ImageEnde Dezember 2007 traf der Europäische Gerichtshof (EuGH) richtungweisende Entscheidungen gegen schwedische und finnische GewerkschafterInnen, die mit Kampfaktionen Löhne unter den jeweiligen Kollektivverträgen verhindern wollten. Diese Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs stellen einen Dammbruch zur Aushebelung von Kollektivverträgen und des Streikrechts dar!

 
Die lettische Baufirma Laval hatte Aufträge in Schweden bekommen, sich aber geweigert, dem schwedschen Tarifmodell beizutreten und nur Löhne unter dem nationalen Kollektivvertrag bezahlt. Die schwedischen Gewerkschaften reagierten mit Streik- und Blockadeaktionen auf diese Dumpinglohnpolitik. Daraufhin klagte Laval beim EuGH, weil es EU-Recht berührt sah. Ende 2007 entschied nur der EuGH zugunsten von Laval und gegen die Gewerkschaften, dass die gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen gegen die "EU-Dienstleistungsfreiheit" verstoßen haben, die Nichtbeachtung der Kollektivverträge durch das Unternehmen sei dagegen EU-rechtlich legitim gewesen. Wörtlich heißt es in der Presseaussendung des EuGH, dass "das Recht der gewerkschaftlichen Organisationen eines Mitgliedstaats zur Durchführung kollektiver Maßnahmen ... geeignet ist, für diese Unternehmen die Durchführung von Arbeiten im schwedischen Hoheitsgebiet weniger attraktiv zu machen, ja sogar zu erschweren, und daher eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt." (EuGH, PM Nr. 98/07)

Ein ähnliche Entscheidung traf der EuGH ebenfalls Ende 2007, als sich finnische GewerkschafterInnen gegen das Unterlaufen der Kollektivverträge durch die finnische Passagierführunternehmen Viking Line, zur Wehr setzen. Auch in diesem Fall entschied der EuGH, dass gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen gegen das Unterlaufen von Kollektivverträgen mit der EU-Dienstleistungsfreiheit unvereinbar seien. Das stellt einen Dammbruch dar, denn damit haben die EU-Höchstrichter klargestellt: in Hinkunft kann jedes Unternehmen einen Briefkastenstandort in einem EU-Billiglohnland eröffnen und damit EU-weit die Kollektivverträge unterlaufen. Gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen dagegen werden für unzulässig erklärt.

EU-Reformvertrag zementiert Neoliberalismus ein und treibt ihn weiter voran

Der EuGH trifft seine Entscheidungen auf der Grundlage der EU-Verträge und der darauf beruhenden Richtlinien. Mit dem jetzt vorliegenden EU-Reformvertrag soll die neoliberale Stoßrichtung dieser EU-Verträge einzementiert und weiter vorangetrieben werden. Einzementiert wird der Neoliberalismus, indem aller Mitgliedstaaten
auf eine Wirtschaftspolitik der "offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb" verpflichtet werden (Art. 118, 120, 126, 127 VAE). Vorangetrieben wird der Neoliberalismus, indem die nationalen Parlamente hinsichtlich internationalen Handelsverträge entmachtet werden (Art. 207, VAE). Bisher waren solche Handelsverträge in den sensiblen Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung an die Zustimmung der Parlamente der Mitgliedstaaten gebunden. Das soll mit dem EU-"Reformvertrag“ entfallen, sodass sich die Liberalisierungswut der EU-Kommission in Hinkunft ungehemmter durchsetzen kann. Mit dem EU-Reformvertrag wird globaler Freihandel ("Abbau von Handelshemmnissen") in Verfassungsrang erhoben (Art. 206, VAE). Auch die Durchsetzung flächendeckender Liberalisierungen der öffentlichen Dienste wird in Hinkunft durch den EU-Reformvertrag erleichtert (Art. 14, VAE). Kaum hatten sich die EU-Staatschefs auf den Vertragstext geeinigt, kündigte die EU-Kommission an, dass in Hinkunft auch Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen unter den Hammer des EU-Wettbewerbsrechts kommen sollen. Damit droht einer neuer Privatisierungsschub.

Dass nun sogar Streikrecht und Kollektivverträge offen in Frage gestellt werden, muss endgültig die Alarmglocken bei jedem/r Gewerkschafter/in läuten lassen. Die Werkstatt Frieden & Solidarität fordert die ÖGB-Führung auf, endlich aus der Untertanenhaltung gegenüber Gusenbauer & Co auszubrechen und Opposition zum EU-"Reformvertrag“ zu entwickeln, der den Neoliberalismus unumkehrbar machen will. Alle GewerkschafterInnen in National- und Bundesrat sind aufgefordert, sich für einen Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag einzusetzen!

An der Gewerkschaftsbasis rührt sich Widerstand dagegen, den EU-Reformvertrag ohne Volksabstimmung durchzupeitschen. BetriebsrätInnen aus unterschiedlichen politischen Richtungen haben nun einen Aufruf gestartet, in dem die GewerkschafterInnen in National- und Bundesrat aufgefordert werden, sich für einen Volksabstimmung einzusetzen bzw. - wenn das nicht gelingt - gegen den EU-Reformvertrag zu stimmen. Bitte unterstützen! Siehe http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&view=article&id=82&Itemid=41