ImageBeim EU-Beitritt 1994 wurde den Menschen vieles versprochen. Wir bringen eine kurze Bilanz, die sich von der regierungsamtlichen EUphorie etwas unterscheidet.

Ungleichheit wächst

Seit dem EU-Beitritt ist die Lohnquote (Anteil der unselbständig Erwerbstätigen) am Volkseinkommen um 7% gesunken. Die durchschnittlichen Nettorealeinkommen (also inflationsbereinigt) der ArbeitnehmerInnen sind zwischen 1995 und 2008 um 2,6% gesunken. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt ist in diesem Zeitraum real um 32% gestiegen. D.h., dass eine massive Umverteilung zugunsten der Gewinneinkommen stattgefunden hat. Besonders dramatische Einbußen gibt es in den unteren Lohngruppen. So sind die Realeinkommen (inflationsbereinigt) des 1. Quintils (=einkommensschwä-chste 20 %) aller ArbeitnehmerInnen von 1995 bis 2008 um 25 % brutto (22,4 % netto) gesunken. (Quelle: Sozialbericht des Sozialministeriums 2009-2010)

Frauen fallen zurück

1980 verdienten Arbeiterinnen 61,6% ihrer männlichen Kollegen, bis 1995 konnten sie auf 64,5% zulegen, doch 2008 lagen wie wieder bei 61,2%, also unter dem Stand von 1980. (Quelle: Sozialministerium)

Steuerpolitik für die Großen

Die Steuerreformen seit Anfang der 90er Jahre zeigen eine eindeutige Handschrift zugunsten der großen Vermögen, Kapitalgesellschaften und Spitzenverdiener: Senkung der Körperschaftssteuer, Einführung der Gruppenbesteuerung für Konzerne, Abschaffung von Vermögens-, Erbschafts- und Schen- kungssteuer, Einführung von Privatstiftungsprivilegien, Senkung des Spitzensteuersatz, usw. Seit 1992 sind die Einnahmen aus Lohnsteuern doppelt so stark gestiegen wie die Einnahmen aus Gewinnsteuern (Quelle: AK OÖ).

Arbeitslosigkeit nimmt zu

Die Zahl der Arbeitslosen (inkl. SchulungsteilnehmerInnen) hat sich seit Mitte der 90er Jahre um rd. 100.000 erhöht. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist von 10 auf 25 % gewachsen. Die Zahl der SozialhilfebezieherInnen hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Privatisierungsrausch

Der “hohe Staatsanteil in der Wirtschaft” war der EU-Kommission schon beim Beitrittsgesuch ein Dorn im Auge. Zwischen 1994 und 2005 wurde alleine im Rahmen der ÖIAG öffentliches Eigentum im Wert von 12 Mrd. Euro privatisiert und damit die verstaatlichte Industrie faktisch zerschlagen. Ebenfalls privatisiert wurden die großen Banken CA bzw. Bank Austria. Auch die Privatisierungen im Bereich öffentlicher Dienstleistungen schreiten voran (z.B. Post, Energie, Wasser).

Bahn/Post sperren zu

EU-Postliberalisierung: Zwischen 1999 und 2009 baute die Post AG 27% der MitarbeiterInnen ab (minus 10.000 Beschäftigte) und sperrte jedes zweite Postamt zu. Gleichzeitig stiegen Gewinn und Dividendenausschüttung um über 300%. Die EU-Eisenbahnliberalisierung führt zur Zerstörung eines kooperativen Eisenbahnsystems, Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Folge: Immer mehr Regionalbahnen werden zugesperrt, die Fahrpläne ausgedünnt. Einem Drittel des Schienennetzes droht  die Stilllegung.

Fremdengesetze verschärft

Seit 1992/93 werden nahezu jährlich die sog. „Fremdengesetze“ restriktiver und integrationsfeind- licher (Asyl, Aufenthalt,...). Nicht alle, aber wesentliche Verschärfungen wie z.B. die sog. „Sichere-Drittstaaten-Regelung“, mit der das Recht aus Asyl massiv eingeschränkt wird, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit EU-Entwicklungen.

Bedrohlicher Überwachungsstaat

Die Vorratsdatenspeicherung geht auf eine EU-Richtlinie zurück, ebenso die sog. „Anti-Terror“-Paragraphen §§ 278 b ff., die den Behörden eine wachsende Handhabe geben, politisches Engagement mit hohen Gefängnisstrafen einzuschüchtern. Militärbefugnisgesetz  und Sicherheitspolizeigesetz haben die Möglichkeiten der Behörden zur Bespitzelung der BürgerInnen massiv ausgeweitet.

Krebsgang in der Umweltpolitik

Seit dem EU-Beitritt hat sich der LKW-Transit über Österreichs Alpenpässe verdoppelt, im Ost-West-Verkehr sogar verdreifacht. Der Anteil der umweltfreundlichen Mehrweggebinde ist seit Anfang der 90er Jahre von 90% auf 20% gefallen, nicht zuletzt aufgrund von EU-Binnenmarktvorschriften (z.B. Aufhebung des Glasflaschengebots für Mineralwasser). Die EU-Kommission kippte das österreichische Importverbot von gentechnisch angebauten Futtermitteln. Österreich zahlt als EURATOM-Mitglied jährlich viele Millionen zur Förderung der EU-Atomindustrie.

Hochschulen: verschärfte soziale Selektion

Kürzung der Familienbeihilfe für Studierende, Streichung der Freifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Einführung von Studiengebühren (die teilweise wieder gestrichen wurden); weitgehende Eliminierung der studentischen Mitbestimmung ; immer weitergehende Zugangsbeschränkungen, ausgehend von einem EUGH-Urteil im Jahr 2005;  Zweiteilung in ein dequalifiziertes Massenstudium (Bachelor) und ein Elitestudium für wenige (Master, Dr.). Diese Politik hat den sozialen Numerus Clausus deutlich verschärft: An den wissenschaftlichen Unis sank der Anteil der Kinder aus einer niedrigen sozialen Schicht zwischen 1998 und 2009 von 26 auf 18 Prozent, an den Fachhochschulen sank dieser Anteil von 33 (1998) auf 23 Prozent (2009). (Quelle: Studierenden-Sozialerhebung 2009, Wissenschaftsministerium)

Sparpakete für die Schulen

In zwei Sparpaketen (1995, 2003) wurden in so gut wie allen Unterrichtsgegenständen und Schultypen Stunden gestrichen. Folge: Einem AHS-Maturanten, der 12 Schuljahre absolviert hat, wurde praktisch ein dreiviertel Schuljahr an Unterricht weggekürzt (rd. 870 Stunden), das aber bei gleichem Lehrstoff.

Schleichende Neutralitätsdemontage und Aufrüstung

Novellierung des Kriegsmaterialiengesetzes (ermöglicht die Durch- und Überfuhr von Kriegsgerät), EU-/NATO-Truppenstatut (ermöglicht die Stationierung von ausländischen Truppen in Österreich), „Obsolet“-Erklärung wichtiger Passagen des Staatsvertrags (sh. Kasten unten); Novellierung von Entsendegesetz und Artikel 23f Bundesverfassungsgesetz (ermöglicht die Teilnahme österreichischer Truppen an EU-Kriegen, sogar explizit ohne UN-Mandat!). Parallel dazu findet die Umwandlung des Bundesheeres in eine Armee für globale Kriegseinsätze  (Teilnahme an EU-Battlegroups, Berufsheer, neue Sicherheitsdoktrin) statt. Das Bundesheer nimmt an immer mehr westlichen Militärmissionen teil (Bosnien, Kosovo, Afghanistan, Kongo, Tschad, demnächst Libyen?). Die Beteiligung am größten EU-Rüstungsprojekt (Eurofighter, Gesamtkosten: 5 Milliarden Euro) ließ die Militärausgaben im Zeitraum 2006/08 um 30% nach oben schnellen.