ImageEZB-Chef Mario Draghi bezeichnet Sozialstaat als „Auslaufmodell“ und fordert die rasche Umsetzung des EU-Fiskalpaktes. Eine Ratifizierung des EU-Fiskalpaketes ohne Volksabstimmung wäre glatter Verfassungsbruch.


Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) hat vor wenigen Tagen in einer Interview mit dem Wallstreet-Journal die Katze aus dem Sack gelassen: Der Sozialstaat in den EU-Staaten sei ein „Auslaufmodell“. Draghi wörtlich: „Das Sozialstaatsmodell hat ausgedient “. Mario Draghi lässt auch keinen Zweifel, dass der EU-Fiskalpakt das entscheidende Instrument für EU-Kommission und EZB darstellt, den Sozialstaat in den Mitgliedstaaten auszuhebeln. Draghi wörtlich: „Der Fiskal-Pakt ist ein politisches Ereignis, weil er den Willen der Mitgliedstaaten bezeugt, einen Teil ihrer Souveränität aufzugeben, nämlich im Bereich der Budget-Hoheit.“

Da die Demontage des Sozialstaats in den Mitgliedstaaten wohl nie auf demokratischen Weg durchgesetzt werden kann, sollen über diesen EU-Fiskalpakt die Parlamente bei der Budgetpolitik regelrecht entmündigt werden

- durch Selbstentmündigung in Form einer sog. „Schuldenbremse“, die rigide Vorgaben hinsichtlich Defizit, Verschuldung und allgemeiner Ausgabenhöhe festschreibt, und zwar „auf ewig“, wie uns die deutsche Kanzlerin Merkel über die Medien mitteilt. Die Kriterien sind nicht nur rigide (z.B. maximal 0,5% „strukturelles“ Defizit am BIP), sie sind auch ausgesprochen willkürlich bestimmbar, sodass die Macht desjenigen, der darüber entscheidet – im Wesentlichen die EU-Kommission – enorm steigt.

- über das permanente Einmischungsrecht der EU-Kommission in die Ausarbeitung des Budgets noch bevor ein Parlamentarier es zu Gesicht bekommt.

- über das Recht aller Euro-Staaten bzw. der EU-Kommission sog. „Defizitsünder“ vor den EUGH zu zerren, dessen Entscheidung bindend sein soll.

- Über das Recht für EU-Kommission und EUGH, hohe Geldstrafen zu verhängen und Länder, denen sie einen Verstoß vorwerfen, nach dem „Vorbild“ Griechenlands vollkommen zu entmündigen

- über die Verpflichtung alle „wichtigen wirtschaftspolitischen Reformen“ vorher mit den Staatsoberhäuptern der anderen EU-Staaten abzustimmen; sozialpolitische Vorreiter können damit, sollten auch noch so viele Menschen das in dem betreffenden Land wollen, schon im Ansatz abgefangen und vergattert werden.

Für die Solidar-Werkstatt ist klar. Nicht der Sozialstaat ist ein Auslaufmodell, sondern die EU mit ihrer Vergötterung des Ellbogenprinzips, mit ihren neoliberalen Strukturen und Verträgen, die Sozialstaat und Demokratie in rasendem Tempo beseitigen und dem Aufstieg der extremen Rechten den Boden aufbereiten. Dieser EU-Fiskalpakt muss verhindert werden, denn er ist in Wirklichkeit ein Ende-des-Sozialstaats-Pakt. Das größte Spar- und Belastungspaket der 2. Republik, das die Regierung jetzt im Eilzugstempo durchpeitschen möchte, ist bereits ein Vorgeschmack darauf.

Wenn der Nationalrat diesen Fiskalpakt ohne Volksabstimmung durchwinkt, stellt das einen glatten Verfassungsbruch dar. Denn grundlegende Veränderungen der Verfassung müssen einer Volksabstimmung unterworfen werden. Und was sonst sollte ein grundlegende Verfassungsänderung sein, wenn nicht die Entmündigung des Parlaments in einer ihrer wesentlichsten Kompetenzen, der Budgethoheit, also der Entscheidung über die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben. VOLKSABSTIMMUNG FÜR SELBSTBESTIMMUNG!

1.3.2012