Für das Recht der arbeitenden Mehrheit und reale Demokratie - die Lehren aus dem 12. Februar 1934 aus Sicht der Solidarwerkstatt Österreich.
Am 12. Februar 1934 griffen die politisch bewusstesten Teile des Republikanischen Schutzbundes zu den Waffen und stellten sich verzweifelt und von ihrer Führung verraten gegen die Errichtung der faschistischen Diktatur. Es war ein defensiver Akt, dem ein jahrelanges Zurückweichen der sozialdemokratischen Parteiführung vorausging. Nach nur wenigen Tagen wurde der Aufstand für den Erhalt der (bürgerlichen) Demokratie und das Recht der arbeitenden Klassen „im Gebrüll der Dollfuss-Kanonen“ zusammengeschossen. Etliche Schutzbündler wurden danach hingerichtet, Arbeiterfunktionäre wurden u.a. im Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert, viele wurden von ihren „Arbeitgebern“ auf die Straße gesetzt. Die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und ihre Vorfeldorganisationen wurden verboten, wie zuvor bereits die KPÖ. Nun konnte die faschistische Regierung endlich mit dem „revolutionären Schutt“, wie sie die demokratischen und sozialen Errungenschaften der Arbeiterbewegung nach dem 1. Weltkrieg und das Rote Wien bezeichnete, „aufräumen“. Der Faschismus als „offene terroristische Diktatur der reaktionärsten Teile des Finanzkapitals“ hatte sich nun auch in Österreich durchgesetzt. Mit seinen österreichischen Spezifika natürlich und durchaus auch als Konkurrenz zum braunen Faschismus deutscher Prägung. Mit der Ausschaltung der organisierten Arbeiterbewegung beseitigte der Ständestaat-Faschismus nicht nur die Vertretung der arbeitenden Klassen und deren Institutionen, sondern begrub letztendlich auch die Eigenstaatlichkeit Österreichs und öffnete der deutsch-faschistischen widerstandslosen Annexion Tür und Tor. Trotz der realen Niederlage war der 12.Februar ein ganz wichtiges Signal für die Arbeiterklasse in ganz Europa: Der erste bewaffnete Widerstand gegen den faschistischen Terror.
Viele der Februar-Kämpfer gingen in weiterer Folge als Interbrigadisten nach Spanien um dort gegen den Franco-Faschismus zu kämpfen, emigrierten in die Sowjetunion und befreiten später als Soldaten der Roten Armee ihre österreichische Heimat von den Nazis, kämpften in den „Österreichischen Freiheitsbataillonen“ im Rahmen der Jugoslawischen Volkbefreiungsarmee und leisteten so einen unverzichtbaren Beitrag zur Befreiung (Moskauer Deklaration) bzw. blieben als Revolutionäre Sozialisten und Kommunisten als Widerstandskämpfer im Land und riskierten wortwörtlich „Kopf und Kragen“ am Schafott der Gestapo. Sie alle kämpften schlussendlich für ein neues demokratisches, unabhängiges und freies Österreich. Ihr Beitrag für die Errichtung einer friedensorientierten und neutralen 2. Republik, der Wiederorganisierung einer legalen Arbeiterbewegung und die folgende Durchsetzung derer demokratischen und sozialen Rechte ist epochal.
Was wären nun die Lehren und Schlussfolgerungen des 12 Februar 1934 und seiner Folgen für das Österreich 2025, sofern man nicht nur „Asche anbeten“ und Kränze abwerfen möchte?
Eine einfache Parallele zu zeichnen, Kickl mit Dollfuss oder gar Hitler gleichzusetzen, und eine „Machtergreifung des Faschismus“ zu postulieren trifft einfach nicht den Kern, ist ahistorisch und grenzt teilweise sogar an Verharmlosung des Faschismus im 20. Jahrhundert, sei es nun der grüne oder braune. Die Herrschenden brauchen heute keine „offene terroristische Diktatur“ denn es gibt keine bewusste und organisierte Arbeiterbewegung, die der Elite gefährlich werden könnte.
Heute sind wir vielmehr- und das nicht erst seit gestern- wieder mit dem Abbau sozialer und demokratischer Rechte, insbesondere der arbeitenden Menschen im Rahmen neoliberaler Regulierung konfrontiert. Die Biegung der Verfassung, die Aushebelung demokratischer Grundfreiheiten wie z.B. des Demonstrationsrechts, die Stigmatisierung unliebsamer Meinungen durch einen sich zunehmend antidemokratisch gebärdenden medialen Komplex, offene Kriegstreiberei desselben, Angriffe auf Institutionen der arbeitenden Menschen und gegen den Sozialstaat usw.. Vieles, was unsere 2. Republik ausgemacht hat, steht zur Disposition.
Die Demokratie droht zu einer Fassadendemokratie zu werden, da das neoliberale Korsett des EU-Konkurrenzregimes nicht demokratisch beeinflusst werden kann. Die Verpflichtung zur „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, Kapitalverkehrsfreiheit, Freihandel und die Verpflichtung zur Aufrüstung sind im EU-Grundlagenvertrag einzementiert. Dieses Regime drängt die politische Landschaft nach rechts. Sozialdarwinismus ist das Bindeglied zwischen Neoliberalismus und Rechtsextremismus. Eine echte fortschrittliche soziale Option, die einerseits das bereits in der 2. Republik nach 1945 Errungene verteidigt oder sogar darüberhinausgehende reale Demokratisierung in Wirtschaft und Gesellschaft durchsetzt sowie sozioökonomische Machtverhältnisse in Frage stellt, ist im aktuellen EU-Rahmen ausgeschlossen.
Die Durchsetzung demokratischer Souveränität und sozialer Gleichheit bedingen daher einander.