
Verpflichtung zur Aufrüstung
„Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern“ (Art. 27, 3). Damit stehen Abrüstungsbefürworter außerhalb des EU-Primärrechts!
Rüstungsamt zur Ankurbelung der Aufrüstung
„Die Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) ermittelt den operativen Bedarf und fördert Maßnahmen zur Bedarfsdeckung, trägt zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors bei und führt diese Maßnahmen gegebenenfalls durch, beteiligt sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung und unterstützt den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten.“ (Art. 27, 3).
Verpflichtung zur militärischen Teilnahme an der EU-Sicherheitspolitik
„Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Rat festgelegten Ziele zur Verfügung“ (Art. 27, 3).
Ermächtigung des EU-Ministerrates zu weltweiten „Antiterror-“ und „Abrüstungs“kriegen
„Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik [...] sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen“ für „Missionen außerhalb der Union“ (Art. 27, 1)
„Der Rat kann zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen eine Gruppe von Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission (Militärmission, Anm.d.Red.) im Rahmen der Union beauftragen“ (Art. 27, 3).
„Die in Artikel (I-41 Absatz 1) vorgesehenen Missionen, bei deren Durchführung die Union auf zivile und militärische Mittel zurückgreifen kann, umfassen gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten. Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.“ (Art. 28, 1)
Einrichtung eines EU-Militärhaushalts
Der EU-Rat erlässt einen Beschluss, „um den schnellen Zugriff auf die Haushaltsmittel der Union zu gewährleisten, die für die Sofortfinanzierung ... insbesondere von Tätigkeiten zur Vorbereitung einer Mission bestimmt sind.“ Für diese Militärmissionen soll ein eigener EU-„Anschubfonds“ gebildet werden, auf den der „Hohe Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik“ zugreifen kann, der für die Koordinierung von EU-Militäreinsätzen zuständig ist.
Militärische Beistandsverpflichtung - schärfer als in der NATO
„Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen die anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt“ (Art. 27, 7). Diese Beistandsverpflichtung ist schärfer als die der NATO, die es den Mitgliedstaaten überlässt, in welcher Form sie Beistand leisten wollen. Der letzte Satz könnte zwar noch als Möglichkeit zur Wahrung der Neutralität interpretiert werden, wird aber mit Sicherheit von der Regierung über den „Kriegsermächtigungsartikel“ 23f B-VG weggedrückt, wenn es zum militärischen Ernstfall kommt. Dieser neutralitätswidrige Artikel 23f B-VG ermöglicht die Teilnahme Österreichs an weltweiten EU-Militäraktionen.
Weiters gibt es eine sog. „Solidaritätsklausel“, die eine militärische Unterstützung beim sog. „Anti-Terror-Kampf“ (Art. 188r) vorsieht, was auch Beistandsverpflichtungen bei sog. „Präventivkriegen“, also offensiven Militäraktionen, die Tür öffnen könnte.
Militärisches „Kerneuropa“ - globale Kriegsfähigkeit innerhalb von 5 bis 30 Tagen
Institutionalisierung einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) der „Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen“ (Art. 27, 6)
Ein Protokoll legt konkrete Rüstungspflichten der Mitglieder der SSZ bis zum Jahr 2007 fest. Darin findet sich u. a. die Verpflichtung, die „Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit der Europäischen Verteidigungsagentur intensiver zu entwickeln und spätestens 2010 über die Fähigkeit zu verfügen, ... bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die auf die in Aussicht genommenen Missionen ausgerichtet sind, taktisch als Gefechtsverband konzipiert sind, über Unterstützung unter anderem für Transport und Logistik verfügen und fähig sind, innerhalb von 5 bis 30 Tagen Missionen ... aufzunehmen.“
(Protokoll über SSZ, Art. 1).
Verpflichtung zu neoliberaler Wirtschaftspolitik
Die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten zu einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" findet sich ebenso wieder wie der Vorrang von Hartwährungs- vor Beschäftigungspolitik. Die Europäische Zentralbank steht faktisch außerhalb jeder demokratischen Einflussnahme. In einem Zusatzprotokoll zum EU-Reformvertrag wurde festgeschrieben, "dass zum Binnenmarkt ein System gehört, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt". Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, dass sie auf Grundlage dieses neuen Vertrages die Liberalisierung der öffentlichen Dienste vorantreiben werde.
EURATOM voll aufrecht
Voll aufrechterhalten bleibt weiterhin der EURATOM-Vertrag. Dessen Ziel ist es, die Atomenergie zur fördern, um „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“ (Präambel). Das „Anti-AKW-Land“ Österreich zahlt jährlich rund 40 Millionen Euro für die EU-Atomtöpfe.
aus: guernica 4/2007