Gespräch mit Willi Langthaler und Boris Lechthaler über das „No-Euro-Forum“, eine fortschrittliche internationale Vernetzung von EU-oppositionellen Kräften, die sich zuletzt am13. und 14. April 2019 in Rom getroffen hat.

Werkstatt-Blatt: Vor wenigen Tagen fand das jüngste internationale „No Euro Forum“ in Rom statt. In welcher Atmosphäre?

Boris: Das Motto des diesjährigen Forums war etwas holprig übersetzt: „Welche Strategie führt zur Befreiung?“ Als wir uns im September 2017 in Chianciano Terme trafen, lautete das Motto: „Was kommt nach der EU?“ Daran lässt sich erkennen, die Bewegung hat etwas an Dynamik verloren. Das gründet jedoch nicht darin, dass die Krise des Euroregimes Geschichte ist und das EU-Binnenmarktregime gerade am Überfliegen ist. Vielmehr wiederholt sich eine geschichtliche Lehre: Wenn Krisen der Herrschenden nicht in offensiver emanzipativer Praxis münden, münden sie in Frustration. Umso wichtiger ist es, in einer solchen Situation nicht die Segel zu streichen, sondern Kurs zu halten.

Willi: Dafür ist Griechenland ein gutes Beispiel. Der Verrat von Tsipras und Syriza hat wahrscheinlich emanzipative Hoffnungen einer Generation junger Menschen auf ein Ende der neoliberalen Austerität zerstört. Ähnliches könnte sich beim Brexit entwickeln. Costas Lapavitsas hält das für sehr wahrscheinlich. Aber die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Wann immer das Imperium glaubt, Ruhe in einem seiner Hinterhöfe hergestellt zu haben, bricht der Widerstand an einem anderen Ort wieder auf, wie z.B. bei den Gilets Jaunes in Frankreich, die auch bei der Konferenz durch Vertreter von Pardem, Parti de la Demondialisation präsent waren.

WB: Könnte die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich zu einer Blaupause für Bewegungen in anderen europäischen Ländern werden?

Willi: Das glaube ich nicht. Auch der Versuch „La France Insoumise“ für Deutschland mit „Aufstehn“ zu kopieren ist nicht aufgegangen. Jede Anstrengung für eine internationale Koordination zur Befreiung vom neoliberalen Joch wird quasi volée auf die nationalen Bedingungen zurückgeworfen. Das gilt aber auch für die herrschenden Eliten. Vor einem Jahr noch galt die deutsche Bundesregierung als lahme Ente, Macron als Überflieger. Lapavitsas hat die divergente Wirkung des EU-Binnenmarkts bei der Konferenz nachvollziehbar beschrieben. Italien ist in einer wirtschaftlichen Rezession.

WB: Wie wurde die Situation in Italien auf der Konferenz bewertet?

Willi: Bei der Konferenz in Rom waren konsequent linke Parteien und Initiativen vertreten. Im Vergleich zur Diskussion noch vor ein paar Jahren, wird der Euro, aber auch insgesamt der EU-Binnenmarkt, in der Zwischenzeit von allen abgelehnt. Die Fakten sind einfach zu eindeutig. Es kann keine soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Italien in den Fesseln des Euroregimes geben. Es gelingt aber nicht, oder noch nicht, daraus eine interventionsmächtige gesellschaftliche Strömung zu entwickeln. Teilweise wird versucht für positive Elemente der derzeitigen Regierung, wie bei Pensionen, Sozialleistungen oder symbolträchtigen Renationalisierungen, wie bei Alitalia oder Autostrade zu mobilisieren. Dabei beginnen aber auch die Differenzen. Cinque Stelle ist in der Krise, wahrscheinlich aber auch in einer Transformation hin zu einer quasi normalen Systempartei. Es ist schwer abzusehen, wie sich das weiterentwickelt.

WB: Griechenland, Brexit, Gelbwesten, Italien. Gab es weitere Themen auf der Konferenz?

Boris: Sehr beeindruckt haben mich die Vertreter von „Salir del Euro“ aus Spanien. Sie sind in einer schwierigen Situation. Hoffnungen, die mit Podemos verbunden waren, sind vielfach enttäuscht worden. Dazu kommt der schwierige und, wenn ich es richtig verstanden habe, aus ihrer Sicht unnötige Konflikt um die katalonische Unabhängigkeit. Dieser Konflikt führt tendenziell zu einer Stärkung rechter Kräfte, wie z. B. VOX. Da Kurs gegen das Euroregime zu halten und dennoch flexibel mit unterschiedlichen sozialen Bewegungen umzugehen, ist sicherlich eine Herausforderung. Ich habe den Eindruck, dass unsere spanischen Freunde hier nicht nur die richtigen Sachen machen, sondern die richtigen Sachen richtig machen. So sind sie führend in der Verteidigung des Pensionssystems gegen die Privatisierungspläne der EU beteiligt. Ein Thema, das auch in Österreich bald auf der Tagesordnung stehen könnte.

WB: Wie wird die No-Euro Koordination weiterarbeiten?

Willi: Zunächst: Sie wird weiterarbeiten. Auch wenn es oft erhebliche Differenzen über die konkrete Arbeit gibt. Es wird eine gemeinsame Erklärung zu den Europaparlamentswahlen und Venezuela geben. Ein regelmäßiger Meinungsaustauch wurde vereinbart. Das klingt nicht überwältigend. Aber angesichts der Tatsache, dass sich alle anderen Initiativen wie Diem 25 oder die verschieden Plan B Initiativen verlaufen haben, ist es doch ein Erfolg. Das nächste Forum wird voraussichtlich 2020 in Barcelona stattfinden.
Zudem: Wir stehen vor einem neuen Abschwung, der in Südeuropa die kleinen Budgetspielräume wieder schließen wird. Insbesondere gegen Italien sind nach den EU-Wahlen harte Attacken aus Brüssel zu erwarten. Das alles wird nicht ohne Folgen bleiben, auch was den Widerstand von unten betrifft.

Boris: Für mich stellen diese Foren auch immer eine sinnliche Erfahrung darüber dar, wie unsinnig es ist, zu meinen, nur eine transnationale, europaweite Bewegung sei in der Lage, die neoliberale Globalisierung zu beenden. Es zeigt sich immer ganz unmittelbar, der Kampf um Emanzipation findet auf nationaler Ebene statt. Freilich brauchen wir dafür immer die Solidarität fortschrittlicher Kräfte aus anderen Ländern. Die No Euro Koordination ist dafür ein echter Schritt nach vorn.

(April 2019)