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Die EU-Staatschefs haben sich nach dem Schock der Abstimmungen in Frankreich und den Niederlande geschworen: Nie mehr wieder das Volk fragen. Das will die Regierung Gusenbauer auch in Österreich durchziehen. Doch der Beton der Demokratieverweigerung bröckelt, nicht zuletzt in Gusis eigener Partei. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis für eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag hat sich gebildet. Am 27. Jänner organisiert dieses Bündnis in Linz eine bundesweite Konferenz, um gemeinsame Aktionen zur Durchsetzung einer Volksabstimmung zu beraten.

Obwohl die Parteizentralen jegliche Debatte über eine Volksabstimmung ersticken wollen, beginnt der Beton der Demokratieverweigerung zu bröckeln. So hat sich die SPÖ Oberösterreich für eine Volksabstimmung ausgesprochen,  ebenso die Sozialistische Jugend. Bei den Grünen fordern die Landesorganisationen Wien und Steiermark die Befragung der Bevölkerung. Nicht weil sie den EU-Vertrag ablehnen, sondern „weil über so wichtige Fragen wie die EU-Reform die BürgerInnen entscheiden sollten.“ (Monika Vana, Grüne Stadträtin, Wien). Ebenfalls für eine Volksabstimmung treten die Unabhängigen und die Grünen und Alternativen GewerkschafterInnen ein. Auch im christlichen Bereich regt sich Widerstand. Die christliche Friedensinitiative Pax Christi kritisiert den EU-Reformvertrag „als Rückschritt für die Friedens- und Abrüstungspolitik.“

Selbst in der ÖVP brodelt es unter der Oberfläche. In der mehrheitlich schwarzen Gemeinde Neumarkt (OÖ) stimmten 10 der 12 ÖVP-Gemeinderäte für eine Resolution, die von der Regierung eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag fordert.
Bundeskonferenz am 27. Jänner in Linz. Durchgängig fordern Friedens-, Antiatom-, globalisierungskritische, Datenschutz- und andere zivilgesellschaftliche Organisationen eine Volksabstimmung. Über 30 Organisationen haben sich mittlerweile in der überparteilichen Plattform „Volxabstimmung“ zusammengefunden. Nach einem Aktionstag am 8. Dezember (sh. Fotos oben) wird diese Plattform nun am 27. Jänner 2008 in Linz eine bundesweite Konferenz organisieren, um weitere gemeinsame Aktionen für eine Volksabstimmung vorzubereiten.

Wer fürchtet sich vorm Souverän?
Konferenz zur Durchsetzung einer Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag

Programm:


am Sonntag, 27. Jänner 2008, 11.00 - 18.00, Gemeinderatssaal, Altes Rathaus Linz

Begrüßung:
Der Beton bröckelt! Die Bewegung für eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag in Österreich  (Elke Renner, Wien)

Infoblock: (11.15 - 12.15)

Der europaweite Widerstand gegen den EU-Reformvertrag (Judith Dellheim,BRD)
EU-Verträge fördern Militarisierung und torpedieren Sozialstaat und Vollbeschäftigung (Gerald Oberansmayr, Linz)
Wer fürchtet sich vorm Souverän? - Reformvertrag zwischen Demokratie und Handlungsfähigkeit, (Christian Felber, Wien)

Mittagspause: 12.30-13.30

II. Arbeitskreise: (13.30-15.30)
Alle Arbeitskreise sollen darauf ausgerichtet werden, die spezifische Betroffenheit von Menschen in einzelnen Bereichen durch den EU-Reformvertrag zu diskutieren und Beiträge für die Durchsetzung einer Volksabstimmung zu erarbeiten.

- Auswirkungen auf die ArbeitnehmerInnen und die Gewerkschaften (Hermann Dworszak)
- Auswirkungen auf die Bildungspolitik (Elke Renner)
- Sozial- und wirtschaftspolitische Auswirkungen (Klaus Sambor)
- Datenschutzrechtliche und sicherheitspolizeiliche Aspekte (Hans Zeger)
- Kriegseinsatz im Tschad, Militarisierung, Neutralität und die Friedensbewegung (Michael Pröbsting, Johann Schögler)
- Auswirkungen auf die Gemeinden (Michael Graber)
- WHO-Gesundheitspolitik und EU (Christine Cote)
- politische Strategien zur Durchsetzung einer Volksabstimmung (Hans Kohlmaier, Erwin Maier)
- Vorbereitung einer Menschenkette/Demonstration (n.n.)
- Ideen und Planung für Straßenaktionen (n.n.)
- Atomenergie im EU-Reformvertrag (Roland Egger, Hans Jörg Horky, atomstopp oö - atomkraftfrei leben)
- Jugendbewegung und Durchsetzung einer Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag (SJ)

Es können noch weitere Vorschläge für Arbeitskreise eingebracht werden. Gleichzeitig wird ersucht, nach Möglichkeit Arbeitskreise zusammenzufassen.
Die Werkstatt wird schauen, daß es eine Kopiermöglichkeit für Arbeitskreisberichte gibt.

Kaffeepause: 15.30-16.00

III. Abschlußplenum 16.00 - 17.30
Beratung und Beschlussfassung von gemeinsamen Aktionen

Billige Anreisemöglichkeit zur Konferenz aus Wien per Bus:
Hin und retour EUR 5,-
Anmeldung bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Stellungnahmen für eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag

Zwentendorf lehrt: Das Volk abstimmen lassen!
Auf dem Boden des Programms der österreichischen Sozialdemokratie bin ich als Politiker und als Staatsbürger zutiefst überzeugt davon, dass so weitreichende Reformen wie der Lissabon-Vertrag die Zustimmung der Bevölkerung haben müssen. Wir müssen den Mut haben, die Menschen umfassend zu informieren und sich dann ihrem Votum zu stellen! Gerade wir Österreicher haben doch schon einmal in einer grundlegenden Frage gute Erfahrungen mit der breiten Einbindung der Bevölkerung gemacht: Der klare Weg der Ablehnung der Atomenergie wäre niemals möglich gewesen, hätte Bruno Kreisky im Jahr 1978 nicht eine Volksabstimmung in die Wege geleitet. Und Achtung: Der große Demokrat Kreisky hat diese Volksabstimmung ermöglicht, obwohl er selbst damals noch ein entschiedener Befürworter der Atomenergie war.
Erich Haider, Landeshauptmann-Stv. und Vorsitzender der SPÖ OÖ
(aus: Kronenzeitung, 8.12.2007)

Wir wollen, dass den ÖsterreicherInnen das Recht eingeräumt wird, über den Reformvertrag in einer Volksabstimmung zu befinden! Der EURATOM-Vertrag wird im Reformvertrag einzementiert. Dem EURATOM-Vertrag wird sogar Verfassungsrang zugestanden - und das Europäische Bürgerbegehren wird auf EURATOM keine Anwendung finden!" 71% der Befragten stehen den jährlichen Zahlungen Österreichs an die europäische Atomindustrie in Höhe von mehr als 40 Millionen EURO negativ gegenüber.
Roland Egger,
Atomstopp_atomkraftfrei leben!

Der Reformvertrag ist für mich ein Rückschritt, weil er die Verpflichtung zur Aufrüstung enthält. Wir bekennende Christen müssen uns immer wieder auf die Bergpredigt Jesu besinnen,weil er dort der friedlichen Konfliktlösung den höchsten Wert für das Leben zugesprochen hat.
Josef Heinen
, Pax Christi Burgenland

Von unseren Straßenaktionen in Graz weiß ich, dass die Mehrheit der Bevölkerung es absolut ablehnt, wenn der EU-Reformvertrag ohne Volksbefragung in Kraft tritt. Österreich muss neutral bleiben! Nur dann können wir uns konstruktiv für den Frieden einsetzen.
Veronika Rochhart, Steirische Friedensplattform

Ich bin für eine Volksabstimmung, weil über so wichtige Fragen wie die EU-Reform die BürgerInnen entscheiden sollten und nicht nur die Staats- und Regierungs-chefs. Die EU muss endlich eine Sozialunion werden, es braucht eine europäische Demokratie mit europaweiten Volksabstimmungen. Den EU-Reformvertrag sehe ich positiv kritisch.
Monika Vana
, Stadträtin Wien (Die Grünen)

Die positive Weiterentwicklung des „gemeinsamen Europa“ braucht die breite und aktive Akzeptanz der BürgerInnen. Eine Volksabstimmung über den Reformvertrag, die idealerweise in allen EU-Staaten stattfinden sollte, wäre für die konstruktive Diskussion der Werte und Ziele der Europäischen Union von großer Bedeutung. 
Christian Denkmair
, Bürgermeister der Marktgemeinde Neumarkt i.M.

Das Europäische Haus hat nur Zukunft, wenn es von den Bewohnerinnen und Bewohnern gebaut wird. Der Ausschluss der Bevölkerung von der Gestaltung der EU vertieft nur die Vertrauens- und Demokratiekrise. Eine demokratisch gewählte Versammlung sollte das vertragliche Fundament der EU komplett neu ausarbeiten.
Christian Felber, ATTAC Österreich

Tritt die EU-Verfassung in Kraft, ist es vorbei mit der österreichischen Neutralität. Halb so schlimm, meinen die Befürworter. Schließlich sei die Neutralität ein längst überholter Gründungsmythos der Republik und ohnehin auf einen unbedeutenden Restbestand reduziert. Dafür bekomme man etwas viel besseres: Nämlich ein „gemeinsames europäisches Sicherheitssystem“. Damit werde die EU endlich auch militärische Stärke entwickeln und sich von den USA emanzipieren. Die Wahrheit ist: Die europäische Sicherheitskonzeption unterscheidet sich nicht wesentlich von der US-amerikanischen. Statt klassischer Gebietsverteidigung liegt die Priorität künftig bei globalen Auslandseinsätzen. Der an den USA kritisierte Kampf gegen den Terror mit militärischen Mitteln wird zentrales Aufgabenfeld der europäischen Militärpolitik. Die EU-Verfassung ermöglicht Kampfeinsätze ohne Bindung an ein UNO-Mandat, der Aufbau von europäischen Kampftruppen wird vorangetrieben, die Mitgliedsstaaten zur schrittweisen Aufrüstung verpflichtet. Die Rüstungskonzerne jubeln. In den nächsten Jahren stehen Beschaffungsprogramme in gigantischem Ausmaß auf dem Programm. Wer das alles zahlen wird, liegt auf der Hand. Die Gleichzeitigkeit von Sozialabbau und Aufrüstung in der EU ist kein Zufall.
Hans Sallmutter, eh. GPA-Vorsitzender
(Diese Stellungnahme erfolgte bereits im Februar 2005 zur EU-Verfassung, die aber insbesonder hinsichtlich der sicherheits- und militärpolitischen Inhalte völlig identisch mit dem nun vorliegenden EU-Reformvertrag ist.)

Der neue EU-Vertrag wird – wie die gescheiterte Verfassung – die Privatisierung von kommunalen Betrieben und Dienstleistungen fördern. Eine Stadt ohne Eigentum ist aber wie eine Auto ohne Motor. Auch deshalb bin ich für eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag.
Elke Kahr, Stadträtin Graz (KPÖ)

Die Regierung und der Nationalrat müssen endlich ihren rechtsstaatlichen Wild-West-Kurs beenden und eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag zulassen. Andernfalls muss den politisch Verantwortlichen klar sein: wenn sie die Verfassung brechen, schaffen sie kein legitimes Recht sondern delegitimieren sich selbst. Es ist Aufgabe einer immer breiter werdenden zivilgesellschaftlichen Bewegung, diesem politischen Abenteurertum von Gusenbauer & Co entgegenzutreten, die sich aus Angst vor der Bevölkerung immer weiter von Demokratie und Rechtsstaat entfernen.
Elke Renner, Werkstatt Frieden & Solidarität

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Fotos: Aktion vor dem Parlament, 8.12.2007, Wien.