Rede von Boris Lechthaler (Solidarwerkstatt Österreich) bei der antifaschistischen Kundgebung "OÖ legt sich quer" am 3. März 2018 gegen den rechtsextremen Kongress der "Verteidiger Europas" in Aistersheim.

Wir brauchen keine rechtsextremen Verteidiger Europas!

Oberösterreich braucht keine rechtsextremen Verteidiger Europas!

Deshalb legen wir uns quer!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Unser entschiedenes Auftreten hat dazu geführt, dass sie ihren Kongress nicht mehr in der Landeshauptstadt Linz abhalten können.

Wir werden dafür sorgen, dass sie ihren Kongress auch nicht mehr in Aistersheim abhalten können.

Wir werden dafür sorgen, dass sie ihn nirgendwo in Oberösterreich abhalten können.

Wer seine inzestiöse europäische Identität verteidigen will,

soll sich dafür eine unbewohnte Insel im Atlantik suchen,

aber bitte uns damit in Ruhe lassen.

Österreich hat einmal seine Erfahrung mit völkischer Identitätspolitik gemacht.

Österreich braucht nicht noch einmal die Verteidigung Europas in Stalingrad und am Atlantik.

Liebe Freundinnen und Freunde!

Als bekannt wurde, dass in manchen deutschnationalen Burschenschaften,

nach wie vor der Judenmord besungen wird, meinte unser Bundeskanzler Sebastian Kurz, sein Kriterium für die Zulässigkeit der Zusammenarbeit mit politischen Kräften sei das Strafgesetzbuch.

Sehr geehrter Hr. Bundeskanzler.

Wir wollen ihnen hier von Aistersheim aus weitere – historische und politisch aktuelle -  Kriterien zur Kenntnis bringen.

Es sind dies der §3 des NS-Verbotsgesetzes und

die Bestimmungen der Art. 4 und 9 des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich.

1979 wurde von der zentralen Wahlkommission bei der Österreichischen HochschülerInnenschaft der Wahlvorschlag der wahlwerbenden Gruppe „Aktion Neue Rechte“ wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen der Artikel 4 und 9 des Staatsvertrages, sowie der §§ 3, 3a und 3d des Verbotsgesetzes nicht zugelassen. Vom VwGH wurde dem Einspruch der ANR stattgegeben und 1981 eine Wiederholungswahl angesetzt, bei der die ANR ein Mandat erhielt.

Gegen diese Wahl erhoben der VSStÖ und der KSV Einspruch, der mit Bescheid des BM f. W u. F als unbegründet abgewiesen wurde. Dagegen erhoben VSStÖ und KSV Beschwerde beim VfGH, der in weiterer Folge ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet hat.

In diesem Gesetzesprüfungsverfahren hat der VfGH mit Erkenntnis vom 29.11.1985 festgestellt, ich zitiere:

„§3 Verbotsgesetz enthält ein unmittelbar wirksames, von jedem Staatsorgan im Rahmen seines Wirkungsbereiches zu beachtendes Verbot.“

Weiter heißt es in dem Erkenntnis:

„… dass §3 über die Straftatbestände der §§3a ff. hinaus Bedeutung hat. Sie liegt darin, dass er ausnahmslos jeden Akt der der Wiederbetätigung für rechtswidrig erklärt.“

„Das Wiederbetätigungsverbot ist auch nicht bloßer Teilzweck der staatlichen Tätigkeit für einen bestimmten Bereich  (Anmerkung B.L. etwa dem Strafrecht)

der hinter anderen Teilzwecken anderer Bereiche zurückstehen müsste,

(Anm.: B.L: etwa dem Wahlrecht oder dem Vereins- und Versammlungsrecht)

sondern umfassende Maßgabe jeglichen staatlichen Verhaltens.

Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik. Ausnahmslos jede Staatstätigkeit hat sich an diesem Verbot zu orientieren. Es darf kein behördlicher Akt gesetzt werden, der eine Mitwirkung des Staates an nationalsozialistischer Wiederbetätigung bedeuten würde.“ so der VfGH

Und weiter hielt der VfGH unmissverständlich fest:

„Die Rechtsordnung darf auch dann der nationalsozialistischen Wiederbetätigung keine Unterstützung gewähren, wenn eine Verurteilung noch nicht ergangen ist.“

Ich fordere Sie auf, Hr. Bundeskanzler, dieses Erkenntnis des VfGH in ihrem Wirkungsbereich zu berücksichtigen.

Wir fordern auch alle anderen Behörden auf, insbesondere den Landeshauptmann, das Erkenntnis des VfGH aus 1985 zu beachten. Das NS-Verbotsgesetz ist unmittelbar anwendbares Recht.

Veranstaltungen, wie dieser rechtsextreme Kongress der Verteidiger Europas hier im Wasserschloss Aistersheim können und müssen verboten werden.

Liebe Freundinnen und Freunde,

ob Wiederbetätigung im Sinne des §3 Verbotsgesetzes vorliegt, ist auch nicht davon abhängig, ob jemand ein Europabekenntnis abgibt, ob sich jemand zur rechten, neoliberalen Politik der EU bekennt.

Sehr geehrter Hr. Bundespräsident,

wenn Sie heute reihenweise deutschnationale Burschenschafter für höchste Staatsämter angeloben, nur weil diese ein Europabekenntnis abgeben, dann scheinen auch Sie ein etwas unaufgeklärtes Verhältnis zum Verbotsgesetz und den Artikeln 4 und 9 des Staatsvertrages zu haben.

  • §3a, Z 2. des Verbotsgesetzes normiert eindeutig, ich zitiere:

„Eines Verbrechens macht sich schuldig……

 

wer eine Verbindung gründet, deren Zweck es ist, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben.“

Von einer Untergrabung der Mitgliedschaft Österreichs in der EU ist hier nicht die Rede. Wie auch, hat diese doch für die Wiedererstehung eines demokratischen Österreichs keinerlei Bedeutung gehabt, weil sie damals noch gar nicht bestanden hat.

Artikel 4 des Staatsvertrages normiert auch eindeutig

„daß eine politische oder wirtschaftliche Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland verboten ist…“

Und es heißt weiter im Artikel 4, Abs. 2. des Staatsvertrages

„Um einer solchen Vereinigung vorzubeugen, wird Österreich keinerlei Vereinbarung mit Deutschland treffen oder irgendeine Handlung setzen oder irgendwelche Maßnahmen treffen, die geeignet wären, unmittelbar oder mittelbar eine politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland zu fördern oder seine territoriale Unversehrtheit oder politische oder wirtschaftliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.“

Sehr geehrter Hr. Bundespräsident,

vielleicht denken Sie, wenn Sie wieder einmal in Brüssel oder Berlin gegen die österreichische "Kleinstaaterei" und für ein europäisches Imperium agitieren, an diese verfassungsmäßigen Grundlagen der II. Republik.

Liebe Freundinnen und Freunde,

unser neuer Innenminister war selbst vor eineinhalb Jahren Redner beim rechtsextremen Kongress der Verteidiger Europas in Linz. Viele von euch werden sich zu recht fragen, welchen Sinn es habe, an das Verbotsgesetz und die Behörden zu appellieren, wenn der oberste Vertreter dieser Behörde, mitunter selbst ein Fall für das Verbotsgesetz ist.

Ich ersuche euch zu bedenken:

Die Bezugnahme auf Verbotsgesetz und Staatsvertrag sind kein Bittgesuch an die Behörden. Ihre unmittelbare - ich wiederhole unmittelbare -  Verpflichtung der Behörden ist auch Verpflichtung für uns, und unmittelbare Legitimation unseres Handelns. Wir sind durch Verbotsgesetz und Staatsvertrag unmittelbar legitimiert, uns behördlichen Anordnungen zu widersetzen,

wenn sie zu diesen Normen in Widerspruch stehen.

Artikel 9 Absatz 2.  des Staatsvertrages aus 1955 normiert eindeutig:

Österreich verpflichtet sich, alle Organisationen faschistischen Charakters aufzulösen, die auf seinem Gebiete bestehen, und zwar sowohl politische, militärische und paramilitärische, als auch alle anderen Organisationen, welche eine irgendeiner der Vereinten Nationen feindliche Tätigkeit entfalten oder welche die Bevölkerung ihrer demokratischen Rechte zu berauben bestrebt sind.

Wir sind jenen Soldatinnen und Soldaten der Alliierten verpflichtet, die für die Wiedererstehung eines freien, demokratischen Österreich gefallen sind. Wir sind jenen Österreichinnen und Österreichern verpflichtet, die für ihr Eintreten für ein freies und demokratisches Österreich mit dem Tod unter dem nationalsozialistischen Fallbeil bezahlt haben.

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

Diese Botschaft wollen wir von Aistersheim aussenden.
(3.3.2018)

Hier Bilder von der Kundgebung "OÖ legt sich quer!" am Nachmittag
Aistersheim Omas

Aistersheim Solidarwerkstatt

und von der "Wort Gottes Feier für Frieden, Toleranz und Menschlichkeit" am Abend des 3.3.2018 in Aistersheim
Aistersheim Abendkundgebung