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Am 22. Februar 2019 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass der österreichische Karfreitags-Feiertag, der nur für Mitglieder protestantischer Kirchen gilt, eine Diskriminierung aus religiösen Gründen für konfessionslose oder Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften ist.

Eine 70-jährige Auseinandersetzung

Nach Ende des 2. Weltkriegs hatte sich die Evangelische Kirche um eine Anerkennung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag bemüht. 1949 stellte die Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) einen Minderheitenantrag im Parlament zur Anerkennung des Karfreitags als gesetzlichen Feiertag für alle Arbeitnehmer. Der Antrag wurde von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) abgelehnt und durch eine kollektivvertragliche Regelung ersetzt, die den Mitgliedern der protestantischen Religionsgemeinschaften einen bezahlten Arbeitsruhetag zuerkannte.2 Erst 1955 wurde der Karfreitag als gesetzlicher Feiertag nur für die Protestanten anerkannt.

Die Initiative für diesen Feiertag ist vor allem von den beiden evangelischen SPÖ-Abgeordneten Bruno Pittermann und Karl Spielbüchler ausgegangen. Von den Initiatoren wurde ein allgemeiner Feiertag für alle Arbeitnehmer gefordert, um eine Sonderstellung von Protestanten zu vermeiden.3 Die Umsetzung dieses allgemeinen Feiertages scheiterte schließlich am Widerstand der ÖVP.

Als gerechtfertigt wurde der Feiertag für die Protestanten durchaus empfunden. Als Wiedergutmachung für jahrhundertelange Verfolgung in der österreichischen Monarchie, für Unterdrückung im Austrofaschismus und als Minderheitenschutz, wie der Abgeordnete Karl Spielbüchler 1949 in seiner Parlamentsrede sagt:

Denn Mehrheiten, ob nun politische oder konfessionelle, werden sich in einer Demokratie immer ihr Recht zu verschaffen wissen, Minderheiten müssen aber geschützt werden, damit sie zu Ihrem Recht kommen.4

EuGH, Antidiskriminierung und Gleichstellung

Der EuGH ist allerdings der Meinung, dass die österreichische Karfreitags-Regelung nicht "mit der Berufung auf spezifische Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen wegen der Religion gerechtfertigt werden" kann.1 Dass sich im östererichischen politischen Prozess eine Meinung durchgesetzt hat, spielt für den EuGH keine Rolle.

Die österreichische Regierung und der Nationalrat sind dem EuGH Urteil gefolgt und das Feiertagsruhegesetz wurde entsprechend abgeändert.

Neben der Grundrechtecharta wird die Antidiskriminierung durch eine Reihe von Richtlinien mit Diskriminierungsverboten umgesetzt. In den Richtlinien sind sieben Merkmale der Diskriminierung aufgestellt worden: Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Alter und Behinderung.5

Während die ersten fünf dieser Merkmale, zwar oft Ursache für Vorurteile sind, stellen Sie im Gegensatz zu den letzten beiden Merkmalen keinen Unterschied für das Arbeitsleben dar. Im Hinblick auf die letzten beiden Merkmale kann eine ArbeitgeberIn diskriminieren. Diese Merkmale stellen einen realen Unterschied für das Arbeitsleben dar, da z.B. das Alter zu einer Abnahme der Leistungsfähigkeit führt.

Aufhebung derAutonomie der Kollektivvertragsparteien

Der Karfreitag gilt nach Kollektivvertrag trotz EuGH Urteil und Änderung des Feiertagsruhegesetzes für die Mitglieder protestantischer Kirchen immer noch als Feiertag. Der EuGH mischt sich mit seinen Antidiskrimierungs-Urteilen in die Ergebnisse von Kollektivvertragsverhandlungen ein, die auf nationaler Ebene geführt wurden. Politische Auseinandersetzungen und Prozesse werden durch Urteile vom EuGH ersetzt und festgeschrieben.

Unter Bezugnahme auf den Gleichheitssatz werden Geschichte, nationale Besonderheiten und die Autonomie von Kollektivvertragsverhandlungen ignoriert.

Wer schützt die Dummen und die Schiachen vor Diskriminierung?

In einem Interview mit der Wiener Zeitung 2005 anlässlich einer Tagung zum Sozial- und Arbeitsrecht hat der langjährige Verfassungsrichter Karl Spielbüchler (Sohn des gleichnamigen Abgeordneten) gesagt, dass das was an Diskriminierungsmerkmalen festgeschrieben wurde, völlig willkürlich ist und dass er sicher sei, dass die "Dummen und die Schiachen am meisten diskriminiert werden. Wer schützt die?".7

Die Dummen und die Schiachen können vom Staat her gar nicht geschützt werden, so die Juristin Magdalena Pöschl. Denn, falls der Staat die "Dummen und die Schiachen" in den Diskriminierungsschutz einbeziehen wollte, "käme er nicht umhin auszusprechen, dass jemand dumm und hässlich ist. Er müsste also zuerst selbst eine Diskriminierung produzieren, um sie dann zu beheben – ein absurdes Ergebnis."5

Nach Ansicht von Magdalena Pöschl ist dieses Ergebnis "Grund genug, einmal innezuhalten und zu fragen, ob die gewaltige Inszenierung der Antidiskriminierung, die sich immer tiefer in sich selbst zu verstricken droht, uns nicht viel zu sehr von den Unterschieden ablenkt, die zwischen armen und reichen Menschen bestehen und die sich in der heutigen Arbeitswelt zusehends verschärfen: War es nicht dereinst das wichtigste Anliegen des Arbeits- und Sozialrechts, gerade diese Unterschiede zu lindern?"5

Dieser Ansicht schließt sich der Autor an. Da ein bezahlter Feiertag besonders auch für die armen Menschen eine große Erleichterung und Freude ist, wird hier abschließend ein freier Karfreitag für alle gefordert.

(1) PRESSEMITTEILUNG Nr. 4/19 des Europäischen Gerichtshofes
(2) Stenografisches Protokoll der 117. Sitzung des Nationalrates, S. 21.
(3) Parlamentskorrespondenz 2. Juni 1954
(4) Stenografisches Protokoll der 117. Sitzung des Nationalrates, S. 23.
(5) Magdalena Pöschl: Verfassungsrechtliche Gleichheit, arbeitsrechtliche Gleich-behandlung, unionsrechtliche Antidiskriminierung
(6) EuGH höhlt Tarifautonomie aus
(7) Matthias G. Bernold: Schwammiges Terrain für Richter, Wiener Zeitung