Tritt die EU-Verfassung so wie geplant in Kraft, ist es vorbei mit der österreichischen Neutralität. Halb so schlimm, meinen die Befürworter. Schließlich sei die Neutralität ein längst überholter Gründungsmythos der Republik und ohnehin auf einen unbedeutenden Restbestand reduziert. Dafür bekomme man etwas viel besseres: Nämlich ein „gemeinsames europäisches Sicherheitssystem“. Damit werde die EU endlich auch militärische Stärke entwickeln und sich von den USA emanzipieren. Die Wahrheit ist: Die europäische Sicherheitskonzeption unterscheidet sich nicht wesentlich von der US-amerikanischen. Statt klassischer Gebietsverteidigung liegt die Priorität künftig bei globalen Auslandseinsätzen. Der an den USA kritisierte Kampf gegen den Terror mit militärischen Mitteln wird zentrales Aufgabenfeld der europäischen Militärpolitik. Die EU-Verfassung ermöglicht Kampfeinsätze ohne Bindung an ein UNO-Mandat, der Aufbau von europäischen Kampftruppen wird vorangetrieben, die Mitgliedstaaten zur schrittweisen Aufrüstung verpflichtet. Die Rüstungskonzerne jubeln. In den nächsten Jahren stehen Beschaffungsprogramme in gigantischem Ausmaß auf dem Programm. Wer das alles zahlen wird, liegt auf der Hand. Die Gleichzeitigkeit von Sozialabbau und Aufrüstung in der EU ist kein Zufall. Und all das ohne Gewinn an Sicherheit. Im Gegenteil: die Gefahr in militärische Auslandsabenteuer verstrickt zu werden steigt mit der EU-Verfassung dramatisch. An die Kernpunkte der Neutralität - keine Beteiligung an Militärbündnissen und Kriegen - wird man sich spätestens dann erinnern, wenn die ersten österreichischen Soldaten im Kampfeinsatz stehen. Gefragt wäre eine alternative Sicherheitspolitik (Abrüstung, Reform der UNO, zivile Konfliktprävention) in der auch neutrale Staaten ihren Beitrag zur Friedenssicherung leisten können.
(in: Werkstatt, März 2005)