scheint. Rechte, Rechtsextreme, Faschist*innen erringen vielerorts die politische Macht. Doch nicht nur das: der gesellschaftliche Diskurs erscheint insgesamt extrem nach rechts verschoben. Er umfasst nicht nur explizit politische Organisationen, auch parareligiöse. Der Führer der chinesischen Kommunist*innen, Xi Jiping, wird in Reaktion auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der VR China mit dem Satz: “Die Jugend muss Bitterkeit essen!" zitiert. Das klingt auch nicht gerade links.
Faschist*innen?
Die politische Landschaft schaut aus wie nach einer Hausdurchsuchung durch die Polizei. Verständlich, wenn da jemand schließt, bevor wir Neues unternehmen, muss Ordnung geschaffen werden. Also wird geordnet und definiert: Mitte, Extreme Mitte, Mitterechts, Konservativ, Autoritär, Rechts, Rechtspopulist, Rechtsextrem, Faschist*in; einschließlich aller Schattierungen dazwischen und der beständigen Warnung, dass dann, wenn das, usw. die nächste Grenze überschritten wird. Und sie wird überschritten. Können wir Figuren wie Kickl, Meloni, Weidel, Netanjahu oder Trump und einige andere als Faschist*innen bezeichnen? Darüber kann es durchaus unterschiedliche Meinungen geben. Wir müssen auch kein endgültiges Urteil treffen. Jedenfalls zwingt uns die Überlegung, die mit dem historischen Faschismus verbundene Gewaltbereitschaft und faktische brutal-rücksichtslose Gewalttätigkeit, sein Programm der Zerstörung der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung zur Hintergrundfolie in der Beurteilung des Agierens der currenten Akteur*innen zu machen.
Diese Gewaltbereitschaft hatte und hat durchaus ein Movens in sich, ist Ausdruck eines Drangs Hemmungen abzuschütteln, den eigenen aggressiven Neigungen nachzugeben und sadistische Strebungen zu befriedigen. Freilich, das allein würde noch keine gesellschaftliche Strömung gebären. Sie war und ist eingebettet in den fundamentalen Kampf der Klassen um Herrschaft und Vorrechte versus Gleichheit und Teilhabe aller. So wissen wir: Der historische Faschismus war auch die Mobilisierung der niedersten Instinkte, der verkommensten Subjekte im Interesse der Besitzenden gegen die – insbesondere durch, mit und nach dem Roten Oktober in Russland – mit Macht nach Emanzipation strebende Arbeiterklasse. Die Vernichtung der bürgerlichen politischen Ordnung wurde in Kauf genommen für die Rettung der ökonomischen Ordnung.
Welches Bild malen die gegenwärtigen Faschist*innen mit ihren Ankündigungen und Taten auf diese Folie. Es gab und gibt rechtsextreme, faschistische Gewalthandlungen. Darunter möchte ich hier ausdrücklich nicht terroristische Anschläge einzelner subsumieren. Es geht um Mobilisierungen. Anfang der 1990er Jahre gab es ein Pogrom gegen Flüchtlinge in Hoyerswerda, Deutschland, ebenso gab es Pogrome gegen Alewiten in der Türkei, gegen Muslime in Indien, vermehrt Überfälle faschistischer zionistischer Siedler in der Westbank, Palästina, und zahlreiche andere derartige Gewalthandlungen. Ich will diese nicht kleinreden, dennoch, ein Angriff auf die Staatsmacht, mit dem Ziel sie zu übernehmen, waren sie nicht. Ein solcher war allenfalls der Euromaidan 2014 in Kiew, bei dem mit Hilfe rechtsextremer Schlägertrupps und Unterstützung der EU und der USA tatsächlich eine Regierung gestürzt wurde. Die Etablierung einer offen faschistischen Gewaltherrschaft in der Ukraine blieb jedoch aus. Und, dies trifft wohl auch auf das prominenteste Beispiel zu: der Sturm auf das Kapitol in Washington im Jänner 2021. Mitunter könnte man noch die staatsstreichartige Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz veranlasst durch den damaligen Innenminister, Herbert Kickl, in die Nähe derartiger Gewalthandlungen rücken. In Polen und Ungarn gab und gibt es mitunter Überschreitungen verfassungsmäßiger Befugnisse der Exekutive, sie aber als Versuche gewaltförmiger, faschistischer Machtübernahme zu klassifizieren, würde m. E. zu weit gehen.
Leere Drohungen?
Sind also die allerorten geäußerten Warnungen vor einer faschistischen Machtübernahme übertrieben? Die Errichtung von Brandmauern sinnlose Übungen, nicht einmal geeignet, die gewünschte Wählermobilisierung zu erzeugen? Es gibt einen gewichtigen Einwand gegen eine Konnotation der aktuellen Ereignisse als faschistisch: Die bürgerliche Ordnung ist nirgendwo in Gefahr. Auch wenn sich jetzt kalifornische Techmilliardäre der Trumpadministration anbiedern und unterordnen, auch wenn die Österreichische Industriellenvereinigung eine blau-schwarze Regierungskoalition präferiert und die Bildung einer Ampelkoalition in Österreich torpediert hat, das erscheint dennoch eher als Arrangement mit dem Faktischen als ein Griff nach faschistischer Gewalt zur Sanierung der Profitrate. Wir erleben ein Paradoxon: Das Wollen, Regeln zu überschreiten, Gewalt gegen Schwächere einzusetzen, rücksichtslos gegen politische Gegner vorzugehen, ist deutlich erkennbar und muss ernst genommen werden. Geht es nach dem Wollen, ist es durchaus geboten, FPÖ, AfD, Trump, Netanjahu u.a. als faschistisch zu bezeichnen. Sie einfach als auf dem Boden des Systems stehende rechte oder rechtskonservative Formierungen zu begreifen, trifft nicht den Drall, der sie ausmacht. Dass es dafür aus herrschender Perspektive gar keinen wirklichen Bedarf gibt, verleiht ihnen mitunter einen plebejischen Anstrich, dieser war aber auch eine Eigenheit des historischen Faschismus.
Könnten sie, wenn sie müssten?
Die Bereitschaft zur Überschreitung und rücksichtslosen Gewaltanwendung ist wirklich. Auch wenn sie unter den gegebenen Umständen als dysfunktional erscheint. Weitgehend unbeleuchtet bleibt die Frage, ob die Faschist*innen überhaupt könnten, wenn sie müssten. Sprich könnten sie überhaupt die bürgerlich-parlamentarische Ordnung außer Kraft setzen, wenn wesentliche Fraktionen der kapitalistischen Eliten sie dazu drängen. Auch hier sind Zweifel angebracht:
Sie verfügen über keine Massenorganisationen: Die Sturmabteilung der Nazis hatte über 400.000 Mitglieder, Mussolinis Schwarzhemden oder die Heimwehren in Österreich auch einige zehntausend. Ist das vergleichbar mit den Proud Boys in den USA? Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) mobilisierten phasenweise einige tausend Menschen, heute spielen sie keine Rolle mehr. Trotz intensiver Bemühungen der „Identitären Bewegung“: In der Straßenmobilisierung ist die linke Antifa den Faschos noch immer um mindestens eine 10er Potenz überlegen. Aus der Unterwanderung der Coronamaßnahmen-kritischen Bewegung wurde keine dauerhafte Formierung. Auch Versuche in den Gewerkschaften Fuß zu fassen oder selbst eigene zu entwickeln, blieben marginal. Diese Wirklichkeit wird verdeckt von den erfolgreichen Wählerkoalitionen der Rechtsextremen. Es gelingt ihnen damit nicht nur bei Wahlen zu reüssieren, sie treiben damit die gesamte gesellschaftliche Debatte nach rechts. Diese Wählerkoalitionen bleiben aber naturgemäß instabil. Zuschreibungen a la „Neue Arbeiterpartei“ führen in die Irre. Dann und wann sein Kreuz zu machen, ist etwas anderes als sich in einer Organisation zu engagieren. Ich kenne unzählige Berichte über FPÖ-Gemeinderatswahlergebnisse, die darin mündeten, dass diese nicht einmal alle gewonnen Mandate besetzen konnte. Es macht einen Unterschied, ob man bei einer Wahl im Geheimen ein Kreuzchen macht, ob man auf einem Social-Media Kanal ein menschenfeindliches Posting absetzt oder ob man sich in seiner Körperlichkeit in eine physische Auseinandersetzung begibt. Die faschistische Wählermobilisierung ist beileibe nicht das Aufgebot der Entrechteten, die nichts zu verlieren hätten als ihre Ketten. In der übergroßen Mehrheit bildet sie eine Entäußerung saturierter Kleinbürger im selbstgefälligen Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Damit haben sie wahrscheinlich nicht einmal unrecht. Die öffentliche Bühne wird ja großteils von überbezahlten Wichtigtuer*innen bespielt. Bei wem keimt da nicht der Eindruck, dass einem auch mehr zustünde.
Soweit die subjektive Seite der Rechtsextremen. Eingebettet ist dies in eine fundamentale Veränderung der demografischen Entwicklung. Etwas, was politisch und sozialwissenschaftlich m. E. deutlich unterbelichtet bleibt. Seriöse Berechnungen kommen zum Schluss, dass bei Fortdauer der aktuellen Geburtenraten die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2500 auf 100 Millionen Menschen schrumpfen wird. Das steht in krassem Gegensatz zur Situation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vor allem in Europa haben sich in dieser Zeit die Bevölkerungszahlen vervielfacht. Dies brachte nicht nur beständige Kollisionen in allen Abteilungen der Gesellschaft, sondern bildete auch den Boden für die Fähigkeit zur Mobilisierung von Massen für die Straße. Die Bevölkerung in China und in Indien schrumpft. Einzig für Afrika wird noch ein gewichtiges Bevölkerungswachstum prognostiziert, aber auch hier ist der Geburtenpeak bereits überschritten. Und es ist wichtig anzumerken: Alle Versuche, vor allem die sozialreaktionären, frauenfeindlichen Programme, diese Entwicklung umzukehren sind gescheitert. Für Österreich bedeutet dies: Würden wir keine Immigration haben, wäre die österreichische Bevölkerung bereits auf 6 Millionen Einwohner*innen geschrumpft. Das wäre eine wahre Katastrophe für die jetzt in Pension gehende Babyboomergeneration. Wer sich davon ein Bild machen will, fahre z. B. nach Serbien und studiere die Lebenssituation alter Menschen auf dem Land. Das Militärkommando Niederösterreich berichtet aktuell, dass die Zahl der Stellungspflichtigen in den letzten Jahren um ein Drittel gesunken ist. Davon ist ein Fünftel untauglich. In den meisten Fällen wegen Übergewicht, zunehmend aber auch wegen psychischer Erkrankungen. Davon macht ein Drittel Zivildienst.
Die Resilienz der modernen Gesellschaft
Wir können aber auch einige andere, äußere Momente in der modernen kapitalistischen Gesellschaft benennen, die einer faschistischen Machtübernahme entgegenstehen. Wir könnten formulieren, warum die Gesellschaft gegen eine derartige Machtübernahme resilient bleibt.
Die mit ihrer vertieften Arbeitsteilung verbundene Komplexität, insbesondere die mit dieser Komplexität verbundene Verrechtlichung der gesellschaftlichen Beziehungen verweigert einfache Lösungen. Das Gesabbere der Rechten über Wokeness, die lächerliche Beschwörung der Hegemonie der 1968er sind nichts anderes als Ausdruck der Unfähigkeit der Rechten tatsächlich Vorherrschaft über die staatlichen Institutionen zu erlangen. Freilich, wie kläffende Hunde greifen sie die Karawane an, aber die Karawane zieht weiter. Der Staatsapparat des 21. Jahrhunderts ist nicht mehr der der 1920er Jahre. Konnten sie damals überall und zu jeder Zeit auf willfährige Beamte zugreifen, würden heute überlebensnotwendige Abläufe zusammenbrechen, wenn sie das versuchten. Der Staat ist schon lange nicht mehr einfach ein Repressionsorgan der herrschenden Klasse. Staatlich organisierte Institutionen bilden eine lebenswichtige Abteilung in der gesamtgesellschaftlichen Reproduktion. Einen signifikanten Ausdruck dieser Veränderung finden wir an den Universitäten. Deutschnationale, schlagende Burschenschaften bilden den wesentlichen Rekrutierungspool für die FPÖ. Bis Ende der 1960er Jahre stellte deren Hochschülerschaftsfraktion, der Ring Freiheitlicher Studenten, die zweitstärkste Fraktion. Der RFS ist heute weitgehend marginalisiert.
Ein weiteres Beispiel, das hier diskutiert werden müsste, bildet die Stellung der Frauen. In der Widerstandsfähigkeit der Institutionen gegen Angriffe von Rechts zeigt sich ein Maß der Fortgeschrittenheit einer Gesellschaft.
Und so bleibt die Bilanz bisheriger Regierungsbeteiligungen von Faschist*innen mehr als dürftig. Das gilt für die I. Trumpadministration, aber auch für Salvini und jetzt Meloni in Italien. Und es gilt auch für die FPÖ. Der nachhaltigste Anschlag auf soziale Rechte von Schwarz-Blau I war die Pensionsreform 2003. Die wurde aber wesentlich von der ÖVP vorangetrieben. Diese wäre auch von Sozialdemokratie und Gewerkschaften reparierbar gewesen. Das gilt auch für die Enteignung der Gebietskrankenkassen und die Einführung des 12 Stundentags unter Türkis-Blau. Insbesondere im propagandistischen Kernbereich der Rechtsextremen, der Beschränkung illegaler Immigration haben diese außer Symbolpolitik und einzelnen Grausamkeiten noch nie etwas zu Stande gebracht. Das ist nicht nur gut so, das ist auch Ergebnis objektiver Rahmenbedingungen. Es ist kaum anzunehmen, dass das in Hinkunft anders sein wird. Und es ist gerade diese soziale und politische Impotenz, die die Aggressivität, die Häme, die Niederträchtigkeit des Erscheinens der Rechtsextremen beständig steigert.
Das ist eigentlich auch nicht neu. Auch der historische Faschismus war ein Aufbäumen der sozialen Reaktion gegen den Movens der Zeit. Auf dessen Trümmern feierte die Vorstellung von der Gleichheit der Menschen ihren Sieg. Die Ächtung des Kriegs als Mittel der Politik, eine darauf gründenden internationale Ordnung, die Einbeziehung von sozialen Rechten in den Katalog der Menschenrechte, das Bekenntnis zur kooperativen Regulation der wirtschaftlichen Beziehungen sind unauslöschlich mit der historischen Niederlage des Faschismus verknüpft.
Freilich blieb dieser Sieg der Gleichheit eingebettet in eine Systemkonkurrenz. Die Niederlage explizit sozialistischer Modelle in ihren divergenten Varianten bildet folgerichtig auch den Ausgangspunkt für das Wiedererstarken rechtsextremer, faschistoider Strömungen.
„Nur im Dunkeln siehst Du die Sterne!“ (Martin Luther King)
Mit den Maastrichtverträgen wurde der Neoliberalismus zur Verfassung der Europäischen Union. Es ist offenkundig, dass damit kein Fundament gegen das Erstarken faschistoider Strömungen errichtet wurde. Freilich können wir überlegen, ob auf dieser Grundlage auch ein explizit rechtsextremes Programm a la „Make Europe Great Again!“ (Herbert Kickl) durchgesetzt werden könnte. Die Kritik der Rechtsextremen an der EU richtet sich ja nicht gegen das mit ihr verbundene Freihandelsregime, sondern an den aus dem Zentrum vorangetriebenen und mit der Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit des Freihandels begründeten Regulatorien. Allein, der Teufel steckt im Detail: Ohne Herausbildung einer eindeutig nationalen Hegemonie, wie sie etwa im Hitlerschen mörderischen Konzept des Kampfs der Kontinente versucht wurde, bleiben diese Ankündigungen leere Propaganda. Ein Befund, der sich in den heillosen Spaltungen der extremen Rechten in der EU widerspiegelt.
Angesichts exorbitanten privaten Reichtums Einzelner, mag es verrückt erscheinen, anzumerken: Die Gleichheit unter den Menschen bleibt der Movens der Zeit. Es ist eine dialektische Herausforderung zu begreifen, dass es gerade die Fortschritte in der Verrechtlichung der sozialen Beziehungen sind, die diesen Reichtum überhaupt erst ermöglichen und erlauben. Kontinuierlich begleitet von schrecklichen Rückschlägen konstatieren wir auch eine zunehmende Zurückdrängung äußerer und innerer Gewalt. Die materialistische Dialektik lehrt uns, was einmal erreicht wurde, kann nie wieder völlig ausgelöscht werden. Die Durchsetzung der fundamentalen Menschenrechte wird vielfältig gebrochen und schreitet dennoch voran. Das jüngste Beispiel dafür bildet der Haftantrag des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Israels Netanjahu und Galant. Es gilt, um Martin Luther King abzuwandeln, in dieser aktuellen heraufdräuenden Dunkelheit die Sterne nicht aus dem Auge zu verlieren. Auf sie ist der Angriff der Faschist*innen gerichtet. Etwas zynisch, könnten wir ihnen viel Glück dabei wünschen.
Emanzipation ohne Linke?
Freilich, das Bild bleibt unvollständig. Da klafft eine gewaltige Lücke. Es fehlt ein politisches Subjekt. Es fehlt die politische Linke. Diese befindet sich in einem desaströsen Zustand. Hier ist nicht der Platz, um die Gründe für ihren Niedergang zu besprechen. Sie versteckt sich weitgehend hinter der liberalen Mitte. Sie geriert sich heute als Verteidigerin der liberalen Demokratie. Von sozialer Demokratie – der Entfaltung der materiellen Grundlagen für die Teilhabe aller, wird nicht mehr gesprochen. „Es gilt Schlimmeres zu verhüten!“ (Herbert Wehner). Regelmäßig lässt sie sich für die Verteidigung eines kleineren – liberalen – Übels einspannen. In Oberösterreich kampagnisiert die Gewerkschaftsjugend wortgleich mit dem in einer Koalition mit der FPÖ befindlichen Landeshauptmann gegen Extremismus. In dessen Weltbild gehören auch Klimakleber dazu, sind mitunter gar die Schlimmsten.
Sie verteidigt den Freihandel und das neoliberale EU-Freihandelsregime. Sie fordert Aufrüstung und Sanktionen. Selbst gegen den Völkermord in Palästina findet sie keine Worte. Restriktive Budgetpolitik will sie bloß sozial wattieren. Doch wir wollen hier nicht in eine Schimpflitanei verfallen.
Fassen wir zusammen: die (neo-)faschistische Mobilisierung ist gegen eine Grundströmung der Zeit gerichtet. Sie kann deshalb nicht obsiegen. Sie steht aber deren vollen Entfaltung im Wege. Es handelt sich deshalb nicht um eine übliche rechtskonservative Strömung, die für ein Reformprogramm gewonnen werden kann. Die Beseitigung dieser faschistischen Mobilisierung ist ein drängender Punkt auf der Tagesordnung.
Die Klimakrise im Besonderen, die ökologische Krise allgemein erfordern eine neue kooperative Ordnung. Ebenso die Überwindung der Gewalt in den internationalen Beziehungen und die Herstellung von Gerechtigkeit im wirtschaftlichen Austausch. Die moderne Gesellschaft mag gegen die Anmaßungen der Faschist*innen aus sich heraus resilient sein, ein qualitativ neues Niveau menschlicher Emanzipation braucht ein politisches Subjekt. Der Singular meint hier nicht die Bildung eines monolithischen Blocks, sondern ein Ensemble vielgestaltiger Akteure.
Dazu bedarf es der Überwindung der Kinderkrankheiten der letzten 250 Jahre. Dazu gehören der Geschichtsdeterminismus, der bloß einen Schleier für einen parareligiösen Habitus bildet, der sich gerade auch in der Antifabewegung gerne in Szene setzt. Dazu gehören auch die antinationalen Phantastereien und die Vorstellungen über ein Absterben des Staates. Dazu gehört ein realistischer Blick auf das menschliche Subjekt, auf uns selbst. Der „kategorische Imperativ, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosopie, 1844) lässt aus, dass diese inkriminierten Verhältnisse von den Menschen selbst wieder und wieder errichtet werden. Nein, der Mensch ist nicht des Menschen Wolf (Thomas Hobbes), aber er ist eben auch nicht ein in Verhältnisse geworfenes Schaf, wie zahlreiche Social Media Postings beweisen.
Die Gesellschaft bringt Systeme hervor, die Gesellschaft auch die kapitalistische ist aber kein System. Es kann deshalb nicht um die Etablierung von Modellen gehen. Der Sozialismus, so wissen wir heute, wurde weder durch eine soziale Revolution dauerhaft etabliert, noch wurde er – gemäß der Propaganda der Austromarxisten – herbeigewählt. Wir brauchen ein sozialökologisches Reformprogramm, das in Wahrheit nicht nur in groben Zügen, sondern auch in vielen elaborierten Einzelteilen vorliegt. Parlamentswahlen sind dabei nur sehr eingeschränkt ein Mittel der Durchsetzung. Die zwingende Mechanik der Stimmenmaximierung ergibt regelmäßig den Vorschlag rechtsextreme Positionen zu übernehmen, um ihren Wahlerfolg zu verhindern. Es geht um selbstbestimmte Organisiertheit.
Und es geht um Wehrhaftigkeit. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Gesellschaftlichkeit gründet auch auf der Disziplinierung von Rücksichtslosigkeit. Auch dazu muss sich ein politisches Emanzipationsprojekt bekennen. Faschist*innen können nicht Teil des gesellschaftlichen Diskursraums sein.
(März 2025)